»Wolfs-Ampel« gegen Angst und Abschüsse im Affekt
Fundiert und faktenbasiert: Die neue »Wolfs-Ampel« bewertet wann sich ein Wolf normal und ungefährlich verhält, bietet aber auch eine Entscheidungsgrundlage für eine Entnahme, sprich: Abschüsse von »Problemwölfen«.
Knapp 40 Seiten hat das »Österreichzentrum Bär Wolf Luchs« Anfang des Sommers vorgelegt: Es bietet Grundlegendes und Empfehlungen für ein »Wolfsmanagement in Österreich«. Wiederholt wurde bei der Präsentation darauf hingewiesen, dass es sich um zeitgemäße Empfehlungen handelt. Denn auch bisher hatte es Empfehlungen gegeben. Sie stammten aus dem Jahr 2012, als zwar längst klar war, dass aus allen Himmelsrichtungen Wölfe nach Österreich zuwandern würden. »Das Konfliktpotenzial war 2012 aber noch nicht allen Beteiligten bewusst«, meinte der Amtstierarzt Martin Janovsky.
Fast ein Jahrzehnt später hat Österreich damit nun – endlich – einen Kompromiss mit brauchbaren Vorschlägen auf dem Tisch. Denn im 2019 gegründeten »Österreichzentrum Bär Wolf Luchs« reden neben elf ordentlichen Mitgliedern – alle Bundesländer und die Ministerien für Landwirtschaft und Klimaschutz – als außerordentliche Mitglieder auch der WWF, der Naturschutzbund, VetMed, BOKU sowie Jagd, Almwirtschaft und der Bundesverband für Schafe und Ziegen mit. Das gemeinsame Ziel ist eine konfliktarme Koexistenz von Landnutzung und Beutegreifern – wohl mit der Betonung auf -arm und Ko-. Denn das Konfliktpotenzial steigt auch weiterhin. Mindestens 50 Tiere dürfte es in Österreich bereits geben. Ein Gutteil davon lebt in Niederösterreich. Doch Wölfe wandern und halten sich nicht an administrative Grenzen. Zurecht betonte man deshalb die Notwendigkeit, dass ein »Wolfsmanagement bundesländerübergreifend und in Abstimmung mit den Nachbarländern« passieren soll.
Schwarze Ampel bedeutet Abschuss
Herzstück des Papiers ist eine »Wolfs-Ampel«. Sie liefert ein faktenbasiertes Raster, das häufig auftretendes Wolfsverhalten beschreibt, erklärt, einschätzt und Handlungsempfehlungen abgibt. Als grün und ungefährlich wird auf der Ampel etwa eingestuft: »Wolf flüchtet nicht sofort beim Anblick von Menschen und Fahrzeugen. Bleibt stehen und beobachtet seinerseits«. Die Einschätzung ist klar als »ungefährlich«, ein Problem könne aber entstehen, wenn das neugierige Tier angelockt oder gefüttert wird. Die Handlungsempfehlung: verstärkte Information und Aufklärung der Betroffenen – um Ängste zu nehmen. Dabei ist die Ampel vierfärbig. Auf Grün folgt Gelb (für Tiere, die häufig menschliche Nähe suchen), Rot (für wiederholt besonders neugierige Tiere) und Schwarz – für einen Wolf, der sich »unprovoziert aggressiv gegenüber Menschen verhält und in bewohnte Gebäude oder Stallungen eindringt«. In letzterem Fall ist die Handlungsempfehlung eine »möglichst rasche Entnahme«.
Nichts davon ist neu oder gar überraschend. Umsetzen müssen das alles in der Praxis aber die Länder und Behörden – in aufgeheizter Stimmung. Denn wenn Nutztiere gerissen werden oder sich SpaziergängerInnen ängstigen, sind nachvollziehbarerweise starke Emotionen im Spiel. Die »Wolfs-Ampel« als sachlicher Kompromiss, den alle Genannten mittragen, ermöglicht es, Debatten auf ein Faktenfundament zu verlagern und garantiert, dass es eines nicht gibt: verordnete Abschüsse im Affekt.
Das ist – besser spät als nie – eine Errungenschaft.
Weiterlesen zum Thema Wolf? BIORAMA hat der Rückkehr des Wolfs eine eigene Themenseite gewidmet, auf der u. a. häufig gestellte Fragen – etwa Wie reagiere ich richtig wenn ich beim Spazierengehen einem Wolf begegne? – beantwortet werden.