Zaz im Interview: Eine Form von Freiheit
Die Sängerin Zaz, die eigentlich Isabelle Geffroy heißt, wird in ihrem Heimatland Frankreich als »die neue Édith Piaf« gefeiert. Mit BIORAMA sprach sie über ihr neues Album »Paris«, ihre Anfänge auf der Straße und ihr gesellschaftliches Engagement.
BIORAMA: Zaz, auf Ihrem neuen Album präsentieren Sie die berühmtesten Songs über Paris. Was ist typisch pariserisch an Ihnen?
Zaz: Nun, ich wohne dort! Und ich denke, dass ich den freien, revolutionären Geist von Paris teile. Ich bin ehrgeizig und auch sehr romantisch – so wie meine Stadt. Und nicht zuletzt liebe ich die Ästhetik und die Schönheit – und natürlich das Essen! (lacht)
Als Sie vor acht Jahren nach Paris kamen, verdingten Sie sich im Cabaret und als Straßensängerin auf dem Montmartre.
Das war eine großartige Zeit! Ich konnte viel ausprobieren und experimentieren. Auf der Straße ist man ganz auf sich allein gestellt, es gibt keine große Inszenierung, keine Bühne oder Scheinwerfer. Das Theater sind die Passanten und Touristen um dich herum, von denen du eine direkte Reaktion bekommst. Seinerzeit gab es noch viele Straßenmusiker, jetzt sind es weniger geworden, weil alles etwas mehr reglementiert wurde. Ganz am Anfang hatte ich gar keine offizielle Erlaubnis aufzutreten, da habe ich immer ein bisschen Verstecken mit der Polizei gespielt. (lacht)
Hat diese Zeit auch Ihren Blick auf Paris geprägt?
Wenn man die Maler auf dem Montmartre sieht, kann man sich leicht in die Zeit hineinversetzen, als zum Beispiel Édith Piaf dort flanierte. Viele französische Sänger haben ja als Straßenmusiker begonnen. Ihnen fühle ich mich verbunden, und ihr Geist ist noch deutlich spürbar. Der Ort besitzt eine künstlerische Seele. Man saugt die Atmosphäre ein und lernt, die Aufmerksamkeit der Menschen zu gewinnen. Später wurde die Straße einfach zu einer Form von Freiheit. Denn der Blick auf die Stadt ist niemals endgültig, er verändert sich kontinuierlich. Man entdeckt immer wieder etwas Neues, selbst dann, wenn man hier lebt.
Wo Sie gerade eine der größten französischen Sängerinnen erwähnen: Sie werden ja gerne als neue Édith Piaf bezeichnet!
Nein, nein, das ist Quatsch. Ich bin Zaz. Ich bin nur ich selbst. Aber meine Fans wollten immer und unbedingt, dass ich ein Cover-Album aufnehme, und am besten sollte es ein reines Édith-Piaf-Cover-Album sein. Ich wollte aber nicht nur eine Piaf-Platte machen, sondern eine Liebeserklärung an Paris.
In der Single »Paris sera toujours Paris« monieren Sie, dass der Pariser an sich gern schlecht gelaunt ist, die Mülltonnen stinken …
Klar, da ist vieles, was ich verabscheue. Da ist immer eine gewisse Ambivalenz, Paris steht auch für ein Wechselspiel zwischen den Extremen. Aber letztendlich siegt das Gefühl, in einer unglaublichen Stadt leben zu dürfen. Besonders im Frühling! Ich bin am 1. Mai geboren, das ist auf jeden Fall die beste Zeit für Paris. Die Stadt erwacht nach einem langen Winter, sie reflektiert das Licht, sie riecht gleich ganz anders.
In besagtem Lied heißt es: »Auch wenn wir Gasmasken tragen müssen – Paris wird immer Paris sein. Auch wenn in der Ferne Bomben fallen, wird sie immer noch hübsch angezogen sein.«
Der Text ist Anfang des Zweiten Weltkriegs entstanden. Aber selbst während des Kriegs oder der Besatzungen war in Paris immer ein unvergleichlicher Freiheitswillen zu spüren, eine Leichtigkeit und eine Lebensfreude, die den Menschen nicht genommen werden konnte, egal was passierte. Im Moment gibt es zwar keinen Krieg in Frankreich, dafür hat man es jedoch mit einer anderen Form von Konflikten zu tun. Die Menschen sind unzufrieden, es gibt viele Vorurteile und Ungerechtigkeiten. Das gilt aber nicht nur für Paris, sondern eigentlich für die ganze Welt.
