Warum Knoblauch nicht nur gegen das Böse hilft
Die Kulturpflanze Knoblauch ist der Menschheit seit über 5000 Jahren bekannt und seit ebenso langer Zeit wird die weiße Knolle von den unterschiedlichsten Völkern dieser Welt gegen verschiedene Krankheiten eingesetzt. Doch warum wird Knoblauch als Allheilmittel, dem man sogar nachsagt, die Liebeslust zu fördern und vor Vampiren und anderen Unwesen zu bewahren, betrachtet?
Wo wären die ägyptischen Pyramiden ohne Knoblauch?
Bereits lange, bevor man allgemeine Annahmen, wie eben die positive Wirkung von Knoblauch, wissenschaftlich untersuchen konnte, war den Menschen im Alten Ägypten wohl bewusst, wozu die weiße Knolle in der Lage war. So ist zum Beispiel überliefert, dass die Sklaven, die die Pyramiden errichteten, täglich eine Ration Knoblauch erhielten und diesen außerdem gegen Läuse und Darmparasiten eingenommen haben. Doch nicht nur das Fußvolk setzte auf das Allheilmittel Knoblauch, sondern auch die Pharaonen vertrauten auf die Macht der Knolle: Ihnen wurde Knoblauch als Grabbeilage für das Leben nach dem Tod mitgegeben.
Ob uns Knoblauch im Jenseits von Nutzen sein kann, lässt sich heute ebenso wenig beantworten, wie vor 5000 Jahren. Fraglich ist auch, ob Knoblauch tatsächlich etwas gegen Läuse ausrichten konnte. Doch dass man im Alten Ägypten bereits wusste, dass Knoblauch wohltuend für den Verdauungstrakt ist, ist bemerkenswert. Zwar lässt es sich für uns nicht mehr nachvollziehen, wie das ägyptische Volk zu diesem Wissen gelangte, doch wahrscheinlich ist, dass man durch Ausprobieren entdeckte, dass Knoblauch gegen allerlei Krankheiten hilft und von daher annahm, dass Knoblauch auch im Jenseits nicht schaden könne.
Knoblauch: Liebeslust oder Liebesfrust?
Nicht nur im Alten Ägypten wusste man, wie man sich gegen diverse Krankheiten wappnet, auch im Judentum ist man sich seit Langem den Vorteilen der weißen Knolle bewusst. Im Talmud, einer der bedeutendsten Schriften des Judentums, wird empfohlen, regelmäßig Knoblauch zu sich zu nehmen, denn er sättige den Körper und gäbe dem Geist Klarheit. Tatsächlich ist Knoblauch in der traditionellen jüdischen Küche allgegenwärtig. Knoblauch soll sogar – so heißt es zumindest im Talmud – ein adäquates Mittel gegen unzureichende Liebeslust sein: „Er macht das Gesicht strahlend, er vermehrt das Sperma, und er tötet Kleinwesen in den Därmen.“ Wieder ist also die Rede von der positiven Wirkung auf den Darm und auf die Gefäße, woraus sich schließen lässt, dass diese Gegebenheit bereits seit sehr langer Zeit bekannt und ebenso weit verbreitet ist. Dass Knoblauch die Liebeslust fördert, mag zwar sein, fraglich ist jedoch, ob es auch tatsächlich immer zum Liebesakt führt, wenn man als Vorbereitung dazu ein paar Zehen Knoblauch konsumiert.
