Sturm im Biowasserglas?
»Marketingschmäh« und »KonsumentInnentäuschung« meinen die einen, »sinnvolle Weiterentwicklung der Bioregeln« und »KonsumentInnenschutz« die anderen. Nach einem Jahrzehnt der erhitzten Gemüter ist die Debatte um Biowasser eine Spur leiser geworden und der Markt indessen größer.
Haben die PionierInnen den Weg bereitet für andere AnbieterInnen? Wer fischt noch im Biowasserteich? Es ist Zeit, den Markt ein wenig genauer zu betrachten. Dazu sind, egal wie abgeflaut die Diskussion um die Biozertifizierung von Wasser sein mag, ein paar Worte zur Geschichte und zum Regelwerk notwendig. Das Ganze begann vor etwa zwölf Jahren. Der Geschäftsführer der bayerischen Biobrauerei Neumarkter Lammsbräu, Franz Ehrnsberger, befand, dass die Biobranche das Thema Wasser sträflich vernachlässige. Das Thema »Trinkwasser« wohlgemerkt. Wasser als Ressource in der Landwirtschaft war und ist seit je ein zentrales Thema der Biolandwirtschaft. Also trommelte Ehrnsberger ein paar Leute zusammen und gründete im November 2008 die Qualitätsgemeinschaft Bio-Mineralwasser e.V. Dieser Verein arbeitete an einem Regelwerk, das in seiner aktuellen Fassung 46 Kriterien umfasst, die erfüllt sein müssen, damit ein Wasser das (ebenfalls von dieser Gruppe entwickelte) Biomineralwasser-Zeichen erhält. Dieses Zeichen war notwendig, da das EU-Bio-Logo für Wasser nicht verwendet werden darf. Einfach, weil Wasser in der EU-Bio-Verordnung nicht vorkommt. Die Verordnung regelt vorwiegend den biologischen Landbau. Für Bereiche, die nicht der klassischen landwirtschaftlichen Produktion zugeordnet werden können, müssen daher eigene Regulative erarbeitet werden. Die Biofischwirtschaft oder der Bereich Jagd- und Forstwirtschaft können ein Lied davon singen.
2012 hat der (deutsche) Bundesgerichtshof entschieden, dass Mineralwasser trotz des rechtlichen Vakuums in der EU-Bio-Verordnung als »bio« bezeichnet und vermarktet werden darf. Und obwohl die KonsumentInnenschützerInnen bereits im Vorfeld des Verfahrens auf die Barrikaden gingen, entschieden die RichterInnen, dass sich das Wasser der BiowasserproduzentInnen deutlich (und ausreichend) von anderen Mineralwässern unterscheidet. Mit dieser Urteilsbegründung (und natürlich dem Urteil selbst) war der Weg für den Biowassermarkt geebnet. Und der Rechtsstreit, in den die NeumarkterInnen seit der Markteinführung ihres Mineralwassers »BioKristall« verwickelt waren, war vom Tisch. Die Stiftung Warentest schmollte zwar, fügte sich aber und informierte – leicht trotzig – die VerbraucherInnen über das Urteil.
Nicht nur sauber, sondern nachhaltig
Was sind aber nun diese Kriterien, die erfüllt sein müssen, um einem Brunnen den Zutritt ins Bioparadies zu gewähren? Zur Sicherung der Reinheit sind ein flächendeckender Ausbau des ökologischen Landbaus sowie zusätzliches Engagement und regelmäßige Kontrollen nötig. Die Bedingungen für das Siegel basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und betreffen die Faktoren Nachhaltigkeit, Naturbelassenheit, Mikrobiologie, Chemie, gutes Lebensmittel und transparente Information. Das Thema Nachhaltigkeit spielt für die Anerkennung als Biomineralwasser eine große Rolle. Es wird von den Unternehmen erwartet, dass sie sich ökologisch, aber auch sozial vorbildlich verhalten. Dazu gehören ein transparentes Umweltmanagementsystem, die Förderung des Biolandbaus im Einzugsgebiet der Quelle, Engagement in Wasserschutzprojekten genauso wie eine Ausbildungsquote von fünf Prozent und die regelmäßige Aus- und Weiterbildung der MitarbeiterInnen.
Streng sind auch die Regeln, die die Produktion selbst betreffen. So ist zum Beispiel die Verwendung von Ozon oder aktiviertem Aluminiumoxid zur Entfernung unerwünschter Inhaltsstoffe ebenso verboten wie die Verwendung radioaktiver Strahlung. Im konventionellen Bereich wird Röntgen- oder Gammastrahlung in der Qualitätskontrolle eingesetzt.
