Wildnis in der Stadt, Politik im Park

Die Breite der Wege, die Übersichtlichkeit, die Beleuchtung nachts, ... Die Gestaltung eines Parks definiert, wie und vom wem dieser genutzt wird. Oft vergessen wir, dass die Vorgaben zur Planung von städtischem Grünraum eine politische Entscheidung sind. Mit diesen Entscheidungen über die Gestaltung öffentlichen Raums beschäftigt sich im Juni die Tagung x-LArch 2018 in Wien. Die Landschaftsarchitektin und Leiterin des Institut für Landschaftsarchitektur an der Universität für Bodenkultur Lilli Licka gibt eine Vorschau und erklärt, was unter Park Politics zu verstehen ist. 

Der Dalston Eastern Curve Garden der J&L Landscape architects in Hackney, London. Bild: Lorraine Worpole

Wildnis in der Stadt ist ein Thema, das die Gemüter erhitzt. Einerseits ist die Sehnsucht nach Natur und ökologischer Intaktheit groß, andererseits muss der Grünraum in der Stadt auch praktisch und ungefährlich nutzbar sein. Keine geringe Herausforderung für die Landschaftsarchitektur. Sie hat die Gestaltung von nicht bebauten Räumen zum Inhalt, ihre Entwicklung, ihre Konzeption, ihre Nutzbarmachung und ihre Umweltverträglichkeit. Mit anderen Worten muss der geringe Freiraum, den die dichte Stadt noch offen lässt, sozialen, kulturellen, ökologischen und auch ästhetischen Kriterien genügen. Im letzteren lässt sich alles andere wieder finden. Wie die Gemeinschaft funktioniert, welches Gesellschaftsmodell wir haben und welches Verhältnis zur Natur vorherrscht, schlägt sich im gestalteten Raum nieder. Sowohl geschriebene als auch ungeschriebene Programme, Codes, Regeln und Gesetze drücken sich unmittelbar in der Gestaltung des öffentlichen Raums und der Parkanlagen aus. Einem Park sieht man an, ob die Ordnung im Vordergrund steht oder ob er freie Entscheidungen zulässt, was darin passieren soll und wie er sich weiter entwickelt.

Landschaftsarchitektur in Österreich

Am Institut für Landschaftsarchitektur der BOKU Wien wird die Gestaltung von solchen Freiräumen gelehrt und erforscht. Historische Anlagen und deren Gestalter und Gestalterinnen werden im LArchiv, dem Archiv österreichischer Landschaftsarchitektur geordnet, aufbewahrt und ebendieser Erforschung zugeführt.

Der Wiener Donaupark. Bild: Klaus Pichler

 

Aktuelle Forschungen beziehen sich auf die Gestaltung von Landschaften der Infrastruktur, Straßen- und Freiräumen der dichten Stadt, Auswirkungen des Digitalen, auf die nachhaltige Entwicklung von Freiräumen, die grüne Infrastruktur der Stadt und eben die Hintergründe der Parkgestaltung also um Fragen der gestalteten Freiräume. Im Juni 2018 werden diese in der internationalen Konferenz x-LArch 2018 – Park Politics aufgearbeitet, in Vorträgen und wissenschaftlichem Austausch von 40 interdisziplinär Forschenden aus 15 Ländern und 4 Kontinenten. Berichte aus der Praxis ergänzen hier die theoretische Auseinandersetzung.

Der Park als exemplarischer öffentlicher Freiraum

Im Park treffen vielerlei Themen aufeinander. Am Wiener Nordbahnhof haben die LandschaftsarchitektInnen vom international agierenden Büro agence ter einen Entwurf für die gut 8,5 ha große sogenannte freie Mitte entwickelt, der versucht, allerlei Ansprüche unter einen Hut zu bringen. Dabei wird den neuen Biotopen der Eisenbahnbrache Raum gegeben, wo die Wiener Landschaftsökologen vom Büro Land in Sicht Steinhaufen für die Zauneidechsen aufgeschüttet haben und wo ein Wassertümpel Lebensraum für Wechselkröten sichert. In der Mitte sollen die Gleise sowie die Kohlelager für die Parkgestaltung verwendet werden und das Bahngelände in Erinnerung halten. Der Park braucht aber auch eine große Wiese, er braucht Spielplätze, Wege, Skatebahn, Pflanzflächen, Sitzbereiche. An die Ermordeten, die von hier aus ins Konzentrationslager deportiert wurden, wird nicht durch die Gestaltung des Parks sondern hoffentlich in einer Ausstellung am Gelände erinnert werden.­­

Der Berliner Park am Gleisdreieck dient dem Projekt am Wiener Nordbahnhof, auf der 8,5 ha großen sogenannten freie Mitte, als Vorbild. Bild: Lilli Licka