Knoblauch versus Vampir
Um die antibakterielle Wirkung von Knoblauch wissen die Menschen nun bereits seit einigen Tausend Jahren Bescheid und daher war es nur folgerichtig, dass Knoblauch gegen zahlreiche Krankheiten eingesetzt wurde und immer noch wird. Auch wenn die weiße Knolle, wie wir heute wissen, gegen die Pest nichts ausrichten konnte, entpuppte sie sich doch als wirksames Mittel gegen vielerlei Leiden. Die Menschen nahmen daher an, dass Knoblauch prinzipiell „gut“ sei, während Krankheiten allgemeinhin als „schlecht“ gelten. Im Christentum glaubte man zum Beispiel lange Zeit, dass Krankheiten vom Teufel gesandt wurden. Daraus schloss man, dass alles, was gegen diese Leiden half, von Gott käme. Da auch Wesen wie Vampire, Dämonen, Geister und Hexen – von denen wir heute wissen, dass sie dem Aberglauben der Menschen entsprungen sind – als böse, wenn nicht gar als vom Teufel gesandt, galten, nahm man an, dass nur etwas von Gott gesandtes gegen diese Wesen helfen würde: Knoblauch.
Eine weitere Ursache für den Glauben daran, Knoblauch könne vermeintliche Vampire in die Flucht schlagen, liegt in einer schlimmen Erbkrankheit begründet, die in Transsilvanien aufgrund mangelnder Durchmischung des Genmaterials in den vergangenen Jahrhunderten weit verbreitet war. Die Betroffenen von Erythropoetischer Protoporphyrie, einer Stoffwechselerkrankung, bei der die Hämoglobinbildung gestört ist, leiden an extremer Lichtempfindlichkeit sowie an Blutarmut. So versuchten sich die Erkrankten damals meistens dadurch zu helfen, dass sie das Blut von Tieren tranken, wodurch sie den fehlenden Blutfaktor auszugleichen versuchten, und indem sie das Tageslicht mieden. Dieses Verhalten muss auf die Mitmenschen der Betroffenen äußerst skurril gewirkt und Unverständnis hervorgerufen haben und daher ist es nicht verwunderlich, dass die armen Teufel für Vampire gehalten wurden.
Knoblauch war und ist in der Küche Rumäniens vielseitig einsetzbar, doch die Menschen, die unter der besagten Stoffwechselerkrankung gelitten haben, mussten sich vor der weißen Knolle hüten, da das im Knoblauch enthaltenen Allicin den Abbau von Hämoglobinproteinen fördert, was ihre Leiden nur noch verschlimmert hätte. Natürlich wissen wir heute, dass die Betroffenen keine Untoten waren, sondern schlichtweg versuchten, mit einer schrecklichen Krankheit zu leben, doch für ihre Mitmenschen muss es so gewirkt haben, als seien die nachtwandelnden, Blut trinken Kranken, die Knoblauch fürchteten, echte Vampire und so schlossen sie daraus, dass man mittels Knoblauch Untote bekämpfen könne. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der bekannte Vampirjäger Abraham van Helsing in Bram Stokers Roman „Dracula“ mit Hilfe von Knoblauch Jagd auf den titelgebenden Vampir macht. Damit schuf Stoker einen Mythos, der in zahlreichen literarischen und filmischen Werken rund um den Blutsauger aufgegriffen und weiterverarbeitet wurde. Auch der Brauch, eine Halskette aus Knoblauch um den Hals zu tragen, um sich vor dem Übel zu schützen, entstammt der Annahme, dass Knoblauch ein von Gott gesandtes Mittel gegen das Teuflische sei.
Weiße Knolle auf weiter Reise
Ursprünglich stammt die Kulturpflanze aus Zentral- und Südasien, von wo aus sie über das Mittelmeer nach Europa gelangte. Doch nicht nur die kulturgeschichtliche Reise des Knoblauchs ist eine lange, auch die Knollen, die wir in unseren Supermärkten finden, stammen meist nicht vom Landwirt aus der Region. Zwar wird auch in Österreich, zum Beispiel im niederösterreichischen Marchfeld, Knoblauch angebaut, doch die meisten Knollen in unseren Regalen werden nach wie vor aus China, Indien oder Spanien importiert. So bedauerlich es ist, dass der Knoblauch in unseren Küchen meist eine so weite Reise hinter sich hat, so bemerkenswert es ist, dass man dem heilsamen Gewächs in zahlreichen Epochen und Kulturen dieser Welt die Macht zugeschrieben hat, gegen das Böse, das Teuflische zu wirken.