Wilde Energiepläne vs. Wilde Isel

Isel bei Prägarten (c) Bürgerinitiativen gegen den Kraftwerksbau

In Osttirol soll wieder einmal ein Naturjuwel der Wasserkraft geopfert werden. Dagegen: Bürgerinitiativen und der WWF. Dafür: Gemeinden, andere Bürgerinitiativen und die österreichische Energiepolitik.

Österreich hat beinahe 4.000 Wasserkraftwerke, kein Wunder also, dass es kaum noch unberührte Flussabschnitte gibt. Um die wenigen verbliebenen wird heiß gekämpft – denn einerseits stößt beinahe jedes neu geplante Kraftwerk auf den Widerstand von Umweltschützern, andererseits sind die Gemeinden pleite und brauchen Geld; und der Staat hat den weiteren Ausbau der Wasserkraft beschlossen.

Einer der aktuellen Kampfplätze: die Wilde Isel in Osttirol, laut WWF der letzte frei fließende alpine Gletscherfluss. Auf der einen Seite: mehrere Bürgerinitiativen und der WWF. Letzterer transportiert Journalisten aus dem fernen Wien heran und nutzt die stundenlange Fahrt für Informationsarbeit. Beim Hotel angekommen, zeigt sich, dass auch die andere Seite vorbereitet ist: Rund um das Hotel hängen Transparente der Kraftwerksbefürworter. Sie erwarten sich Geld, denn der Tourismus ist rückläufig und ein älterer Hotelbesitzer bezeichnet die Gegend sogar als „verarmt“. Was angesichts des schmucken Hotels im schmucken Dorf doch überrascht.

Transparent der Kraftwerksbefürworter

 Im vermeintlichen Kraftwerks-Paradies

Die lautesten Befürworter sind die beiden Bürgermeister: Dietmar Ruggenthaler, Virgen, und Anton Steiner, Prägraten. Ihnen zufolge bringt das Kraftwerk ab Inbetriebnahme 400.000 Euro jährlich für die Gemeinden, wenn die Kredite getilgt sind, sogar mehr als zwei Millionen Euro. „Wir planen im Einklang mit der Natur“, so Ruggenthaler. Er beschreibt die Folgen des Kraftwerkbaus:„Paradiese für Tiere und Pflanzen entstehen.“

Er beruft sich dabei auf den Experten Christian Moritz, Geschäftsführer der Arge Limnologie. Moritz bestätigt das so jedoch nicht: „Das obere Becken ist gewässerökologisch dafür da, damit die Isel weiterhin als freie Fließstrecke erhalten und nicht durch einen Aufstau unterbrochen wird.“ Im Übrigen gibt es von ihm noch keine fertige Beurteilung, er geht allerdings davon aus, dass das Kraftwerk aus gewässerökologischer Sicht im Sinn des Wasserrechtsgesetzes genehmigungsfähig ist. „Eine Beurteilung nach Naturschutzrichtlinien ist aber eine andere Sache, dafür bin ich nicht zuständig.“

Naturraum – echt oder fake?

Der WWF erwartet keine paradiesischen Zustände. Bis zu 80 Prozent weniger Wasser für die Isel verändern den Lebensraum: Es gibt weniger Geschiebe, der Fluss kann weniger Steine und Geröll transportieren. Der Lebensraum verändert sich, nicht nur im Virgental, sondern den gesamten Fluss stromabwärts. Die Isel mündet in die Drau und dort seien die Auswirkungen der vielen entwässerten Flüsse bereits jetzt ein Problem.

Eröffnung der Schautafel an der Isel durch WWF und mehrere Bürgerinitiativen gegen das Kraftwerk

Unbestritten ist, dass mit einem Kraftwerk aus einem unverfälschten Naturraum ein künstlicher geschaffen wird. Eine Veränderung, die nicht nur Tiere und Pflanzen beeinflussen kann, sondern auch den Tourismus. Schließlich kommen viele Gäste in die Nationalparkregion, um unberührte Natur zu erleben; mit dem Kraftwerk verlöre das Tal ein Alleinstellungsmerkmal.

Schmutzige Wasserkraft?

Die Isel ist nur einer von vielen Schauplätzen, allein in Tirol sind zahlreiche andere Projekte geplant, vom Kaunertal bis zum Ötztal. Und immer haben die Befürworter die österreichische Energiestrategie auf ihrer Seite: Bis zum Jahr 2020 soll die Leistung der Wasserkraft in Österreich noch um  sieben Terawattstunden gesteigert werden. Laut Bernd Lötsch, ehemaliger Direktor des Naturhistorischen Museums, würde dieser Ausbau knapper Not den Zuwachs an Energieverbrauch für ein paar Jahre decken – nur den Zuwachs, keine Rede vom Gesamtbedarf. In ein paar Jahren wäre dann die Energiesituation gleich wie jetzt, nur dass dann alle Flüsse verbaut sind. „Dieser Wettlauf mit uns selbst ist nicht zu gewinnen“, so Lötsch. Er fordert eine „flächendeckende Effizienzsteigerungs-Strategie“, die sich seiner Meinung nach auch rechnen würde.

Außerdem missachtet der Energieplan ein zentrales Problem der Wasserkraft: Sie liefert in erster Linie im Sommer Spitzenstrom. Das bringt Geld, denn Spitzenstrom ist teuer. Irgendwie muss die Grundversorgung aber auch im Winter gesichert sein. Ein Ausbau der Wasserkraft ist also zwangsläufig an andere Energieformen gebunden, die im Winter liefern können. Bis jetzt ist das Kohle. Dass Wasserkraft klimaschonend ist und die österreichische Klimabilanz verbessert, ist damit höchst fraglich.

Noch einmal Bernd Lötsch: „Im Verhältnis zum Landschaftsschaden ist der erzielbare Energiebeitrag unverantwortbar gering, die behauptete Klimaentlastung eine Fiktion.“

 

Kraftwerksgegner:
www.wasser-osttirol.at
www.wwf.at
www.kraftwerk-virgental.at

Befürworter:
www.virgentalerweg.at

Österreichischer Energieplan:
http://oesterreichsenergie.at/masterplan-wasserkraft.html

 

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