Ganz schön wild

Ungekünstelt, gschmackig und mit hundertprozentiger Herkunftstransparenz. Ein Besuch im Wilden Wirtshaus. 

Das »Wilde Schnitzerl« im Wilden Wirtshaus.
Das »Wilde Schnitzerl« im Wilden Wirtshaus. Bild: Diana Groza-Weber.

Mit etwas Hunger isst man sich zu zweit locker durch die Karte des »Wilden Wirtshauses« von Hannes und Lydia Wiesmayer. Eine Hendlsuppe, eine würzigen Rote-Rüben-Cremesuppe, »Wildes Schnitzerl« mit Salat, Kartoffelchips und Preiselbeeren und einmal »Wilde Palatschinken«. Die Palatschinken gäbe es noch in Variationen – vegetarisch oder süß mit selbst gemachter Marillenmarmelade; außerdem als kalte Speisen: ein »Wildes Brot«und ein Käsebrot. »Unsere Speisekarte ist keinen halben Kilometer lang, dafür müssen wir morgen nix wegschmeißen«, sagt Hannes Wiesmayer beim Entgegennehmen der Bestellung. Als ob es eine Entschuldigung für überschaubares Angebot bräuchte. Die braucht es prinzipiell nicht. Und am allerwenigsten in einem Wirtshaus, das nur an einem Abend die Woche geöffnet ist (immer am Mittwoch) und sonst nur an Samstagen Frühstück bzw. Brunch anbietet. 
Der Großteil des Gemüses stammt aus der eigenen Biolandwirtschaft, das Wild aus eigener Jagd oder aus dem Biogatter (in dem die Wiesmayers Damhirsche züchten). Die Suppenhühner sind die ehemaligen Legehühner, deren Eier die Wiesmayers nebenan im Hofladen verkaufen. Und sogar das hauseigene Weißbier (»Wiener Weizen«) macht die in der Nähe gelegene Brauerei Kobersdorf aus dem hofeigenen Weizen. Bei allem was zugekauft werden muss, wird klar angeführt, woher es kommt. Beim Wein ist das ohnehin üblich. Er stammt von befreundeten Biobetrieben; der Grüne Veltliner von Martin Niegl (aus Brunn am Gebirge), der Frizzante Rosé von Ettl (aus Podersdorf), der Gemischte Satz von Norbert Walter (aus Wien-Floridsdorf). Aber auch bei allen anderen Zutaten gibt es Klarheit: Die Kräuter stammen von Sonnentor, das Brot von Öfferl oder von Schrott. »Wir warten nicht darauf, dass es gesetzlich vorgeschrieben ist die Herkunft der Lebensmitteln zu kennzeichnen, wir tun es einfach«, verspricht die Website. Beim Besuch im Wirtshaus in Hennersdorf werden alle Versprechen gehalten; auch geschmacklich.

Die Palatschinken – hier in »wild«, gibt’s auch noch pikant in vegetarischer Variante oder süß, mit Marillenmarmelade gefüllt. Bild: Diana Groza-Weber.

Irgendwie authentisch

In der Wilden Palatschinke möchte man sich eingraben. Gefüllt ist sie mit aromatischem Hirschsugo (das es im Hofladen auch im Glas zu kaufen gibt). Wie ihr Teig dermaßen flaumig gelingen kann, verrät Hannes Wiesmayer. Im Palatschinkenteig kommen bei ihm auf einen Liter Milch unglaubliche 12 (in Worten: zwölf) Eier. Das Hirschschnitzel ist zart und einwandfrei, besonders begeistert aber die perfekte Panier. Mit Eiern wird wohl auch dabei nicht gegeizt, das Auffällige ist aber, dass sie nicht aus den üblichen Bröseln besteht, sondern aus Haferflocken, gepresst aus hofeigenem Nackthafer.
Streng regional ist überraschenderweise auch die Playlist, die (nicht zu laut) zu hören ist. Die Rose aus Stadlau, Fendrich, Danzer, Ambros. Austropop – und was später daraus wurde. Wanda, Seiler & Speer. Wo sonst wird in Gaststuben noch Arik Brauer gespielt?
Nicht ganz so regional sind allerdings die Gäste. »Die Eingeborenen pfeifen uns was!«, sagt Wiesmayer zerknirscht. »Wir machen trotzdem weiter auf.« Die Stammgäste kommen aus ganz Ostösterreich.
Ihr Wildes Wirtshaus betreibt die Familie vor allem aus Freude am Bewirten (und im geschmackvoll restaurierten Gewölbe, in dem einst die Großeltern wohnten). Alles hier hat Charme, kommt ohne unnötigen Schnickschnack aus, ist irgendwie authentisch. Die urigen Wirtshaustische, erzählt Hannes Wiesmayer am Nebentisch auf Nachfrage, stammen vom Dachboden eines vor vielen Jahren zugesperrten Wirtshauses im Ort. Einige der Sitzgelegenheiten hat man aus alten Kirchenbeständen zusammengetragen. Außer an Mittwochen öffnet man nur für geschlossene Veranstaltungen auf Anfrage. Wild dominiert auch dann die Karte, wenn auch weniger kompromisslos als früher. Wiesmayers setzen allerdings auf mündige FleischfresserInnen als Gäste. »Wer drei Deka Hirn hat, isst weniger Fleisch«, sagt Hannes Wiesmayer. Und hofft natürlich: zum Beispiel an Mittwochen, hier in Hennersdorf, zwei Kilometer südlich von Wien. An Samstagen, beim Brunch serviert Lydia Wiesmayer ihr »Gsundes Frühstück« aber auch vegan.

Wildes Wirtshaus Wiesmayer
Hauptstraße 33
2332 Hennersdorf
Wirtshaus geöffnet Mittwoch 17 bis 22 Uhr
Samstag 9 bis 14 Uhr

Weitere Gastronomieempfehlungen gibt’s hier.

BIORAMA Niederösterreich #12

Dieser Artikel ist im BIORAMA Niederösterreich #12 erschienen

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