Auch fernab der Musik gelten Sie als engagierte Person.
Das hoffe ich! Das ist meine Mission. Das ist, was ich bin. Denn ich weiß, dass es anderen Lösungen und Möglichkeiten gibt. Und meine Popularität hilft mir dabei, diese Dinge zu vermitteln, zu fördern und zu finanzieren. Aber jeder kann soziales Engagement zeigen – und das spiegelt sich auch in diesem Lied wider. Statt ohnmächtig zuzusehen, kann man versuchen, etwas zu bewirken, um die Situation zu verbessern – zum Beispiel in den Bereichen Bildung, Umwelt oder in der Ökonomie. Ich setzte mich seit Jahren für die Organisation Colibri ein, die genau dort ansetzt.
Die Gewinne aus dem Verkauf Ihres Merchandising fließen an Colibri. Haben Sie schon konkrete Erfolge dadurch erkennen können?
Es gibt viele Projekte, die gerade umgesetzt werden, mit Menschen aus der ganzen Welt, die sich ein Aktionsfeld wählen – zum Beispiel in der Bildung, vor allem in Schulen, oder auch im Bereich der Umwelt und Landwirtschaft. Vermittelt wird das auch in einem Film über alternative Gesellschaftsformen, der im nächsten Jahr anlaufen wird. Von der Regierung werden solche Themen oft vernachlässigt, es ist nicht Teil der Politik. Viele denken, Alternativen seien Utopien oder Träume. Dabei zeigt die Realität, dass es möglich ist, Dinge zu verbessern, so dass die Menschen wieder eins sind mit sich und der Umwelt. Wichtig ist nur, dass sich das Bewusstsein der Menschen verändert.
Wo setzt man da an?
Es geht vor allem darum, zusammenleben zu können, während gleichzeitig die Einzigartigkeit jedes Einzelnen innerhalb der Gruppe respektiert wird. So lassen sich einzelne Projekte umsetzen.
Lassen Sie uns über Ernährung sprechen. Wie halten Sie es damit?
Ich esse so wenig Fleisch wie möglich, bin aber keine Vegetarierin. Aber ich esse sehr bewusst – wann immer es geht, esse ich Bio oder zumindest Gerichte aus der Region. Auf Reisen schaue ich, was möglich ist. Ich versuche auch weniger zu mir zu nehmen, denn wir haben uns alle daran gewöhnt, sehr viel zu essen, aber man braucht gar nicht so viel. Vor gar nicht langer Zeit habe ich das Fasten für mich entdeckt. Ich habe vier Tage gefastet.
Haben Sie gut durchgehalten?
Es war am Anfang recht hart, weil der Organismus belastet ist, aber dann lief es. Es gibt nicht umsonst in allen großen Religionen das Prinzip des Fastens, denn es ist auch eine Möglichkeit, sich neu zu entdecken, die eigene Mitte zu finden. Längeres Fasten ist in einem aktiven Leben schwer möglich. Aber selbst bei vier Tagen sind die Vorteile unglaublich, die Auswirkungen auf die Haut, aber auch auf die Ideen, den Geist und das Bewusstsein – das ist faszinierend. Fasten ist ein Heilmittel, das viele Krankheiten kurieren kann, auch wenn die Pharmaindustrie das nicht so akzeptiert. Man muss aber mit einer gewissen Haltung daran gehen, es reicht nicht, von heute auf morgen einfach mit dem Essen aufzuhören.
Stimmt es eigentlich, dass Sie gerne aufs Land ziehen würden?
Ich würde gerne in die Berge ziehen, ja. Ich gehe gerne auf Hiking-Touren. Ich werde aber immer einen Fuß in Paris behalten, dazu liebe ich die Stadt zu sehr.
Das aktuelle Album »Paris« von Zaz ist bei Parlophone/Warner Music erschienen.