Zoo Graz: steirisches Zoo-Projekt als Chance für Artenschutz
Die Stadt Graz plant einen Zoo. Doug Cress, CEO der World Association of Zoos and Aquariums, erklärt, was die Landeshauptstadt dabei beachten sollte.
Etwas überraschend hat die neue schwarz-blaue Grazer Stadtregierung unter Bürgermeister Siegfried Nagl verkündet, in der steirischen Landeshauptstadt einen Zoo errichten zu wollen. Was dabei zu beachten ist, welche Fehler zu vermeiden und welche Tierarten zu bevorzugen sind – das haben wir Doug Cress gefragt, den langjährigen Wildlife-Aktivisten und Programmkoordinator der UNO-Initiative Great Apes Survival Partnership (GRASP). Seit April 2017 steht der US-Amerikaner der World Association of Zoos and Aquariums (WAZA) vor – und vertritt damit von der Schweiz aus mehr als 300 zoologische Einrichtungen in mehr als 50 Ländern.
BIORAMA: Die neue Stadtregierung in Graz hat beschlossen, dass Graz einen Zoo bekommen soll. Was ist denn prinzipiell zu beachten, wenn man 2017 einen zoologischen Garten errichtet?
Doug Cress: Jeder im 21. Jahrhundert gegründete Zoo hat genau wie alle bestehenden Zoos, die für die Zukunft umgestaltet werden, zuvorderst die Gesundheit und das Wohlergehen seiner Tiere im Auge zu haben. Einerseits geht es darum, wie es den Tieren in Gefangenschaft ergeht, andererseits ist auch zu beachten, wie es ihnen ergehen sollte, wenn sie eines Tages wieder in die Wildnis zurückkehren. Denn moderne Zoos und Aquarien widmen sich verstärkt der Zucht gefährdeter Arten, um diese auch wieder in ihr natürliches Habitat zurückzuführen – und das kann nur dann funktionieren, wenn es den Tieren physisch und emotional gut geht. Das heißt ausdrücklich nicht, dass solch ein moderner Zoo nicht auch die Öffentlichkeit begrüßen und auch unterhalten kann. Natürlich geht das – und das muss er sogar, wenn er langfristig bestehen will. Nichtsdestotrotz sind Zoos zuallererst und in der Hauptsache „Conservation Centres“. Genau das gilt es auch Besuchern verständlich zu vermitteln.
Die Tage, in denen Zoos von jeder Art zwei Tiere hatten – zwei Löwen, zwei Tiger, zwei Elefanten –, die sind definitiv vorbei.“ (Doug Cress)
Es heisst, für den Zoo seien Partner notwendig, und die Stadt könne ihn nicht auf eigene Faust realisieren und betreiben. Kann ein Zoo eine interessante Investition sein, oder sollte man einen Zoo eher als eine kostenintensive Forschungseinrichtung betrachten?
Doug Cress: Ein Zoo kann sogar eine sehr interessante Investition sein, ja, vor allem, wenn sich die Investoren mit Leidenschaft um eine langfristige Beziehung zur breiten Öffentlichkeit bemühen. Ein Zoo oder ein Aquarium – das muss heutzutage nicht mehr zwangsläufig ein Ort sein, an dem Menschen einfach auf Tiere starren. Ein Zoo kann Spaß bedeuten! Nein, er sollte sogar Spaß machen. Ein extremes Beispiel dafür wäre Disney’s Animal Kingdom, wo ein wirklich exzellenter Zoo in einen außergewöhnlichen Amusement Park eingebettet ist. Der Melbourne Zoo in Australien führt seine Besucher in ein Labyrinth aus Aktivitäten, die sich wirklich relevanten Themen wie Luftverschmutzung, Recycling und dem Müll in den Meeren widmen. Und die meisten Aquarien arbeiten heute hart daran, die Besucher in einen Ozean eintauchen zu lassen – durch Hai-Tunnels und „Touch Pools“. Wenn ich allerdings eine Warnung ausspreche, dann jene, nicht zu vergessen, dass eine Public-Private Partnership in einem Zoo nicht anders als jede andere Public-Private Partnership auch ist. Und Investoren haben zu bedenken, dass eine Regierung meist ganz vorsätzlich anders agiert als es ein privates Unternehmen tun würde.
Es gibt in Graz bereits einen Reptilien-Zuchtstation namens Turtle Island. Sind spezialisierte Zoos sinnvoller als klassische Tierparks?