Nordbahnhof und Gleisdreieck – Vorbild Berlin

Der Park wird in seinem gestalterischen Ansatz mit dem Berliner Park am Gleisdreieck verglichen, wo auf dem lang umkämpften Areal das Landschaftsarchitekturbüro Loidl sehr verschiedene Bereiche herausgearbeitet hat. Das Programm ist tatsächlich vergleichbar, bis hin zur Wildnis, die auch hier den engagierten Bürgerinnen und Bürgern ein großes Anliegen war. Es gibt urbanere Teilräume zum Skaten und für andere Sportarten und parkartig gestaltete Zonen mit klassischer Ausstattung: Bank, Laterne, Abfalleimer. Schon aus dem Programm geht hervor, wie vielfältig der Anspruch an eine solche Grünfläche ist, aber mit der Übersetzung in einen konkret gestalteten Grünraum wird ausgedrückt, was der Gesellschaft entspricht, was ihr zugestanden wird, welches Bild (zur Zeit) gut ankommt. Für Wien ist es ein ehrgeiziges Vorhaben, zumal hier weniger als ein Drittel der Fläche zur Verfügung steht und die direkt angrenzende Bebauung eine enorm hohe Dichte und Höhe und entsprechenden Schattenwurf haben wird. Ob die „freie Mitte“ dem Ansturm und Erholungsbedarf standhalten kann, wird sich weisen.

Gesetz und Gestaltung in einem erhellenden Buch

Dem Gesetz und seinen visuellen Folgen geht der Grafiker und Signaletiker Ruedi Baur dem Zusammenhang zwischen vorgegebenem Mind-set und der daraus resultierenden Gestalt auf den Grund. Mit Studierenden untersucht er präzise, wie wir einerseits von den Regeln gesteuert werden, wenn wir einen Raum, ein Buch, eine Stadt, die Zukunft entwerfen, und wie andererseits das Verhalten der Nutzenden von genau diesen geregelten Zuständen beeinflusst ist. Wir nehmen die Regeln unbewusst auf und richten unser Benehmen danach ein. Das kann subtil und unterschwellig oder auch ganz offensichtlich erfolgen.

Park Politics

Die Landschaftsarchitektur, die den offenen, oft öffentlichen Raum gestaltet, ist an dieser Definition unmittelbar beteiligt. Sie übersetzt übernommene oder neu entwickelte Regeln in den gebauten Freiraum, in den Park. Galen Cranz hat in ihrer umfassenden Untersuchung The Politics of Park Design schon für die Parks im 20. Jahrhundert Rollenbilder aufgedeckt, die der Parkgestaltung zugrunde gelegt werden. Wer sich wie und mit wem im Park aufhalten soll, wird über die Breite der Wege, über die Übersichtlichkeit, über den Stil der Einrichtung und deren Bequemlichkeit und Verwendung festgeschrieben. Wer diese Programme und Gestaltungsvorgaben festlegt und wie sie sich durchsetzen lassen ist letztlich eine politische Frage.

Parkgestaltung steht auf dem Programm

In der Tagung x-LArch 2018 – Park Politics wird genau dieser Frage nachgegangen und zwar vom 7.–9. Juni im Az W und an der BOKU Wien. Bei der Konferenz berichtet der Berliner Landschaftsarchitekt vom Atelier Loidl aus erster Hand: Leonard Grosch: „Berlin’s Park am Gleisdreieck – the Art of Creating Lively Places.“ am 9. 6. an der BOKU.

Ruedi und Vera Baur präsentieren die Gestaltung einer neuen Welt im Az W am 7. 6. 2018: „Another World is possible – we have to design it!

Travelling Ideas und Park Dilemmas sowie 6 weitere Themen werden in 8 Sessions an der BOKU diskutiert, u. a. wenn  Alan Tate, Verfasser des international rezipierten und mehrfach aufgelegten Basiswerkes „Great City Parks“ über Geld spricht oder, Naama Meishar aus Israel über soziale Auswirkungen des Jaffa Slope Parks in Tel-Aviv berichtet.

Das vollständige Programm und weitere Informationen sind hier zu finden.

Univ. Prof. Dipl. Ing. Lilli Licka ist Landschaftsarchitektin und leitet als Professorin das Institut für Landschaftsarchitektur an der Universität für Bodenkultur. Sie lehrt, forscht, publiziert und organisiert Veranstaltungen zur rezenten Geschichte und zur aktuellen Landschaftsarchitektur, zu Entwurf und Gestaltung von Grünraum, Freiraum, Landschaft und zum öffentlichen Raum.

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