Ein Öko-Dorf in sieben Stockwerken
Bild: Philipp Naderer und Luiza Puiu
Beim diesjährigen VCÖ-Mobilitätspreis gewinnt das Wohnprojekt Wien, das auch ein umfassendes Mobilitätskonzept beinhaltet.
80 Prozent der Alltagswege beginnen oder enden Zuhause. Mit dieser Überlegung und vielen weiteren Statistiken entscheidet sich der VCÖ für den Verein „Wohnprojekt Wien“ als Gewinner für den Preis. Ein Wohnprojekt gewinnt einen Mobilitätspreis? Klingt erstmal unpassend. Doch Petra Haas, Christine Amon und Heinz Feldmann -Amon haben BIORAMA erklärt, warum das durchaus Sinn ergibt:
BIORAMA: Wie hat sich das Wohnprojekt Wien entwickelt?
Heinz Feldmann -Amon: Die Idee war es, einen Spagat zwischen einem Leben in Fülle und einem vernünftigen mit reduzierten CO2-Fußabruck in der Stadt zu schaffen. Denn würden alle Leute in Öko-Dörfern leben, wäre die Welt voll mit ihnen, was alleine aus Platzgründen nicht geht. Daher benötigen wir intelligente Lösungen, wie wir den urbanen Raum nützen können: ein gemeinsames Leben, wo man Ressourcen teilt, um damit den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.
Mobilität stand nie im Vordergund des Projekts, wie ist es dennoch zur Bewerbung gekommen?
Petra Haas: Das war eine sehr spontane Entscheidung. Da wir im Wohnprojekt viele Arbeiten miteinander haben, war die Aufteilung nicht klar. Schlussendlich reichte es Jan ein, der aber leider momentan in den USA ist und er freut sich natürlich sehr über den Preis. Mit der Bewerbung wurde uns wieder klar, wie intensiv unser Projekt tatsächlich ist: 70 Erwachsene teilen sich 6 Autos in einem absolut fairen Maß. Also wer eines braucht, hat eines und genau so muss es sein. Wir brauchen gar nicht mehr!
Ihr habt also eine Garage?
Petra Haas: Wir haben selbst keine Garage gebaut, sondern wir benützen die vom Nebenhaus, wo wir dann acht Plätze gekauft haben. Diese ist superschön und riesengroß mit praktisch keinen Autos drinnen. Die Bauten werden immer mit Wohnungen bebaut und dann werden allerdings die Garagen nicht gefüllt. Mit unserem Projekt erlauben wir uns, auch anders denken zu dürfen und nicht immer ein Auto zu brauchen, sondern man kann auch zu Fuß, mit dem Lastenrad oder mit einem geteilten Auto Fahrten erledigen.
Mit „Öko-Dorf in sieben Stockwerken“ haben sie einen sehr passenden Ausdruck gefunden. Woher kommen die Assoziationen?
Petra Haas: Eine Beschreibung was das Haus alles kann: ein Leben am Land in der Stadt. Mit dem Gebäude in der Stadt und dem Leben dazu haben wir einen Dorf-Flair erschaffen: Jeder kennt und hilft sich, das Getratsche, die Wohlfühlatmosphäre, etc.
Christine Amon: Auch die Kinder freuen sich, weil sie sich frei bewegen können! Diese Vision von einem Leben in Individualität in Gemeinschaft ist uns sehr wichtig. Wir betreiben ebenfalls Urban Gardening: es gibt Gemeinschaftsbeete, die wir gemeinschaftlich betreuen und die Balkone sind ebenfalls gut begrünt. Wir profitieren voneinander, machen miteinander das Beste daraus und nützen das gemeinsame Know-How.
Wird dieses Konzept, das ihr habt, das Konzept der Zukunft werden?
Christine Amon: Es gibt schon sehr viele Projekte in Wien, die teilweise viel bessere Rahmenbedingungen haben. Ähnliche Projekte, die wir anfragen oder die uns anfragen, bringen großes Interesse bei den Menschen : die Synergie-Effekte zu nutzen und Ressourcen gemeinsam zu genießen. Darauf werden die Menschen alleine kommen. Momentan fehlt jedoch die Erfahrung damit und mit genau diesen Projekten können wir aufzeigen, dass es möglich ist. Menschen, die uns besuchen sind immer begeistert, weil sich niemand vorstellen kann, dass es in der Stadt auch möglich ist, aber durch solche Vorzeigeprojekte können wir dazu beitragen, solche Möglichkeiten auch zu bedenken.
Innerhald des Open House Festivals in Wien kann man sich neben anderen ähnlichen Projekten das Wohnprojekt Wien genauer ansehen. Besteht Kooperation zu den anderen?
Heinz Feldmann -Amon: Wir sind ein Bottom-Up Projekt. Das heißt, dass wir selber das Projekt gestartet und finanziert haben und daher sehr selbstbestimmt sind. Andere Projekte wie Bike&Swim beispielsweise funktionieren anders rum: Top-Down. Dort hat jemand ein Gebäude und wollte etwas Innovatives schaffen und somit das Konzept den Bewohnern anbieten. Das ist natürlich ein unterschiedlicher Zugang. Deshalb arbeiten wir auch mehr mit Bottom-Up Projekten zusammen, da sie unserer Mentalität näher sind und von unserem Wissen mehr profitieren können.