Der trojanische Riegel

Bild: Zotter

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Zotter exportiert jetzt nach China. In einer ehemaligen Hemdfabrik in Shanghai entsteht ein Schoko-Laden-Theater nach steirischem Vorbild. Julia Zotter, die Tochter des Chocolatiers Josef Zotter, wird es leiten.

 

Als Hersteller von Qualitätsschokolade setzt die Zotter Schokoladenmanufaktur durchgehend auf Fairtrade-, Bio-Standards und eine Herstellung von der Bohne bis zum fertigen Produkt (Bean-to-Bar, von der Bohne bis zu Riegel). In einer revitalisierten Fabrikhalle im fernen Shanghai plant man nun neben der eigenen Schokolade auch die damit verbundenen Überzeugungen zu promoten. Aufgrund der dortigen Menschen- und Arbeitsrechtsbedingungen erntet das als bewusst politisch bekannte Familienunternehmen nicht nur Lob. Julia Zotter, die das Mitte Jänner 2014 eröffnende Schoko-Laden-Theater in China leiten wird, klärt uns über die Hintergründe dieser Unternehmung auf.

BIORAMA: Ist die Expansion des Vertriebs auch eine ökonomische Notwendigkeit, um als Premiumhersteller bestehen zu können?

Julia Zotter: Man muss nicht wachsen. Wir sind ein Betrieb mit einem sehr hohen Innovationsanteil, weil wir das gut können und es uns Spaß macht. Dadurch können wir eine einzigartige Vielfalt bieten, die uns auch Chancen auf anderen Märkten eröffnet. Warum sollten wir die nicht wahrnehmen? Uns geht es da weniger um’s nackte Geld, sondern eher darum, unsere Ideen in die Welt hinauszutragen und zu zeigen, dass Nachhaltigkeit nicht unbedingt der Feind wirtschaftlichen Erfolges ist. Wir sind ein österreichisches Unternehmen und das werden wir auch immer bleiben. Natürlich freuen wir uns über die Extra-Auslastung in Bergl (Anm.: Firmensitz, Ortsteil der steirischen Gemeinde Kornberg). Das gibt uns die sichere Basis, um auch weiterhin immer was Neues zu erfinden.

Warum gerade China? Aufgrund der Menschenrechtssituation, der Arbeitsbedingungen und der langen Transportwege gibt es auch Kritik an diesem Schritt.

Die Situation hier ist in vielen Aspekten nicht ideal, aber das heißt ja noch lange nicht, dass wir daran teilnehmen müssen. Wir wollen hier einen Stein ins Rollen bringen oder zumindest mithelfen, ihn anzustoßen. Warum also nicht unsere Prinzipien in ein Land wie China tragen? Außerdem muss sich da jeder selber bei der Nase nehmen und schauen, wie er oder sie sich verhält: Billiggewand, Smartphone, et cetera. Diese Produkte haben mit Fairness sicher nix am Hut, aber da scheint’s den meisten wurscht zu sein. Die Transportwege bleiben natürlich ein Problem. In Zukunft möchten wir soweit es geht auf das Schiff umstellen, zumindest bei den puren Schokos. Im Prinzip muss man sich ja freuen, dass die Leute nachfragen. Wichtig ist, dass wir Zotter sind und bleiben, auch wenn wir nach China gehen.

Wie sieht der chinesische Markt überhaupt aus? Gibt es überhaupt einen Massenmarkt dafür oder läuft Schokolade mehr als Delikatesse?

Schokolade gibt es eigentlich schon eine längere Zeit am chinesischen Markt. Anfänglich war sie etwas ganz Exotisches, aber mittlerweile hat auch China einen breit gestreuten Massenmarkt. Sie hat hier aber immer noch mehr symbolischen Wert, als dass man sie wirklich täglich essen würde. Preislich liegt sie zwischen 1,20 Euro und fünf Euro pro hundert Gramm Schokolade. Bei den Premiumherstellern gibt es hauptsächlich französische und belgische Schokolade, die decken eher den Geschenkbereich ab und sind preislich extrem –  bis zu 25 Euro pro hundert Gramm. Bei vielen Premiumherstellern zieht die Exklusivität, aber weniger der Geschmack oder der Rohstoff.

Wie positioniert ihr euch in diesem Markt? Die Tafel soll zirka sieben Euro kosten. Das ist ja für ein Durchschnittseinkommen noch immer recht teuer.

