Vom Ashram bis ins Loft: Wer macht eigentlich Yoga?
Zwischen Räucherstäbchen und Funktionswäsche wird geschwitzt und gedehnt. Ist Yoga Lebensphilosophie oder Lifestyle-Konzept? Versuch einer Typologisierung.
So vielfältig wie die Asanas, also die Körperübungen im Yoga, so vielfältig sind auch die Vorurteile, die gegenüber der aus Indien stammenden Lehre gehegt werden. Eins vorweg: Das, was wir landläufig unter Yoga verstehen, hat mit der ursprünglichen alten, indischen Philosophie freilich nur mehr wenig gemein. Asketische Weltentsagung als Mittel und Weg zur reinen Selbsterkenntnis ist heutzutage, sagen wir mal, nicht unbedingt das hehre Ziel. Die Erleuchtung besorgt dem gemeinen Europäer lieber die Energiesparlampe als die Meditation. Yoga westlicher Prägung umweht da und dort noch immer ein sektenhafter Hauch (die Beatles lassen grüßen), aber mitunter ist auch die Schulmedizin auf das Geheimnis der Asanas, die Kraft, Flexibilität, Gleichgewichtssinn und Muskelausdauer trainieren, aufmerksam geworden: Yoga ist einfach gesund – wenn man’s richtig macht. Die Yoga-Studios schießen wie Pilze aus dem Boden und wer nicht selbst auf der Matte sitzt, kennt zumindest jemanden, der sich bei Hatha, Ashtanga oder Bikram verknotet. Wir haben die unterschiedlichsten Yoga-Charaktere unter die Lupe genommen.
Die Ballett-Tänzerin
Während man selber keuchend oder bereits im Halbschlaf versunken auf der Matte darnieder liegt, wiederholt die Tänzerin nach der Stunde das Einmaleins für kleine Ballett-Elevinnen an der Stange. Für sie ist die Yoga-Einheit das Training nach dem Training, denn an einem vorstellungsfreien Tag pendelt sie zwischen Fitnessstudio, Sportbecken und Yoga-Matte. Der Ballett-Tänzerin geht es um die Perfektion ihrer Posen und weil sie Profi ist, fehlt ihr genau das, was es beim Yoga eigentlich braucht: Gelassenheit. Trotzdem: Die Vorbildwirkung ihrer körperlichen Grazie für die eigene Motivation ist nicht zu unterschätzen. Und in die Staatsoper wollte man auch schon länger wieder mal gehen.
Position:
Natarajasana, der Tänzer. Balanceposition auf einem Bein, bei dem alle tiefen Rückenmuskeln sehr aktiv sind.
Der mit den Rückenproblemen
Bevor ihn der 70-Stunden-Job abwechselnd an den Bürostuhl und den Business-Class-Sitz gefesselt hat, war er Captain im Ruder-Team und einer von denen, die einen Berg hinaufrennen anstatt zu gehen. Und jetzt: Alles ist verkürzt! Überall kracht’s! Die besten Orthopäden des Landes hat er schon aufgesucht, sogar den Teamarzt vom FC … ach, tut ja hier nichts zur Sache, weil: die Schmerzen, die gingen einfach nicht weg! Dann hat er Steve Jobs‘ Autobiografie gelesen, und Steve Jobs hat Yoga gemacht und er hat sich gedacht … und am nächsten Tag hat er die 21-Uhr-Klasse besucht (früher geht’s nicht) und war am Wochenende dann gleich noch einmal. Das ist jetzt gut ein Jahr her und das »Namaste« am Ende der Klasse bringt er noch immer nicht über die Lippen. Aber die Schmerzen, die sind weg.
Position:
Shashankasana (mit ausgestreckten Armen), der Hase. In dieser Position entspannt sich der ganze Rücken; die Atmung in den Rücken wird vertieft.
Der Nachwuchs-Yogi
Auf einer leichten Sandelholz-Wolke schwebt der Nachwuchs-Yogi in den Raum und knotet sich graziös in den Lotussitz. Eigentlich lebt er ja in Südost-Asien, aber auf dem Weg ins Nirwana führt die eine oder andere Abzweigung halt auch zurück nach Unterpremstätten. Oder so. Sein Wunsch: Er will wieder zurück in den Ashram, um dem Yoga-Meister zu lauschen und endlich wieder bunte Röcke und Perlen im Haar zu tragen, ohne dass die Leute doof schauen. Weil aber erst einmal der Flug nach Indien bezahlt werden muss, jobbt er nebenbei im Yoga-Studio und stapelt die Matten mit einer Ausgeglichenheit, die Julia Roberts in »Eat Pray Love« vergeblich gesucht hat.
