Tiny House für empty Nesters?
Der kleine Traum vom Eigenheim. Was ist nachhaltig und was erlaubt beim Tiny House – und wird das Konzept eher von alten oder von jungen genützt?
Wer über nachhaltiges Wohnen nachdenkt, denkt vermutlich nicht zuallererst an temporäre, mobile Eigenheimkonzepte. Sondern eher an etwas Langfristiges, das sich an die Bedürfnisse unterschiedlicher Lebensphasen anpassen lässt. Und doch erhält das stark vom Autarkiegedanken geprägte Tiny House Movement immer mehr Zulauf aus anderen Motiven und unterschiedlichen Altersgruppen.
Theresa Mai, Geschäftsführerin und Mitgründerin des Unternehmens Wohnwagon, produziert eigentlich hauptsächlich für zwei Typen von KundInnen: einerseits Paare zwischen Ende 20 und Mitte 30, die ihre Nachhaltigkeitsvorstellungen auch beim Wohnen umsetzen möchten. »Regionale Wertschöpfung fördernd, hochwertig, reduziert aufs Wesentliche, Autarkie ermöglichend und dem Kreislaufgedanken entsprechend« würden deren Ansprüche lauten, sagt Mai.
Die zweite Zielgruppe ist 50 plus. Prototypisch sind das ein oder zwei Personen, die das Eigenheim an die nächste Generation weitergegeben haben oder denen die Mietwohnung für eine Familie mit Kindern zu groß geworden ist. Diese ältere Hälfte der KundInnen sei oft »geprägt vom Gedanken ›Jetzt bin ich dran‹«, sie wollen weniger Wohnfläche putzen und instand halten müssen und trotzdem die eigenen Wohnvorstellungen umsetzen und unabhängig leben.
Kleines Haus, große Freiheit
Diese eigenen Vorstellungen können bei Wohnwagon wie auch bei vielen anderen Tiny-House-Anbietern in einem modularen System umgesetzt werden – mit oder ohne Fahrgestell. In den Coffee Table Books stehen sie mitten in den Wäldern Nordschwedens oder einsam auf der portugiesischen Atlantikklippe, doch wer sie mit Wohnwägen zur dauerhaften Nutzung verwechselt, wird enttäuscht: Wer in seinem Tiny House wohnen will, braucht eine Baugenehmigung, denn es handelt sich um ein Gebäude. Insofern muss dieses auch gewissen baurechtlichen Vorgaben entsprechen – etwa Dämmungs- und Brandschutznormen. Sich über die Kompatibilität eines Modells mit den Regelungen eines Landes zu informieren ist mitunter recht aufwendig, Informationen in Foren dazu widersprüchlich. Wer es sich nicht allzu kompliziert machen will, setzt auf Anbieterunternehmen, die für die Verträglichkeit ihres Tiny House mit dem am Zielort gültigen Baurecht garantieren. Ökologisch nachhaltig ist es dadurch aber noch nicht. Hier sollte man sich nicht vom bloßen Einsatz von Naturmaterialien wie Holz blenden lassen, sondern einen genaueren Blick auf den Materialmix werfen. Mai empfiehlt, den ersten Blick auf die Heizung und Dämmung zu werfen – wenn die Lösungen hier XPS (»Styropor«) und Gasheizung lauteten, sei Umweltverträglichkeit vermutlich nicht der Leitgedanke.
Wenn man das richtige Haus gefunden hat, braucht man noch Bauland. Und das ist – aus ökologischer Perspektive glücklicherweise – mitten im Wald verhältnismäßig selten. »Es gibt auch Bauland mit schöner Aussicht«, betont Theresa Mai und beteuert, dass alle Werbefotos des Wohnwagons auf Bauland entstanden, mit einer Ausnahme – hier wurde das Foto bei einer Übersiedelung auf einem Weinberg geschossen.
Sie empfiehlt allen Interessierten, ungenutztes Bauland zu finden und zu pachten. Im Wien umgebenden Bundesland Niederösterreich etwa sind 30% der als Bauland gewidmeten Fläche ungenutzt – etwa weil es als Wertanlage gekauft wurde »oder als Baugrund für Enkelkinder, die noch gar nicht geboren sind«, sagt Mai. Da ließe sich ein Pachtvertrag für die 15 bis 20 Jahre, die sich BesitzerInnen laut Mai meist im Tiny House sehen, oft auch mehrmals verlängern.
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Die Stadt Tübingen etwa hat aufgrund von Wohnungsknappheit den BürgerInnen, die Baulücken besitzen – also Grundstücke mit ungenutztem Baurecht –, einen Brief geschrieben, in dem ihnen »die Möglichkeit« einer Zwischennutzung durch eine Verpachtung als Tiny-House-Stellfläche vorgestellt wurde«. »Von dieser Möglichkeit hat aber bislang keine Eigentümerin/kein Eigentümer Gebrauch gemacht«, gibt allerdings die Stadt Tübingen auf Nachfrage bekannt. »Es gab einfach keine Reaktion darauf.« Ein temporäres Phänomen, bleibt zu hoffen.
Tiny Houses sind hingegen gar nicht zwangsläufig für temporäre Nutzung ausgelegt. Gerade in Wohngebieten liegt der Spielraum zur dauerhaften Nachverdichtung mitunter nicht nur im »Aufstocken«, sondern im Garten. Auch Mai kennt diese Variante – als Generationenwohnen mit ein bisschen Distanz: Eine Kundin hat ihr Haus ihrem Sohn und dessen Familie überlassen und ist in einen Wohnwagon in den eigenen Garten gezogen.