Ja, das ist viel, aber es ist schwierig, von einem chinesischen Durchschnittseinkommen zu sprechen. Einkommen und auch Ausgaben für die Lebenshaltung variieren sehr stark. Gerade Shanghai ist eine Region, die mit europäischen Verhältnissen vergleichbar ist. Aufgrund von Zöllen und Transport ist es schwierig, günstiger zu sein. Vieles muss aufgrund der Haltbarkeitsgrenzen per Flugzeug transportiert werden. Wir sind auch die erste Schokolade in China, die bio und fairtrade ist. Für eine solche Qualitätsschokolade ist das am chinesischen Markt also ein vertretbarer Preis. Mittelfristig werden wir uns aber bei sechs bis sieben Euro einpendeln. Unser »bio, fair, bean-to-bar«-Hintergrund, unsere Sortenvielfalt, die im Vergleich nicht utopische Preisgestaltung und eben auch noch die begehbare Produktion setzen uns recht deutlich von der großen Konkurrenz ab.

Bild: Zotter

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Welchen Stellenwert haben Fairtrade und Bio in China überhaupt?

Vor allem Bio ist in China stark im Kommen. Aktuell ist das aber noch ein minimaler Prozentsatz, doch selbst ein Sprung hin zu einem kleinen Prozentsatz kommt einem riesigen Wachstum gleich. Leider hat das aber nichts mit ethischen Grundsätzen wie Tierschutz oder Artenvielfalt zu tun. Das Konzept Bio ist hier vor allem mit gesundem Lebensstil und Lebensmittelsicherheit verbunden. Wer sich’s leisten kann, setzt auf Bio. Fairtrade als Label ist, glaube ich, ziemlich unbekannt. Generell ist das Konzept eher mit »Entwicklungshilfe« als mit »Partnerschaft auf Augenhöhe« assoziiert. Deswegen wollen wir ja anfangen, hier etwas aufzubauen. Vielleicht finden uns genug Leute toll, die dann hoffentlich unseren Stil der Nachhaltigkeit nachmachen.

Die ursprüngliche Idee war es, einen Onlineshop zu betreiben. Das Projekt ist mittlerweile aber viel größer geworden?

Meine Eltern sind schlussendlich vor einem Jahr nach Shanghai gekommen, um ein paar Grundstücke zu besichtigen. Eigentlich wollten wir maximal die Hälfte des aktuellen Gebäudes mieten. Vor Ort waren meine Eltern dann aber recht beeindruckt von den Räumen. Beide haben sich in die Fabrikshalle und den Huangpu-Fluss, an dem es liegt, verliebt und beschlossen, das gesamte Gebäude anzukaufen. Es gab sofort erste Überlegungen, was man damit machen könnte. Nach und nach entstand die Idee, ein weiteres Schoko-Laden-Theater einzurichten.

Das heißt, es wird ähnlich wie die Zentrale in Bergl sein?

Das Schoko-Laden-Theater-Konzept wird gleich bleiben. Das, was wir jetzt in Shanghai machen, ist eine kompakte Version dessen, was wir in Bergl auch haben. Es gibt sehr viele Verkostungsstationen, aber auf einer kürzeren Strecke. Prinzipiell ist es gleich angelegt, nur dass wir in der Mitte eine Produktionsinsel haben und weniger technisiert sind als in Österreich. Wir können nicht von der Bohne weg arbeiten, dazu wäre die Produktion dann für China zu groß, aber wir können vor Ort auch handgeschöpfte Schokolade herstellen. Mit dem neuen Team wollen wir uns zunächst auf die einfacheren Sachen konzentrieren.

Die Produktion wird aber nach wie vor in der Steiermark bleiben?

Ja genau. Komplett. Ziemlich alle Produkte, die in der Steiermark produziert werden, werden nach Shanghai geschickt. Aber wir haben auch in China eine kleine Produktion von Dingen, die auch in Österreich in Handarbeit hergestellt werden. Das sind zum Beispiel Trüffel-Kugeln oder die Mixing-Bar-Schokoladen, die man eben online selber zusammenstellen kann. Das Rohmaterial kommt aus Österreich, die Endfertigung findet in China statt.

Welche Chancen gibst du dem Schoko-Laden-Theater-Konzept in diesem völlig anderen Kontext?

Die Stadt ist riesig – je nachdem, wen man fragt, hat die Stadt zwischen 23 und 30 Millionen Einwohner – und sehr offen. Die Leute wollen etwas erleben. Gerade bei Familien mit Kindern haben wir bestimmt eine gute Chance, eine Attraktion zu werden – beziehungsweise: bei Familien mit Kind. Das Prinzip der Ein-Kind-Familie führt dazu, dass Eltern mit ihrem Kind etwas Sinnvolles unternehmen wollen, das ihnen nachher vielleicht auch noch weiterhilft, also lehrreich ist. Sie können über Schokolade, Bio und Fairtrade lernen. Sie können Dinge probieren, die sie noch nicht kennen. Also ein ideales Familienausflugsziel. Wir sind eben ganz was Neues am Markt. Deswegen glaube ich, dass das funktionieren wird. Zu uns kommt man, um mehr über Schokolade zu erfahren, sie zu kosten und ein bisschen was von der Welt zu sehen.

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