Wenn Kinder vegan aufwachsen
„Karl Klops, der coole Kuhheld“ ist ein Kinderbuch mit einem veganen Helden. Mit dem PETA Progress Award wurde es nun von der internationalen Tierschutzorganisation als tierfreundliche Errungenschaft der Kultur ausgezeichnet. Der Autor, Udo Taubitz, ist überzeugt vom veganen Lebensstil, praktiziert ihn selbst und lässt auch seine Kinder gänzlich ohne tierische Produkte aufwachsen. Über seine Überzeugung und die Probleme bei der veganen Erziehung hat BIORAMA mit ihm gesprochen.
BIORAMA: Ihre ganze Familie ernährt sich vegan. Wieso dieser Entschluss?
Taubitz: Schuld ist der Yoga-Workshop, den ich meiner Frau vor vier Jahren zum Geburtstag geschenkt habe. Die Gurus aus New York zeigten schockierende Videos aus der Massentierhaltung. Meine Frau war überwältigt und beschloss, dass sie bei der Tierausbeutung nicht mehr mitmachen will. Diese konsequente Haltung imponierte mir. Und weil die Küche mein Revier ist und ich keine Lust hatte, doppelt zu kochen, stellte ich von einem Tag auf den anderen auf rein pflanzliche Kost um.
Wie hat Ihr Umfeld, Ihre Eltern und Freunde, auf die Umstellung reagiert?
Manche hielten es für einen Spleen, der sich schnell wieder geben wird. Bei manchen meldete sich das schlechte Gewissen, sie verteidigten sich ungefragt oder luden uns nicht mehr ein. Unsere Eltern machten sich Sorgen um die Gesundheit ihrer Enkelkinder. Im Kindergarten war es ein ziemlicher Kampf, bis unsere Töchter vegane Kost bekamen. Mittlerweile hat die Angst vor veganem Essen sich gelegt, es ist sogar hip, und wir werden nach Rezepten gefragt.
Das Zusammenleben von Mensch und Tier ist seit Jahrtausenden Bestandteil unseres natürlichen Ökosystems. Warum gleich der radikale Wechsel zum Veganismus statt dem einfacheren Verzicht auf Fleisch?
Unser Verhältnis zu Tieren ist heute höchst unnatürlich, fast schizophren. Mit Hunden teilen wir unsere Betten und gehen mit ihnen ins Nagelstudio. Schweine pferchen wir zu tausenden in riesige Turbomasthallen, wo sie wie Maschinen behandelt werden. Was wir heute an Tierprodukten konsumieren, kommt zu 95% aus Massentierhaltung. Aber auch auf Biohöfen werden den Kühen ihre Kälber weggenommen, damit der Bauer an die Milch kommt. Und die Legehennen sterben sehr jung an den Strapazen des Eierlegens. In der Natur legen Vögel nur ein paar Eier pro Jahr. Im Übrigen ist es den Tieren egal, ob sie für ihr Fleisch gequält und getötet werden oder für ihre Milch und Eier. Darum geht es auch in meinem Buch „Karl Klops, der coole Kuhheld“.
Wieso ist es Ihnen so wichtig, den veganen Lebensstil zu verbreiten?
Wenn ich meinen Töchtern Bücher vorlas, hatte ich oft das Gefühl, dass ich mich zum Komplizen einer großen Lüge machte: Viele Kinderbücher spielen auf märchenhaften Bauernhöfen, wo die Kühe glücklich sind, dass der nette Bauer sie zwei Mal täglich melkt. Und die Hühner haben beim Eierlegen jede Menge Spaß. Diese Vorstellung ist verführerisch, denn sie beruhigt unser Gewissen. Aber sie ist schlichtweg falsch.
Glauben Sie, der Tag kommt, wo ihre Kinder auf vegetarische oder konventionelle Ernährung neugierig sind und umsteigen oder einmal einen Zoo oder Zirkus besuchen wollen? Wie reagieren Sie?
Sie würden sehr gern in den Zoo gehen, denn sie lieben Tiere. Aber sie verstehen auch, dass es gemein ist, Tiere zur Belustigung einzusperren – und dass wir das nicht unterstützen wollen mit unserem Geld. Lieber fahren wir auf den Hof Butenland; das ist ein Bauernhof an der Nordsee, wo gerettete Tiere einfach nur leben können.
Denken Sie, es könnte ein Problem für Kinder und Jugendliche im Wachstum sein, mit veganer Ernährung zu leben? Vor allem, wenn Eltern ernährungswissenschaftlich nicht ideal informiert sind, könnte es doch zu Mängeln bei bestimmten Nährstoffgruppen, zum Beispiel bei Eiweiß oder Eisen kommen.
Wer sich nur von Pommes, Nudeln und Ketchup ernährt, bekommt wahrscheinlich Probleme. Wir achten auf ausgewogene Kost: viel Gemüse und Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse, Vollkorngetreide. Ich bin kerngesund und schlank, meine Frau ebenfalls, und auch unsere drei Mädels entwickeln sich prächtig. Von Mangelernährung keine Spur. Einmal die Woche gibt’s einen „Kirschdrop“, weil wir beim Vitamin B12 auf Nummer sicher gehen wollen.
Warum, denken Sie, boomt der Veganer-Trend gerade so?
Es spricht sich rum, dass Pflanzenfresser fitter sind und länger leben – das passt in den Zeitgeist. Die jungen Leute machen sich viele Gedanken: Wie wirkt sich mein Handeln auf den Rest der Welt aus? Vegane Ernährung ist die fairste und umweltfreundlichste. Außerdem macht es Spaß, mit überkommenen Gewohnheiten zu brechen und Neues auszuprobieren.
Wie sehen Sie die Zukunft des veganen Lebensstils?
Meine Zukunft ist vegan. Und ich sehe, dass immer mehr Menschen Tiere als Mitgeschöpfe wahrnehmen, die genau wie sie selbst ein schönes Leben haben wollen, die Gefühle haben und Bindungen. Und mit dem Angebot an rein pflanzlichen Produkten nimmt auch die Erkenntnis zu: Vegan bedeutet nicht Verzicht, sondern Bereicherung. Probieren Sie mal Mandelmilch oder Eis aus Süßlupinen!
In Wien hat gerade Österreichs erster veganer Supermarkt eröffnet. In Hamburg gibt es solche Angebote schon. Kaufen Sie auch in Märkten ein, die ausschließlich vegane Waren anbieten?
Das würde ich am liebsten immer tun, aber in Laufweite gibt es bei mir noch keinen veganen Laden. Also studiere ich im Supermarkt das Kleingedruckte auf den Produkten. Wenn in der Kinderzahncreme Läuseblut drin ist, kaufe ich sie nicht. Das Informieren kostet Zeit. Andererseits spare ich Zeit: Die kilometerlangen Gänge mit Fleisch, Milchprodukten und Fertigpizzen spare ich mir. Vegan zu leben ist für mich auch ein befreiender Schritt aus der Überflussgesellschaft.