Von Chlorhendln und kleinstrukturierter Landwirtschaft

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Das Thema Ernährung betrifft alle – deswegen treffen hier auch unterschiedliche Interessen und Ansprüche aufeinander. Wie kann in diesem Zusammenhang hohe Qualität garantiert werden?

„Österreich is(s)t besser! Wer garantiert, dass es so bleibt?“ – dieser Frage widmet sich die bevorstehende Wintertagung des Ökosozialen Forums. Diskutiert wird unter anderem, welchen aktuellen Herausforderungen sich der österreichische Agrar- und Lebensmittelsektor zu stellen hat. BIORAMA hat Stephan Pernkopf, dem Präsidenten des Ökosozialen Forums Österreich, Vorfeld ein paar Fragen gestellt.

 

BIORAMA: Österreich i(s)st besser – Ist Österreich Ihrer Meinung nach eine Insel der seeligen Esser im europäischen Vergleich?

Stephan Pernkopf: Die österreichische Landwirtschaft ist ökologisch und qualitativ besser. Das haben wir auch mit dem Nachhaltigkeitsbericht bewiesen, den das WIFO für das Ökosoziale Forum erstellt hat. Wir sind deswegen besser, weil wir nicht alle Trends mitmachen, wie zum Beispiel Hormonfleisch und Chlorhendl. Das wollen auch die österreichischen Konsumenten nicht. Ich stehe dafür ein, dass 100 Prozent der Landwirte naturverbunden arbeiten. Unsere Produkte sind qualitativ sehr hochwertig. Und das kann man auch betonen.

Landläufig herrscht ja die Sicht vor, dass die sogenannte Agrarpolitik nur die Bauern und Bäuerinnen betrifft. Wie kann die gesellschaftliche Relevanz landwirtschaftlicher Fragen in die Mitte der Gesellschaft getragen werden?

Das ist mir ein wichtiges Anliegen. Wir müssen die Landwirtschaft auch kommunizieren. Die Landwirtschaft war in den letzten Monaten oft mit negativen Schlagzeilen in den Medien. Daraus müssen wir unsere Schlüsse ziehen. Denn klar ist: Auch wenn nur zwei Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeiten, betroffen ist jede und jeder. Das heißt, wir müssen den Österreicherinnen und Österreichern bewusst machen, dass es bei der Agrarpolitik um den essentiellsten Bereich überhaupt geht: nämlich um das, was wir tagtäglich auf unserem Teller haben.

Ein wichtiges Thema, das bei der Wintertagung des Ökosozialen Forums diskutiert werden wird, ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA – eine Unternehmung, die vielerorts kritisiert wird. Sehen Sie die europäischen Standards, die hinsichtlich Transparenz, Tierethik etc. höher sind als die US-amerikanischen, durch ein mögliches Zustandekommen des Abkommens gefährdet?

Ja, genau das ist das Problem. Ich glaube, dass mit dem Abkommen die österreichischen und europäischen Standards sehr stark nach unten nivelliert werden. Und daher lehne ich das Freihandelsabkommen, so wie es jetzt auf dem Tisch liegt, klar ab. Hormonfleisch und Chlorhühner dürfen nicht Einzug in den österreichischen Lebensmittelmarkt halten. Natürlich bin ich prinzipiell für einen freien Handel und offene Märkte. Nur in diesem Fall muss man das etwas differenzierter sehen. Mit dem Abkommen wird die österreichische Landwirtschaft einem stärkeren Wettbewerbsdruck ausgesetzt, nur für hochsensible Produkte soll es voraussichtlich hohe Quoten geben. Außerdem kritisiere ich die intransparente Verhandlungsführung.

Stephan Pernkopf, Präsident des Ökosozialen Forums

„Alle unsere Bäuerinnen und Bauern sind naturverbunden – manche eben noch ein Quäntchen mehr.“
Stephan Pernkopf, Präsident des Ökosozialen Forums

Sind die Macht- und Herrschaftsverhältnisse im Agrar- und Lebensmittelsystem gerecht?

Eine große Herausforderung für unsere Bauern ist es natürlich, einen guten Preis zu bekommen. Bei der Marktkonzentration im österreichischen Handel ist das oft nicht so einfach. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Bäuerinnen und Bauern intelligent organisieren und auch eine starke Vertretung haben. Innovationen und Meinungsvielfalt müssen genutzt werden, um für den Handel als Partner attraktiv zu bleiben.

Wären Sie lieber Bio-Bauer oder konventioneller Bauer in Österreich? 

Ich halte nichts davon, konventionell und ökologisch auseinander zu dividieren. Alle unsere Bäuerinnen und Bauern sind naturverbunden – manche eben noch ein Quäntchen mehr. Und sollte ich nicht Landesrat und Präsident des Ökosozialen Forums sein, dann wäre ich wohl Landtechniker. Ich finde, hier lässt sich der Fortschritt in der Landwirtschaft am besten ablesen.

Laut einem aktuellen Spiegel-Bericht will die EU-Kommission die Regeln für die Produktion und Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Bio-Produkte verschärfen. Die neuen Vorschriften sehen vor, dass Bauernhöfe nicht mehr konventionelle Landwirtschaft und Bio-Anbau gleichzeitig betreiben dürfen. Inwiefern halten Sie das für sinnvoll?

Mit dem Vorschlag beabsichtigt die Kommission offenbar, den Missbrauch einzuschränken um damit das Konsumentenvertrauen in die Bioqualität zu stärken. Wenn nur mehr die gesamte Betriebseinheit biologisch bewirtschaftet wird, ist hier das Risiko eines irrtümlichen Einsatzes von in der Biolandwirtschaft nicht erlaubten Betriebsmitteln vermutlich geringer. Bedenken sollte man allerdings, dass diese Einschränkung dazu führen könnte, dass die Hürde – vor allem für Spezialbetriebe – für den Einstieg in die biologische Landwirtschaft erhöht wird, wenn ausschließlich die gesamte Betriebseinheit auf Bio umgestellt werden muss.

Die kleinstrukturierte Landwirtschaft in Österreich wird seitens offizieller Stellen wie dem Lebensministerium immer wieder als wichtiger Lieferant für qualitativ hochwertige, regional produzierte Lebensmittel genannt. Welche Pläne gibt es, um die Förderung kleiner Betriebe nachhaltig zu sichern?

Die Kleinstrukturiertheit der Landwirtschaft ist ein Markenzeichen von Österreich und das Rückgrat der heimischen Lebensmittelproduktion. Ein besonderer Augenmerk des neuen Programms der Ländlichen Entwicklung liegt daher auf den benachteiligen und Bergbauerngebieten. Wir müssen vor allem auch die vielen Nebenerwerbsbetriebe in Produktion halten, denn sie garantieren – insbesondere in benachteiligten Gebieten – eine flächendeckende Land- und Forstwirtschaft. Dabei geht es nicht nur um eine effiziente Förderpolitik, sondern auch um steuerliche Anreize. Ein Nebenerwerbsbetrieb – der im Übrigen sehr oft in weiblicher Hand ist – bedeutet im Durchschnitt eine höheren Aufwand, das soll auch dementsprechend berücksichtigt werden.

 

 

Wintertagung 2014
Österreich is(s)t besser! Wer garantiert, dass es so bleibt?

20. bis 24. Jänner 2014
Wien, Hollabrunn, Hatzendorf, Wieselburg, Aigen/Ennstal

alle Infos zum Programm gibt’s HIER

www.oekosozial.at

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