Position:
Padmasana, der Lotussitz oder Sirsasna, der Kopfstand. Angeblich verlangsamt der Kopfstand das Grauwerden der Haare. Und wenn’s dafür zu spät ist, hilft die Position u.a. bei Verstopfung.
Die Freundinnen
„Hastdudasschongelesendasistjadasärgsteundsiehatdanngesagtdassergesagthatdassdassoniegesagtwordenistwogibtsdieseschuheeigentlichundwasistdasfüreinnagellack?“ Je nach persönlicher Tagesverfassung liebt man (Gossip fremder Leute mithören können, wie interessant!) oder hasst man (Gossip fremder Leute mithören müssen, was interessiert mich das!) die Freundinnen, die der Yoga-Stunde einen Hauch von »Aerobic mit Cindy Crawford« verleihen – von der Matte bis zum Haarband, das Outfit ist aus einem Guss. Schwitzen? Fehlanzeige. Schweißdrüsenverödung macht’s möglich. Die Freundinnen denken gar nicht daran, sich vor der Yoga-Stunde abzuschminken, lieber wird noch einmal der Lippenstift nachgezogen. Zur Sicherheit. Vielleicht ist der mit den Rückenproblemen ja heute auch wieder da.
Position:
Vrkshasana, der Baum. So wie diese Position braucht auch eine Freundschaft eine stabile Basis.
Yogi-Opa/Yogi-Oma
Manche behaupten ja, ein Glas Rotwein am Abend oder Olivenöl oder diese Hautcreme um 500 Euro oder Sex ist das Geheimnis für ewige Jugend. Nun, Letzteres (in Kombination mit Ersterem) kommt der Wahrheit wahrscheinlich am nächsten, denn: Bewegung! Bewegung ist alles. Mens sana in corpore sano, sagten schon die alten Römer. Und fast so alt wie die sind auch der Yogi-Opa bzw. die Yogi-Oma. Während sich andere Mitglieder ihrer Alterskohorte mithilfe des Rollators durch das Leben schieben, denken die Yogi-Pensionisten nicht mal im Traum daran, sich die Schnürsenkel vom Zivi im Altersheim binden zu lassen. Sie sind nämlich fitter als so mancher 18-Jähriger und dafür gebührt ihnen vor allem Respekt und unsere Bewunderung.
Position:
Mayurasana, der Pfau. Wirkt positiv auf den Verdauungstrakt. Leber, Bauchspeicheldrüse, Magen und Nieren werden gestärkt.
Der Promi
Ist das nicht der/die …? Das Problem mit Prominenten ist ja, dass sie in echt nie so aussehen, wie im Fernsehen oder in den Magazinen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass ihr Erscheinungsbild durch Turnkleidung zusätzlich abstrahiert wird – außer es handelt sich um US-amerikanische R’n’B-Sänger, die kennt man ja nur in Jogginghose. Zumindest einen C-Promi trifft man aber in jeder Yoga-Schule, denn Yoga sorgt ja bekanntlich für innere Balance und die hat ein Leben im Rampenlicht bitter nötig. Das Schöne am Promi-Yogi: Spätestens in dem Moment, in dem durch die Verquickung von Umständen (Topinambur-Suppe beim Asiaten zu Mittag, Entspannung der Verdauungsorgane, exponierte Körperhaltung) die prominente Leibwind die Stille im Raum durchbricht, hat man die Gewissheit: Stars sind auch nur Menschen.
Position:
Adho Mukha Svanasana, der Hund. Fördert gleichzeitig Entspannung und Anspannung.
Die Tapfere
Normalerweise werden die Wörter »Sport« und »Leistung« in einem Atemzug genannt, nur hat Zweiteres mit Yoga nichts zu tun. Das weiß die Tapfere und hat sich deswegen von der Aufregung nicht anstecken lassen, die ein Artikel in der New York Times, in dem vor gebrochenen Rippen und neurologischen Schäden durch Yoga gewarnt wird, ausgelöst hat. Dass es nicht um das Müssen, sondern um das Probieren geht, das gefällt der Tapferen an Yoga. Gut, ab und an ist Durchhaltevermögen gefragt und ein hochroter Kopf zeugt von Anstrengung und Biss. Die Tapfere weiß aber, wo ihre Grenzen liegen, auch wenn sie sich an manchen Tagen dann selber überrascht. Der Moment, in dem der Kopfstand das erste Mal klappt …
Position:
Virabhadrasana II, der Krieger II. Stärkt die innere Verfassung und Geisteshaltung. Oder, für fortgeschrittene Yogis: Virabhadrasana III, der Krieger III. Die dynamische Haltung des Kriegers fördert Stärke, Stabilität und Konzentration.
Für alle Yogis: Von 21. bis 23. November 2014 findet die Yoga Planet Messe – parallel zur Vegan Planet – im Wiener MAK statt.
www.yogaplanet.at