Winterwunderland im Viertel des Waldes
Der erste Schnee bringt den Duft des Winters und erstickt die Laute der Krähen und Traktoren. Ein Waldviertel-Geborener gesteht seine Liebe zur herben Schönheit am Nordrand Österreichs.
Wenn der Herbst verblasst, überzieht der nahende Winter das Waldviertel mit vielen verschiedenen Braun- und Grauschattierungen. Nebel kriecht aus den Senken und Raureif keimt auf den Zweigen. Der erste Schnee war stets ein Fest: Als Kinder drängten wir dann hinaus in den Garten und begrüßten das nass-kalte Weiß, türmten es mit dampfendem Atem zu Figuren oder Burgen auf. In den Jahren darauf rief mich der Schnee in die Leere des winterlichen Kamptals hinaus. Immer wieder zog ich alleine meine Spur durch den abend-dämmrigen Schnee am Ufer des braunen Kampflusses. Rauch von Schornsteinen aromatisierte die Luft, wenn ich die Kleinstadt hinter mir ließ und in das Blaugrau des verschneiten Waldes vordrang.
Flussbett in Farben
Im Winter ist das Kamptal – das wenig Spektakuläres, dafür aber umso mehr ehrliche Landschaftsseele zu bieten hat – von besonderer Stimmigkeit. Es scheint so, als ob sich der eigentliche Bewohner, der Winter, während des restlichen Jahres nur in sumpfigen Senken und moosigen Waldboden verstecken würde. Wenn der sommerliche Bewuchs aufgibt, kommt die feuchte, kühle Haupt-Persönlichkeit des Kamptales wieder zum Zug. Am Liebsten trieb (und treibe) ich mich also des Winters im Kamptal herum. Das felsige Bett des Flusses gefriert allmählich in allerlei Blau-, Braun und Grüntönen – bis im Frühjahr Eisstöße den Fluss wieder freimachen. An einem Silvesterabend vor vielen Jahren war ich mit Freunden beim »Schütt« (ein mit Felsbrocken verdeckter Abschnitt des Kleinen Kamps oberhalb der Waldviertler Gemeinde Rappottenstein) unterwegs. Es begann zu schneien, und mit der einsetzenden Dunkelheit senkte sich ein Schneeteppich über das nun fast lautlose Tal. Die Reste des alten Jahres verschwanden im finsteren Schneetreiben. Wir zündeten ein paar mitgebrachte Kerzen an und steckten sie in den Schnee. Dann stießen wir auf diese Wunderwelt und das neue Jahr an. Mehr braucht es eigentlich nicht.
Die Details des Winters
Natürlich ist der mitunter nebelig-trübe Winter zwischen Gföhl und Gmünd nur scheinbar trist: Gerade die nebeligen Tage, an denen nur mehr vereinzelte Schneeflecken von der Pracht des letzten Schneefalles zeugen, bieten diese besondere Magie. Strahlender Sonnenschein und makelloses Weiß – das können andere Gegenden auch. Aber die Ästhetik der Waldviertler Landschaft mit ihrer Leere, ihren dunklen Wäldern, ihren kleinen und mitunter (anscheinend) leblosen Dörfern, den mit allerlei Linien (Ackerfurchen, Feldrainen) verzierten Feldern und mit Baumgruppen dekorierten Hügeln ist (für mich) etwas ganz Besonderes. Aber man muss zu Fuß, per Schneeschuh oder Langlaufski hinausziehen und sich der Landschaft mit offenen Sinnen nähern. Nur wer genau hinschaut, wird die nordösterreichische Winterwunderwelt mit all ihren zauberhaften Details entdecken.
WINTERWANDERUNGEN IM KAMPTAL:
Durch das Kamptal von Zwettl nach Rappottenstein
Ein markierter Wanderweg führt – meist neben dem Fluss und vorbei an moosigen Felsgruppen aus verwittertem Granit – nach Rappottenstein. Von Rappottenstein gelangt man zum »Schütt« – einem Blockmeer, das den Kleinen Kamp völlig unter sich begraben hat. Unterwegs kann man einkehren: auf der Schwarzalm, in Roiten und in Rappottenstein.
Höllfall und Lonbachfall bei Arbesbach
Von Arbesbach (dem Gipfel des Waldviertels mit seiner Ruine namens »Stockzahn«) führt ein Weg in das Tal des Großen Kamps, der hier ein Engtal durch das urzeitliche Granitgebirge gegraben hat. Der sympathische Waldfluss stürzt rauschend über und unter Felsen der Donau entgegen. Vom Höllfall kann über Pretrobruck zum Lohnbachfall weitergewandert werden. In kalten Wintern gefriert der Lohnbachfall zu einer bizarren Eiszapfenwelt. Einkehren: in Arbesbach und in Pretrobruck. Haubenküche bietet Michael Kolm in seinem Bärenhof direkt neben dem Bärenwald (einem Bärenschutzprojekt von Vier Pfoten).