Können Menschen Winterschlaf halten?

Theoretisch haben Forscher schon den Winterschlaf haltenden Menschen vor Augen. Aber werden wir Weihnachten und Neujahr wirklich bald verschlafen?

Der Winterschlaf ist so eine Sache, denn viele beneiden Igel, Fleder- und Haselmäuse für ihre Fähigkeit, den gesamten Winter nicht hinaus in die Kälte und den Schnee gehen zu müssen. Sie verbringen drei bis sieben Monate (solange schläft der Siebenschläfer, deshalb sein deutscher Name) im kuscheligen Blätterversteck oder dem alten Holzschuppen. Manche wachen hin und wieder auf und suchen sich im Halbschlaf Nahrung. Wäre das nicht auch der Traum vieler winterscheuer Menschen? Nur schlafen und essen bis die Sonne sich wieder länger sehen lässt? Experten vieler Universitäten forschen seit vielen Jahren an einem solchen Phänomen und machen immer wieder hoffnungsvolle Fortschritte.

Menschen haben schon mal Winterschlaf gehalten – genauso wie Affen

Bei einer Primatenart wurde vor 15 Jahren schon einmal ein Winterschlaf beobachtet. Die Lemuren, eine Affenart auf Madagaskar, fanden Forscher in einem längeren Dämmerschlaf vor und nehmen seitdem an, dass dieser auch bei Menschen möglich ist, denn Affen unterscheidet bekanntlich nicht mehr allzu viel vom Menschen, so die Süddeutsche Zeitung. Doch auch beim Menschen selbst ist ein Winterschlaf schon bemerkt worden. Einige Familien aus Sibirien haben sich noch vor einhundert Jahren beim ersten Schnee rund ums Feuer gelegt und sich in einen sechsmonatigen Schlaf gefallen. Einmal am Tag wurden sie wach, aßen Brot, tranken Wasser und legten sich wieder hin. Eine Feuerwache gab es während der „Lotska“, wie sie die Winterruhe nannten, auch. So kann man durchaus davon ausgehen, dass Menschen dazu fähig sind, Winterschlaf zu halten. Die Frage, ob das heute dank genügend Nahrung während des Winters und künstlicher Wärme noch möglich ist, bejahen viele Forscher. Auch wenn einige körperliche Komponenten zusammenspielen müssen.

Winterschlaf Fledermaus

Fledermäuse suchen sich feuchte, windgeschützte Orte wie einen Schuppen oder eine Höhle für ihren Winterschlaf. Hier sollte man sie keinesfalls stören.

Im Schlaf Fett abbauen

Was wie ein unrealistisches Diätversprechen klingt, wäre beim Winterschlaf Wirklichkeit, denn im Schlaf wird der Stoffwechsel von der Verbrennung von Kohlenhydraten auf Fett umgestellt und so könnte man sich im Sommer und Herbst getrost an fettigen Lebensmitteln satt essen. Das Schaltergen der Tiere aktiviert oder deaktiviert Enzyme, sodass der Metabolismus geändert wird und eine Ernährung des Körpers während des Schlafes ermöglicht. Dieses Schaltergen haben Forscher um Professor Gerhard Heldmaier an der Uni Marburg erst vor wenigen Jahren auch beim Menschen entdeckt. Substanzen, die kleinen Tieren wie Erdhörnchen injiziert wurden, haben diese in einen künstlichen Winterschlaf versetzt – auch während der falschen Saison. Diese Essenz namens DADLE, ähnlich wie Opium, hat allerdings bei komplexeren Tieren wie Schafen noch nicht gewirkt. Vor allem ohne Nebenwirkungen ist es beim Menschen noch lange nicht einsetzbar.

„Medizinischer Winterschlaf“ könnte die Transplantation revolutionieren

Chancen und Risiken gibt es – wie meistens in der Entwicklung neuartiger medizinischer Methoden – viele verschiedene. Ein Nachteil wird bei Nagetieren, die Winterschlaf halten, immer wieder beobachtet. Sie verlieren einige synaptische Verbindungen im Gehirn und erinnern sich nicht mehr an alles, was sie vorher noch wussten, wie die Welt berichtet. So lernte man Eichhörnchen einen Weg durch ein Labyrinth, welchen sie vor dem Winterschlaf problemlos meisterten, nach der monatelangen Pause allerdings nicht mehr wussten. Experten gehen davon aus, dass der Ruhezustand alzheimerähnliche Wirkungen im Gehirn hat und Synapsen auflöst. Dies wäre für Menschen natürlich nicht wünschenswert – allerdings ist fraglich, ob dies auch wirklich der Fall wäre, denn bei der Berichterstattung über die Sibirier ist dies nirgends verzeichnet.
Daneben gibt es aber auch zahlreiche Chancen, könnte man Menschen tatsächlich in einen Winterschlaf versetzen. Mehr Sciene-Fiction als Wirklichkeit ist im Jahr 2016 noch die Annahme, man könne Raumfahrer in den Winterschlaf versetzen und dann auf bemannte Missionen zu weit entfernten Planeten und auf andere Himmelskörper schicken. Sie würden während des monatelangen Schlafes praktisch nicht altern, bräuchten so gut wie keine Nahrung und Wasser. Trotzdem forschen einige amerikanische Universitäten bereits seit Jahren an einer solchen Methode. Wesentlich realitätsnaher sind die Chancen in der Medizin. Hier kann man bestimmte Organe in einen Winterschlaf versetzen und so monatelang konservieren. Damit wäre bald eine ganz neue Dimension der Transplantations-Chirurgie möglich.

Diese Experimente und Forschungen lassen erahnen, dass sich der moderne Homo sapiens wohl auch in Zukunft nicht von alleine in den Winterschlaf begeben wird, sondern dass es letztlich zu medizinischen und Forschungszwecken praktisch wäre, wenn man ihn künstlich in einen versetzen könnte. Schade eigentlich, denn so müssen wir weiterhin Weihnachtsgeschenke kaufen und bis in den März Schnee von den Straßen räumen.


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