Doug Cress: Spezialisierte Einrichtungen wie Turtle Island spielen eine große Rolle wenn es um den langfristigen Erhalt wichtiger Arten geht und sind genauso wichtig wie Zoos und Aquarien, die eine größere Bandbreite an Tieren beheimaten. Aber alle müssen die gleiche Zielsetzung haben: zu sichern, dass diese Spezies nicht von der Erde verschwinden.
In Österreich gibt es in Wien mit dem Zoo Schönbrunn den ältesten Tiergarten der Welt. Im nahen Klagenfurt gibt es einen Reptilienzoo, im slowenischen Ljubljana existiert ein eher klassischer Zoo, unweit von Graz die Tierwelt Herberstein und ganz in der Nähe betreibt Bio-Schokolade-Unternehmer Josef Zotter sehr erfolgreich seinen „Essbaren Tiergarten“, in dem er alte Nutztierrassen ausstellt und nutzt. Welche Positionierung empfehlen Sie in diesem Umfeld dem Zoo Graz?
Doug Cress: Da ich mich nicht näher mit den benachbarten Parks in der Gegend um Graz beschäftigt habe, tue ich mir schwer mit Vergleichen oder speziellen Empfehlungen. Aber ich würde es für klug befinden, wenn sich die mit der Entwicklung des Grazer Zoos Betrauten auf Arten konzentrieren, für die sie auch wirklich genügend Platz, Geld und auch das Know-how und die Expertise in der Pflege haben – mit einem Schwerpunkt auf Tiere, die auch eine lokale Bedeutung für Graz haben. Die Tage, in denen man von jeder Art zwei Tiere hatte – zwei Löwen, zwei Tiger, zwei Elefanten, usw. –, die sind definitiv vorbei. Moderne Zoos stimmen ihre Tierbestände und Zuchtprogramme mit anderen Zoos in Europa und auch weltweit ab.
Gibt es Best-Practice-Beispiele für Zoos, die als mustergültige Vorbilder für Neugründungen dienen können?
Doug Cress: Die European Association of Zoos and Aquaria (EAZA) und auch die Österreichische Zoo Organisation (AZO) haben beide Best-Practice-Richtlinien für die Errichtung und den Betrieb von Zoos, die mit den global ausgerichteten Best-Practice Guidelines der WAZA harmonieren. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Entwickler des Grazer Zoos diese Organisationen bereits um Unterstützung ersucht haben – wenn nicht, dann würde ich ihnen das jedenfalls als nächsten Schritt empfehlen.
Sind in der vergangenen Jahren irgendwo Zoo-Neugründungen gescheitert?
Doug Cress: Mir wäre nicht bekannt, dass in jüngster Zeit irgendein größeres Zoo-Unterfangen gescheitert wäre. Es gibt dabei viele „Checks and Balances“ – und wenn in enger Abstimmung mit EAZA und AZO gearbeitet wird, dann ist das Risiko zu scheitern von vornherein fast ausgeschlossen – ich würde sogar sagen, dass das vielleicht einen Erfolg garantieren könnte.
Immer wieder geraten Zoos in die Kritik von Tierrechts-Aktivisten. Zoologische Gärten argumentieren neben der Bildungsarbeit immer mit dem Artenschutz. Gibt es Tierarten, die ohne die Arbeit von Zoos bereits ausgestorben wären?
Doug Cress: Da gibt es wirklich viele, viele Arten, die in jüngster Zeit sehr wahrscheinlich verschwunden und ausgerottet worden wären, wenn sich nicht Zoos und Aquarien aktiv für ihren Erhalt eingesetzt hätten. Vielleicht überrascht es Sie zu hören, dass Zoos und Aquarien der weltweit drittgrößte Geldgeber für Conservation-Projekte sind. Sie unterhalten und unterstützen auch außerhalb von Parks und Aquarien, also an vorderster Front hunderte Artenschutz-Projekte. Mittlerweile gibt es ikonenhafte Arten wie den kalifornischen Kondor – dessen Bestand in freier Wildbahn 1987 auf ganze 22 Individuen geschrumpft war, bis Zoos diese eingefangen und mir den verbliebenen Tieren Zuchtprogramme gestartet haben. Auch von der Säbelantilope, eine Art, die in freier Wildbahn bereits ausgestorben war, wurden in Nordafrika erst jüngst wieder Tiere aus Zuchtprogrammen ausgewildert. Seite an Seite mit den etablierten Naturschutzorganisationen spielen Zoos und Aquarien heute eine wichtige Rolle wenn es um den langfristigen Erhalt von Wildtieren und Wildnis geht.
Weiterlesen? Wir haben recherchiert, was eigentlich mit den gleich nach dem Schlüpfen getöteten Eintagsküken passiert, den männlichen Brüdern der künftigen Legehennen – und sind u.a. in Zoos gelandet.