Gibt es sensorische Besonderheiten?
Die NeumarkterInnen sind mittlerweile nicht mehr die Einzigen, die sich dem Biowasser verschrieben haben. Zwar hat sich BioKristall als Marke am Biomarkt etabliert und konnte seine Position auch festigen, am Kuchen versuchen aber auch andere HerstellerInnen mitzunaschen.
Im Spiel sind etwa das Gourmet-Mineralwasser von Ensinger, das Wasser des Christinen Brunnens, die Rheinsberger Preussenquelle und die Landpark-Bio-Quelle. Richtig gut ist dabei das Produkt von Ensinger. Das Wasser schmeckt leicht mineralisch, ist aber eigentlich mild und harmonisch. Wäre »Terroir« ein Thema, wie beim Wein, würden wir erfahren, dass das Wasser aus dem oberen Muschelkalk des Strombergs kommt. Jedenfalls ist das Ensinger-Biomineralwasser ein echter (kulinarischer) Gewinn und wertet in der Gastronomie jede Tafel auf.
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Nicht ganz so gut fällt die Wertung für den Christinen Brunnen aus. Die Stiftung Warentest hat ihren Biogroll zwar immer noch nicht überwunden, testet die Produkte aber stets blind und zuverlässig neutral. Sensorisch bekam das Wasser vom Christinen Brunnen zwar ein »Gut«, insgesamt fiel das Zeugnis aber deutlich schlechter aus. »Ausreichend« (oder in Österreichs Schulnotenskala »Genügend«). Vor allem die mikrobiologische Qualität und die Deklaration beeinflussten das Ergebnis. Stiftung Warentest dazu wörtlich (natürlich nicht ohne generellen negativen Hinweis auf die Biowässer): »Wie die meisten Bio-Mineralwässer, die im Sommer 2019 durch TesterInnen begutachtet wurden, schneidet das Natürliche Bio-Mineralwasser von Christinen Brunnen nicht besonders gut ab. Insbesondere die mikrobiologische Qualität wird von den Testern bemängelt, denn die Proben enthielten bei Untersuchungen Stäbchenbakterien. Diese sind zwar für gesunde Menschen unbedenklich, können kranken Personen aber gefährlich werden.« Hier ist der/die HerstellerIn angehalten, einen Blick auf das Qualitätsmanagementsystem zu werfen. Wäre schade, denn auch das »Gut« im sensorischen Bereich ist eher ein strenges Urteil. Die »Salzigkeit«, die den Testerinnen missfiel, wäre ein Garant, dass das Wasser ausgezeichnet zu Wein und Säften passt.
Geschmacklich spannend sind übrigens auch die Wasser der Rheinsberger Preussenquelle und der Landpark-Bio-Quelle. Letztere gibt es seit Kurzem auch in umweltfreundlichem FSC-zertifizierten Karton und mit einem Schraubverschluss, der zu 40% aus Zuckerrohr besteht. Ökologische Verpackung ist schließlich auch ein zentrales Kriterium der Biowasserproduktion, weshalb es sämtliche Biomineralwässer – bislang – ausschließlich in Glasflaschen gab. Bioaffine und umweltbewusste BergkameradInnen werden jubilieren und ihre Freude mit der leichten Verpackung des Landpark-Wassers haben.
Biozertifiziertes Mineralwasser ist übrigens längst kein ausschließlich europäisches Thema mehr. Zeitverzögert um ein paar Jahre hat es auch Nordamerika erreicht. Die Diskussion wiederholt sich, die BefürworterInnen sehen Marktchancen, die GegnerInnen greifen sich an die Stirn und wittern Betrug. Im Juli 2017 gelang es Adam Lazar, einem Businessman aus Vermont, ein Biozertifikat für sein Wasser zu bekommen. Das ist insofern erstaunlich, als das USDA (US Department of Agriculture) die NOP-Zertifizierung (National Organic Program) kategorisch ablehnte. Mittlerweile hat ASARI, das »organic water« von Lazar, die Rolle des BioKristall von Neumarkter Lammsbräu eingenommen. VorreiterInnen und WegbereiterInnen auf der einen Seite. Platzhirsch/Platzhirschkuh und MarktführerIn auf der anderen.
Der Markt ist in Bewegung, und es wird sich noch einiges tun. Innovationen werden ihn voranbringen, TrittbrettfahrerInnen der Kategorie »eh fast bio« werden ihn beschäftigen. Am Ende wird alles gut.