Wenn Hochwasser vereint: Über grenzüberschreitende Naturkatastrophenprävention
Ein Hochwasser folgt dem nächsten. Wie kann man in Zukunft entgegenwirken? Was kann man aus Vergangenem lernen? Um genau das zu besprechen, traf sich Landesrat Stephan Pernkopf mit dem oberösterreichischem Landeshauptmann Josef Pühringer und Bayerns Staatsminister Marcel Huber. BIORAMA im Gespräch mit Stephan Pernkopf über die zukünftige Zusammenarbeit der drei Länder.
BIORAMA: Ein Jahr nach dem „Jahrhunderthochwasser“ 2013 planen die Länder NÖ, OÖ und Bayern eine intensivere Zusammenarbeit in puncto Hochwasserschutz. Wie sieht diese Kooperation aus? Welche konkreten Ziele streben Sie an?
Stephan Pernkopf: Hochwasser an der niederösterreichischen Donau treten vor allem dann auf, wenn die Donau aus Bayern und der Inn große Wassermengen bringen. Für uns in Niederösterreich ist es besonders wichtig, dass Maßnahmen an der bayerischen Donau und am Inn nicht zu Verschlechterungen in Niederösterreich führen. Unser Ziel ist daher ein abgestimmtes Gesamtkonzept für das gesamte Donaueinzugsgebiet.
Kommt die Entscheidung über die Zusammenarbeit nicht ein wenig zu spät? Hätte das nicht schon vor dem katastrophalen Hochwasser getan werden müssen?
Die Entscheidung über eine Zusammenarbeit ist ja nicht neu. Die Donauanrainerstaaten arbeiten seit vielen Jahren eng zusammen und haben dafür beispielsweise schon 1994 das internationale Donauschutzübereinkommen unterzeichnet. Dennoch wollen und müssen wir aus jedem Hochwasser lernen und so wollen wir durch die Erfahrungen des Hochwassers 2013 die gemeinsame Zusammenarbeit noch weiter intensivieren.
In der „Bauernzeitung“ sagen Sie, dass das Hochwasser im Juni 2013 gut bewältigt wurde. Die Schadenskosten betragen im Land Niederösterreich rund 100 Millionen Euro, im Land Oberösterreich 220 Millionen Euro und in Bayern 1,3 Milliarden Euro. Warum waren die Kosten in Niederösterreich geringer?
Zum einen war das Hochwasser 2013 in Oberösterreich und auch in Bayern noch extremer als in Niederösterreich. Zum anderen haben wir in Niederösterreich als Folge des katastrophalen Hochwassers 2002 ein umfassendes Maßnahmenpaket umgesetzt, das sich beim Hochwasser 2013 hervorragend bewährt hat. So wurden in Niederösterreich seit 2002 rund 360 Hochwasserschutzprojekte fertiggestellt.
Was können Bayern und Oberösterreich von Niederösterreich lernen?
Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch zum Thema Hochwasserschutz ist wichtig, da jedes Ereignis seine Besonderheiten hat, aus denen nicht nur das betroffene Land, sondern auch benachbarte Länder lernen können. Insofern bin ich überzeugt, dass wir alle von den Erfahrungen des jeweilig anderen profitieren können.
Was hat man aus dem Hochwasser 2013 gelernt?
Unmittelbar nach dem Hochwasser 2013 habe ich die betroffenen Gemeinden, Infrastrukturbetreiber, Behörden und Einsatzorganisationen zu einem breit angelegten Erfahrungsaustausch eingeladen. Dabei wurden Probleme aufgezeigt, Verbesserungsvorschläge gemacht und offene Fragen zur weiteren Klärung festgehalten. Diese Liste wurde im vergangenen Jahr systematisch abgearbeitet und vieles bereits umgesetzt. Dazu einige Beispiele: Zusätzliche Donaupegel wurden integriert, für die gesamte niederösterreichische Donau wurde im Bereich der mobilen Schutzanlagen ein Bewuchspflegeplan erstellt und Zufahrtsstraßen aus dem Hinterland wurden ertüchtigt. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit allen diesen, oft auch nur kleinen Maßnahmen, Niederösterreich wieder ein Stück sicherer und lebenswerter gemacht haben.
Auch dieses Jahr gab es, wenn auch weniger intensiv, erneut Hochwasser in einigen Regionen. Hatten Sie das Gefühl, gegen diese bereits besser gewappnet zu sein?
Auch 2013 wurde massiv in den Hochwasserschutz investiert. 2013/2014 konnten in Niederösterreich 50 Hochwasserschutzprojekte mit Gesamtbaukosten von rund 75 Millionen Euro soweit fertiggestellt werden, dass sie im Hochwasserfall funktionstüchtig sind.
Auch andere Bundesländer Österreichs, etwa Tirol, Vorarlberg und Salzburg waren 2013 vom Hochwasser stark betroffen. Warum werden diese nicht eingebunden?
Im Hochwasserschutz arbeiten wir selbstverständlich mit allen Bundesländern zusammen. Es gibt beispielsweise eine enge Bund-Länder-Kooperation bei der Umsetzung der EU-Hochwasserrichtlinie.
Die ständig wiederkehrenden Hochwasser sind außerdem eine starke Belastung für die Umwelt. Inwiefern werden Sie das bei Ihren Planungen im Bezug auf Hochwasserschutz berücksichtigen?
