Worum es bei Vegan wirklich geht
Die „Kleine Veganer-Bibel“ von Sarah Schocke handelt von der veganen Lebensweise. Die Autorin, selbst Vegetarierin, nähert sich tier(produkt)freien Esskultur aus einer subjektiven Perspektive: Schocke will herausfinden, was denn vegan genau bedeutet und weshalb sich immer mehr Menschen für eine vegane Lebensweise entscheiden. Die perfekt Lektüre für Neueinsteiger und/oder Interessierte.
BIORAMA: Schon im Vorwort der „Kleinen Veganer-Bibel“ schreiben Sie, dass Sie eigentlich aus spontaner Eingebung Vegetarierin geworden sind. Wie ist die Idee zu einem Buch über vegane Ernährung entstanden? Ernähren Sie sich nun selbst vegan?
Sarah Schocke: Zwar bin ich auf ungewöhnliche Weise Vegetarierin geworden, habe mich in den letzten 20 Jahren aber ausführlich mit Vegetarismus beschäftigt. Viele Details u.a. zu Haltungsbedingungen von Tieren hatte ich jedoch bewusst verdrängt, da ich wusste, dass da einiges schief läuft. Das gab letztlich den Anstoß genauer hinzuschauen und mich mit dem Thema „vegan“ auseinanderzusetzen. Ich selbst bin weiterhin Vegetarierin, vegane Mahlzeiten gehören für mich selbstverständlich regelmäßig dazu.
Wie kommt es, dass derzeit immer mehr Leute auf Veganismus umsteigen? Was wären für Sie Gründe, sich vegan zu ernähren?
Immer häufiger berichten Medien über Lebensmittelskandale. Menschen sind verunsichert und fragen sich, was überhaupt in ihrer Nahrung drinsteckt. Sie suchen nach Sicherheit. Außerdem häufen sich Berichte über die negativen Folgen für Gesundheit und Umwelt vom mittlerweile übermäßigen Konsum von tierischen Produkten, insbesondere Fleisch. Ich denke das bringt den ein oder anderen zum Nachdenken und lässt nach Alterativen suchen. Eine Alternative ist der Veganismus.
Welche Gründe halten Sie davon ab?
Ich vertrage Sojaprodukte nicht so gut. Auf Dauer kann ich mir eine vegane Ernährung ohne Soja, das die Basis vieler veganer Produkte ist, aber nicht vorstellen. Außerdem genieße ich tierische Produkte, vor allem Käse, in Maßen sehr gerne. Ich bin auf der Suche nach Lösungen, die für mich funktionieren, aber außerhalb des Veganismus liegen, wie beispielsweise muttergebundene Kälberaufzucht bei Milchkühen, Unterstützung von kleinbäuerlichen Strukturen etc.
In der „Kleinen Veganer-Bibel“ schreiben Sie, dass vegan nicht alleine eine Essphilosophie ist: Es ist eine Lebensphilosophie. Was genau meinen Sie damit? Kann man vegan sein, ohne sein komplettes Leben danach auszurichten?
Während sich vegane Ernährung auf die Lebensmittelauswahl beschränkt, ist ein veganes Leben ein viel tiefgreifenderer Ansatz. Tierische Produkte stecken in vielen Alltagsgegenständen – Gelatine in Fotos, Knochenleim in Büchern, Wolle im Mantel, Bienenwachs im Lippenpflegestift und noch vieles mehr. Wer vegan lebt sucht in allen Bereichen nach Alternativen. Manchmal ist das gar nicht so leicht oder auch unmöglich, z.B. im Bereich Medizin/Medikamente. Wer vegan lebt geht z.B. auch nicht in den Zoo.
Viele Leute verbinden Veganismus mit dem Verzicht auf Dinge. Wie gehen Sie damit um?
So habe ich auch gedacht und war stets verwundert wie Veganer das Gegenteil behaupten konnten. Doch wenn tierische Produkte plötzlich wegfallen, sind Alternativen gefragt. Für viele öffnete das eine ganz neue Welt nicht nur an außergewöhnlichen Früchten und Gemüsen, sondern auch an Nüssen, Samen, Sprossen und Co. Vieles davon wurde zuvor kaum beachtet, da Fleisch meistens die Hauptrolle spielte. Da brauchte es nicht viel dazu.
Wie kann man einem Nährstoffmangel bei einer veganen Lebensweise entgegenwirken?
In Ihrem Buch sprechen Sie auch das Thema vegane Kinderernährung an. Glauben Sie nicht, dass man somit den Kindern etwas verwehrt? Könnte es zu einer Ausgrenzung bei Freundschaftsgruppen führen?
Die gleichen Fragen habe ich auch meiner Interviewpartnerin und veganen Mutter Sohra Behmanesh gestellt. Sie ist der Meinung, dass Kinder nicht autonomer sind, nur weil man sich für einen von mehreren möglichen Wegen entschieden hat. Sohra hat keine Erfahrung mit Ausgrenzung gemacht. Im Gegenteil seien Kinder eher neugierig und interessiert an veganer Ernährung und dem Unterschied zu ihrer eigenen Essweise.
Wie können Veganer am besten mit Ausser-Haus-essen umgehen?
Am besten immer eine Kleinigkeit dabei haben. Nach und nach hat man raus, wo es veganes Essen gibt und auch worauf man achten, bzw. wonach man fragen muss um herauszufinden ob ein Gericht vegan ist.
Lebt man, wenn man vegan lebt, teurer?
Wer ständig zu Fertiggerichten, stark verarbeiteten Lebensmitteln und Convenience- Artikeln greift, lebt sicherlich teurer. Wer aber häufig selbst kocht, Seitan beispielsweise auch mal selbst zubereitet, wer viel regionales und saisonales Obst und Gemüse kauft, der kann sogar günstiger leben.
Viele Menschen hegen Vorurteile gegenüber Veganern und bezeichnen sie als „Nichtgenießer“ oder schlimmeres. Warum wird die vegane Lebensweise oft so skeptisch betrachtet? Warum ist der Graben zwischen Veganern und „Alles-Essern“ so groß?
Diese Frage habe ich versucht in der „Kleinen Veganer-Bibel“ umfangreich zu beantworten. Leider lässt sich das nicht in einem Satz erklären. Aber ein Hauptgrund für den Graben zwischen den Seiten ist sicherlich: Essen ist etwas sehr Persönliches. Niemand lässt sich da gerne reinreden.
Sie haben Ernährungswissenschaften studiert, schreiben Bücher und sind leidenschaftliche Köchin. In Ihrem Buch gibt es auch einige vegane Rezeptideen. Haben Sie diese selbst kreiert? Woher holen Sie sich die Inspiration, bei veganer Küche? Was sind Ihre Lieblingsgerichte?
Die Rezepte habe ich zusammen mit Alexander Dölle entwickelt. Vorbild waren schnelle Gerichte, aber auch Rezepte, die normalerweise mit tierischen Produkten gekocht werden. Zu meinen Lieblingsgerichten aus dem Buch zählen der Seitan-Döner, das Texanische Bier-Chili und die Grüne Sesam-Zitronen-Pasta.
erschienen im Goldmann Verlag