Warum sich das E-Bike durchsetzt
Es gibt gute Gründe für den Boom des E-Bikes. Bei einem Ausflug zum Großglockner werden die Vorzüge der Unterstützung aus der Steckdose deutlich.
„Wenn ich ein E-Bike verkaufe, verkaufe ich eigentlich gleich drei“, erklärt Bernhard Kohl den E-Bike-Boom. „Wer sich ein E-Bike kauft, zeigt es seinem Nachbarn. Der will dann auch eins und sein bester Freund auch.“ Kohl betreibt unter seinem Namen ein riesiges Fahrradgeschäft am Stadtrand von Wien. „Wir haben angefangen mit zwei E-Bikes im Jahr und sind jetzt, über das Jahr gerechnet, bei 800 bis 1000 E-Bikes, die wir verkaufen. Das ist schon ein richtig großer Markt geworden.“ Kohl, der Ex-Rennradprofi, der 2008 nach einem Dritten Platz bei der Tour de France des Eigenblut-Dopings mit Epo überführt wurde und deshalb seine Karriere als Profisportler gegen die als Zweiradhändler eintauschte, kann gut nachvollziehen, dass Menschen sich beim Radfahren gerne elektrisch unterstützen lassen. „Mir macht das E-Bike fahren selbst Spaß. Wenn ich mountainbiken gehe, fahre ich nicht mehr mit dem normalen, sondern mit dem E-Mountainbike. Ganz einfach weil die Zeit begrenzt ist, mit dem Geschäft und der Familie. Wenn ich nur zwei Stunden Zeit habe, dann komme ich mit dem E-Bike einfach weiter. Ich trete genau so viel wie sonst, komme aber doppelt so schnell doppelt so weit.“
Untrainiert auf den Großglockner
2006 erfuhr sich Bernhard Kohl auf der Großglockner-Hochalpenstraße den Titel des „Glocknerkönigs“. Damals fuhr er in 51,3 Minuten die 12,9 km von Ferleiten auf 1.145m zum Fuscher Törl auf 2.428m. 1.283 Höhenmeter. Elf Jahre später ist er mit einer Gruppe Journalisten auf Einladung von Bosch zum Großglockner zurückgekehrt. Der Marktführer bei E-Bike-Antrieben beliefert über 60 Fahrradhersteller mit Elektromotoren, Akkus und den dazu passenden Bordcomputern. Ausgestattet mit Top-Modellen des deutschen Herstellers Haibike sollen bei dem Ausflug in die Hohen Tauern Journalisten davon überzeugt werden, dass man auf einem E-Bike mit einem Radsportler mithalten kann. Nach einer Stunde und zwei Minuten ist Bernhard Kohl auf einem Rennrad ohne Elektromotor am Ziel. Auf dem E-Bike schaffen es einige Journalisten aus der Gruppe schneller.
Aus 200 Watt werden 800 Watt
Kein Wunder. Schließlich unterstützt der Motor die Trittkraft in fünf verschiedenen Stufen. In der niedrigsten Unterstützungsstufe „Eco“ mit 50 Prozent. Das heißt: Bringt man 200 Watt Muskelkraft auf die Pedale, kommen 100 Watt vom E-Motor dazu. Macht in Summe 300 Watt. In der höchsten Stufe „Turbo“ kommen ganze 300 Prozent dazu. So werden aus 200 Watt Trittleistung 800 Watt. Kohl sagt, er trete am Berg durchschnittlich mit einer Leistung von ungefähr 400 Watt. Der Elektromotor macht es möglich, mitzuhalten, auch wenn man kein Ausdauersportler ist. Und darin besteht für viele E-Bike-Käufer der große Reiz der elektrischen Unterstützung. Bernhard Kohl erzählt, dass er erst dank des E-Bikes in den Genuss gemeinsamer Rad-Ausflüge mit seiner Frau kommt. Am Großglockner ist gar von der „Demokratisierung des Radsports“ die Rede. Schließlich seien Ausflüge ins hochalpine Gelände jetzt nicht mehr einer sportlichen Elite vorbehalten. Selbst Kinder könnten nun mit ihren ehrgeizigen Eltern auf dem Rennrad mithalten. Allerdings kosten leistungsstarke E-Bikes eine Menge Geld. Für die am Großglockner getesteten Haibike-Modelle mit Bosch-Antrieb wären im Handel knapp 3.500 Euro zu berappen. Einer wirklichen Demokratisierung des Radsports stehen solche Preise natürlich im Wege.
Der E-Instieg ins Radfahren
Wer E-Bikes nur als Alternative zum klassischen ausschließlich muskelbetriebenen Fahrrad betrachtet, unterschlägt ein paar Aspekte. Pedelacs – so nennt man die Elektroräder auch – boomen nicht zuletzt deshalb, weil sie Menschen aufs Rad bringen, die sonst im Auto säßen. In Tirol zeigt sich das besonders deutlich. Nirgendwo setzt sich das E-Bike schneller durch. Nirgendwo werden mehr E-Bikes verkauft. Nirgendwo herrscht eine ähnlich hohe Nachfrage nach den Spitzenmodellen und Produkt-Innovationen. Wer in Höhenlagen wohnt und auf dem Weg zur Arbeit, zum Bäcker, in den Supermarkt oder wohin auch immer ständig Steigungen zu bewältigen hat, der weiß die Unterstützung aus dem Ionen-Akku eher zu schätzen als Flachlandbewohner. Doch auch außerhalb von Bergregionen macht der Elektroantrieb das Fahrradfahren für viele Menschen attraktiv. Zum Beispiel für ältere Menschen, oder im Rehabilitations-Sport. Bereits heute ist jedes X. verkaufte Fahrrad ein E-Bike. Das Marktpotenzial, sei längst noch nicht ausgeschöpft, heisst es.
Der Boom wird weitergehen
Natürlich geht es so manchem Radsportler noch immer gehörig auf die Nerven, wenn er von einem untrainierten Hobbyradler auf dem E-Bike überholt wird. Doch viel der anfänglichen Kritik an der Elektrisierung des Fahrrads wird in letzter Zeit immer verhaltener geäußert. Für viele Zweifler stellt sich weiterhin die Frage nach der Energieeffizienz von Pedelacs. Was kann nachhaltig daran sein, sein Fahrrad regelmäßig mit Strom aufzuladen? Bei der Radlobby Österreich heißt es dazu: „Aufgrund des geringen Gewichts sind Elektro-Fahrräder sehr energieeffizient – mit dem Jahresstromverbrauch eines Kühlschranks fährt man 15.000 Kilometer mit dem Elektrofahrrad!“. Stimmt – ein Fahrrad ohne Akku und Motor kommt mit dem Jahresstromverbrauch eines Kühlschranks sehr viel weiter. Die Verlockungen der Elektromobilität auf dem Fahrrad wird das jedoch kaum schmälern. Bisher spielt sich der E-Bike-Boom vor allem bei Mountain Bikes, City- und Trekkingrädern ab. Das hängt auch mit der gesetzlich vorgeschriebenen Begrenzung der elektrischen Unterstützung auf 25 km/h zusammen. „Beim Rennrad fahre ich noch ohne E-Unterstützung“ erklärt auch Bernhard Kohl. Über das nachgeschobene „wirklich“ muss er selbst lachen. „Die Unterstützung gibt’s ja nur bis 25 km/h. Das wäre mir zu langsam.“
Am Großglockner hat der Antriebs-Hersteller Bosch eBike Systems gemeinsam mit dem Fahrradhersteller Haibike die Vorzüge der gemeinsamen Technologie präsentiert. Dazu wurde unter anderem BIORAMA eingeladen.