Herabschauender Hund?
Viele NGOs verbinden Entwicklungsarbeit mit Arbeit am eigenen Karma durch Yoga. Macht das wirklich Sinn?
Yoga wird mit gewissen Werten assoziiert: Gesundheit, Bewusstheit, Nachhaltigkeit, Weltoffenheit.
Perfekt also, um alles mögliche zu promoten, das als Glück und Wohlbefinden stiftend, als grundsätzlich positiv begriffen werden soll. Auch NGOs nützen den Hype und arbeiten mit Yoga. Kann man mit Sinnsuche die Welt retten?
Yoga in den Namen eines Kurses, eines Produktes oder einer Organisation zu packen, hilft dem Image. Und sonst? Wer mit sich im Reinen sein will, ist wahrschein- lich auch daran interessiert, mit der Welt im Reinen zu sein. Das haben auch einige humanitäre Organisationen erkannt und geben die Möglichkeit, die eigene Praxis mit sozialer Arbeit zu verbinden, häufig im globalen Sü- den.
Unterwegs für gutes Karma
Etwas Gutes für ein größeres Ganzes zu tun, ist grundsätzlich eine sehr noble Idee. Trotzdem werden NGOs immer wieder kritisiert: Als Philanthropie getarnt werde auf nicht recht nachhaltige Weise, nur oberflächlich an sozialen Brennpunkten eingegriffen, um im Grunde hauptsächlich dem eigenen Gewissen zu helfen. Gerade wer in diesem Kontext Voluntourismus betreibt (freiwillige soziale Arbeit an Reisen gekoppelt), muss sich manchmal auch den Vorwurf des Neo-Kolonialismus gefallen lassen. Vor allem Yogareisen sind beliebt und bietet den Teilnehmern an, dabei die Welt zu verbessern.
Das Africa Yoga Project (AYP) ist eine der größten Organisation, die Yoga und humanitäre Hilfe verbindet: Von Slums in Nairobi, Kenia, ausgehend, bietet die NGO Yoga für und mit jungen Leuten in 13 Ländern an. Unter dem Begriff »Seva Safari« (Seva bedeutet selbstlose Hilfe in Sanskrit) gibt es außerdem die Möglichkeit, Freiwilligendienst vor Ort zu leisten. Junge Leute verpflichten sich, für die Organisation Fundraising zu betreiben – dafür werden sie mit dem (Ge)wissen belohnt, etwas im Leben anderer, positiv verändert zu haben: »It is a trip that will change your life and the lives you touch forever. Any one of our Seva Safari trips will leave you with a deeper understanding of your purpose and how you are being for others.« Ziemlich starkes Versprechen.
Solchen Voluntourismus sieht Julie Webb recht kritisch. Sie ist Yogalehrerin und unterrichtet nun schon seit einigen Jahren an sozialen Brennpunkten. Ihre letzte Station war, nach Problemschulen in Südafrika, die griechische Insel Leros, wo sie Flüchtlinge unterrichtete – auf Auftrag einer NGO und auf Nachfrage der Flüchtlinge selbst. Sie ist der Meinung: »Viele NGOs begründen sich vor allem auf dem Ego der Helfer. Wenn man helfen will, sollte man das nicht mit einer exotischen Reise verwechseln.«
2007 startete eine New Yorkerin das AYP, die damit primär eine Maßnahme gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Kenia schaffen wollte. Die Idee, junge, armutsbedrohte Leute vor Ort zu Yogatrainerinnen auszubilden, und ihnen so einen eigenen Lebensunterhalt einerseits, eine Möglichkeit zur Verbesserung ihrer eigenen Gesundheit andererseits, zu ermöglichen, fruchtete. Aber warum gerade Yoga?
»Anders als andere Aktivitäten wirkt Yoga stark beruhigend und positiv auf Emotionen und Psyche. Gerade bei Menschen, die traumatisierenden Erfahrungen ausgesetzt waren, kann das viel bewirken. Außerdem braucht man so gut wie keine Ressourcen.« meint Julie Webb.
Im AYP sind heute über 200 Trainer fix angestellt. Mehrere US Forschungsstudien bestätigen den positiven Einfluss des Programms auf die Zufriedenheit der Teilnehmer, zu dessen Partnern auch UNICEF zählt. So können der Kritik zumindest fundierte Ergebnisse und eine klare Zielsetzung entgegengesetzt werden. Seltsam wird’s aber, wenn sich diese ein bisschen zu sehr nach Weltretten und »wir kommen euch helfen« anhört: »You have the opportunity to help hundreds of Kenyans strengthen their sense of self as well as work with powerful leaders from all over the world.« Das klingt fast nach missionarischer Arbeit.
Yoga, als holistisches Lebenskonzept mit moralischen und ethischen Grundsätzen verstanden, kann grundsätzlich natürlich auch selbstloses Handeln für andere beinhalten, muss es aber nicht: Die frühen Yogis lebten vor tausenden Jahren in Indien, zurückgezogen in Höhlen, und fanden ihre innere Ruhe, ohne im Außen zu handeln. Heute ist das anders. Als New Age Yogi muss man in allen Bereichen zeigen, dass man die Lehre verkörpert, während man hippe Leggins trägt.
Der Tagesablauf von „Entwicklungshelfern“ beim „Mindfulness Project“ in Thailand.
Om gegen Rassismus
»Off the Mat« aus Kalifornien bietet neben Yogakursen auch politische Workshops an. Aus den Yogis werden dann »movement builder« oder »sustainable change creators« – also quasi Superhelden. Der Grundgedanke von OTM ist: Wenn es Individuen besser geht, hilft das auch der Gesellschaft und gleich der ganzen Welt: »Off The Mat – We are changing the World.« Das genaue Konzept wird aber nicht ganz klar. Jedenfalls setzen sich die Mitglieder unter anderem gegen Rassismus ein. Mit Yoga. Die Kurse heißen dann: »Practical Tools for Talking with Other Whites about Racism« oder »Taking responsibility and doing good work«. Weil Menschen, die sich selbst lieben, natürlich keine Rassisten sein können. Wäre der Umkehrschluss also, dass jeder, der mit sich selbst unzufrieden ist, sich schuldig an einer ungerechten Gesellschaft macht?
Wer die persönliche Sinnsuche unhinterfragt damit befriedigt, den Anderen zu helfen, muss wirklich aufpassen, nicht selbst zum »herabschauenden Hund« zu werden: Während man Yoga mit armutsbetroffenen oder traumatisierten Kindern macht, sollte man sich den eigenen Motiven für diesen Dienst bewusst sein, sagt Julie: »Ich rate allen, die vorhaben, Yoga als Hilfe anzubieten, ordentlich zu recherchieren und vernünftige Organisation zu suchen. Sie sollten kein Geld verlangen. Außerdem muss man bereit sein, mindestens zwei Monate vor Ort zu verbringen.« Mit Yoga gleich die ganze Welt zu retten bleibt ein utopischer Gedanke. Bis dahin kann man ja schon einmal bei sich selbst anfangen.