Besonders gravierende Schäden entstehen dann, wenn Öltanks bei Überflutungen aufschwimmen und Ölverunreinigungen verursachen. Auch diesbezüglich hat Niederösterreich reagiert und entsprechende Ausführungen von Öllagerungen in gefährdeten Gebieten in der Bauordnung verankert. Niederösterreich forciert auch die Erstellung von maßgeschneiderten Katastrophenschutzplänen auf Gemeindeebene. Darin wird genau geregelt, wer im Hochwasserfall welche Maßnahmen zu treffen hat. Dabei werden unter anderem auch Öllagerungen erfasst, damit hier rechtzeitig Sicherungsmaßnahmen getroffen werden können.
Wie werden Schutzmaßnahmen für Hochwasser getroffen? Und inwiefern helfen dabei länderübergreifende Maßnahmen?
Für mich ist unabdingbar, dass Schutzmaßnahmen keinesfalls zu Verschlechterungen für flussabwärts liegende Siedlungsgebiete führen dürfen. Dies gilt selbstverständlich auch über Landes- und Staatsgrenzen hinweg. In diesem Zusammenhang kommt dem gezielten Rückhalt des Wassers in natürlichen Überschwemmungsgebieten oder in technischen Rückhaltebecken eine besondere Bedeutung zu. Ich bin daher sehr froh, dass in Niederösterreich schon rund ein Drittel der Hochwasserschutzinvestitionen in Rückhaltemaßen erfolgen.
Stellt sich nicht auch die Frage, ob solch kritische Hochwasser nicht die Folge des Klimawandels sein könnten? Wird Ihre Zusammenarbeit also auch diese Thematik behandeln?
Wir haben schon vor einigen Jahren gemeinsam mit allen Länder und dem Bund eine wissenschaftliche Studie über die Auswirkungen des Klimawandels auf Österreichs Wasserwirtschaft in Auftrag gegeben. Dabei wurde auch das Thema Hochwasser eingehend analysiert. Die Wissenschafter sind zum Ergebnis gekommen, dass aus den bisherigen Klimamodellen keine Veränderungen bei großen Hochwässern ableitbar sind.
Ein großes und längerfristiges Problem bei Hochwasser ist die Verschutzung des Trinkwassers. Denn wenn „Oberflächenwasser“ in Trinkwasserquellen eindringt besteht die Gefahr von Verschmutzung durch Keime und Schmutz. Wie werden Sie an diesem Punkt arbeiten?
Das Thema Trinkwasserversorgung ist ein besonders wichtiges. In Niederösterreich werden knapp über 90 Prozent der Bevölkerung aus öffentlichen Wasserversorgungsanlagen mit Trinkwasser versorgt. Bei diesen Anlagen haben wir schon jetzt eine sehr hohe Versorgungssicherheit, da diese Anlagen großteils über Aufbereitungsanlagen verfügen, die auch im Hochwasserfall für hygienisch einwandfreies Trinkwasser sorgen können. Durch die Vernetzung bestehender Wasserversorgungen und durch die Errichtung überregionaler Transportleitungen konnte die Versorgungssicherheit in den letzten Jahren noch weiter erhöht werden.
Der britische Landschaftshistoriker David Blackbourn meint in einem Interview mit der „Zeit“, dass sich durch die Einzwängung, also Besiedelung von Flussgebieten, Hochwasser verstärkt hätten und solange man Flüssen nicht mehr Platz geben würde, Hochwasser nicht vermeidbar sind. Könnte es nicht auch sein, dass der einzige Weg solche Katastrophen zu vermeiden, wäre, Flüssen wieder mehr Raum zu geben?
Flüssen wieder mehr Raum zu geben, ist ein wichtiger Beitrag zur Reduktion der Hochwassergefahr, kann aber nicht als Allheilmittel gesehen werden. Für mich ist daher ein vernünftiger Mix aus Renaturierungen, Rückhaltemaßnahmen und technischem Hochwasserschutz in Form von Mauern, Dämmen und mobilen Elementen die zielführendste Strategie.
Welche konkreten Renatierungsarbeiten sind für Niederösterreich geplant? Werden diese auch länderübergreifend stattfinden?
Hochwasserschutz wirkt nur im Einklang mit der Natur. Unser Ziel ist es, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben, Auwälder und Nebenarme mit dem Hauptfluss wieder zu vernetzen und damit den Rückhalt des Wassers in natürlichen Überschwemmungsgebieten zu verbessern. Einen besonderen Beitrag dazu leisten die zahlreichen EU-LIFE-Projekte, die in den vergangenen 20 Jahren an der niederösterreichischen Donau und ihren Nebenflüssen umgesetzt wurden. Die von der EU zu 50 Prozent geförderten LIFE-Projekte haben einen Mehrfachnutzen: Sie schaffen und schützen Lebensräume für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, sie geben den Flüssen wieder mehr Raum, verbessern damit die Hochwassersituation und bieten den Menschen attraktive Naherholungsgebiete mitten in Niederösterreich. Besonders stolz bin ich darauf, dass Niederösterreich bei der Umsetzung von LIFE-Projekten in Österreich führend ist: Knapp die Hälfte aller österreichischen LIFE-Projekte wurden beziehungsweise werden in Niederösterreich umgesetzt. In Summe wurden in Niederösterreich dafür rund 80 Miollionen Euro investiert.