Waldorf Sommerfest Klagenfurt – 2.Juni
Am 2. Juni 2012 veranstaltet der Waldorfkindergarten Klagenfurt ein großes Sommerfest. Im Vorjahr kamen über 1000 Besucher und Besucherinnen. Eine nicht unerhebliche Zahl für ein Kindergartenfest und es stellt sich die Frage, was so viele Menschen am Konzept Waldorf interessiert und fasziniert. Biorama sprach mit einer Erzieherin des Waldorfkindergartens Klagenfurt und berichtet in einer Reportage nach dem Fest über die Hintergründe der oft gelobten aber auch viel kritisierten Waldorfpädagogik.
Die Waldorf-Pädagogik geht auf Rudolf Steiner, den Begründer der Anthroposophie zurück. Was sind die zentralen Inhalte und Begriffe dieser Lehre?
In der Anthroposophie wird der Mensch als sich zur Freiheit entwickelnde Wesen gesehen. Sowohl in der einzelnen Biographie, als auch in der Bewusstseinsentwicklung der Menschheit werden laut Steiner bestimmte Etappen durchschritten, die – wenn man ihre Gesetzmäßigkeiten erfasst und berücksichtigt – die Grundlage für Gesundheit und individuelles Wachstum bilden.
Wie unterscheidet sich die Erziehung in einem Waldorfkindergarten von der Erziehung in einem „herkömmlichen“ Kindergarten?
Der Waldorfkindergarten ist definitiv anders – und das fällt auch auf. Sei es in der Raumgestaltung mit dem Jahreszeitentisch, der je nach Saison neu gestaltet wird, oder bei den Naturspielsachen (einfache Klötze, Wurzeln und Steine), die zum freien Spiel einladen. Auch die Essenszeiten haben den Sinn, Struktur und damit Orientierung in das Leben der Kinder zu bringen. Sie richten sich nach einem Wochenrhythmus (jeden Montag Reis, jeden Dienstag Hirse usw.). Dieser Rhythmus setzt sich auch beim Geschichtenerzählen fort. Märchen werden im 3-Wochenrhythmus von den ErzieherInnen frei erzählt. Es gibt regelmäßig Puppenspiele und jede Woche das Malen mit Aquarellfarben, das Kneten mit Bienenwach und und und… Rhythmus ist in jedem Fall einer der Grundpfeiler der Waldorfpädagogik. Dabei geht es nicht um ein starres Ritual, welches zelebriert wird, sondern um ein Ein- und Ausatmen. Ausserdem veranstalten wir jedes Jahr Anfang März einen Tag der offenen Tür in unseren Kindergärten. Am spannendsten für mich sind dabei die Reaktionen der Eltern, die das erste Mal den Kindergarten betreten. Sie reichen von „Mah schau mal wie liebevoll“ bis- „Da gibt’s ja fast nix“. Auf den Waldorf Kindergarten muss man sich also auch erstmal einlassen.
Verschiedene historische Epochen haben verschiedene Definitionen der Lebensphase Kindheit hervorgebracht. Wie wird das Kind an sich im Rahmen der Waldorfpädagogik begriffen?
Die Waldorfpädagogik geht davon aus, dass der Mensch nicht auf die Welt kommt und bei Null anfängt. Jedes Kind trägt bereits Erfahrungen mit sich und bringt diese auf die Erde. Im ersten Jahrsiebt (1.-7. Lebensjahr) (Anm.: in der Anthroposophie werden insgesamt drei Jahrsiebte unterschieden) wenn das Kind also im Elternhaus, der Kinderkrippe oder im Kindergarten ist, wird der physische Leib (Körper) ausgeformt und alle Erfahrungen und Eindrücke prägen ihn für das weitere Leben. Mit Hilfe der Sinne nehmen wir Eindrücke wahr, begreifen die Dinge, ahmen sie nach. Dazu braucht es aber viel Zeit und Raum. Kinder in diesem Alter testen viel aus, bewegen sich viel, sind neugierig und vor allem offen. Sie erleben die Welt durch die Sinne und nicht durch intellektuelle Informationen.
Gibt es in den Waldorfkindergärten eine konfessionelle Prägung oder sonstige Zugangsbeschränkungen (Kosten, Aufnahmevoraussetzungen etc.)?
Grundsätzlich ist jedes Kind und jedes Elternhaus bei uns willkommen. Wir erwarten uns jedoch zum Gelingen der Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Pädagoginnen die Bereitschaft, sich mit unserer Pädagogik auseinanderzusetzen. Nachdem wir ein privater Kindergarten mit Öffentlichkeitsrecht sind und nur zu 60% gefördert werden, gibt es bei uns einen Kindergartenbeitrag und die Eltern werden mit dem Eintritt der Kinder Mitglied im Waldorfschulverein, der der Träger von Kleinkindgruppe, Kindergarten und Schule bis zur Matura ist. Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist uns also sehr wichtig. Das drückt sich auch durch Aufnahmegespräche, Elternabende, gemeinsame Arbeiten und Feste aus.
Welche Ausbildung benötigt man als Erzieher bzw. Erzieherin, wenn man in einem Waldorfkindergarten arbeiten will?
In Kärnten ist es leider so, dass die Ausbildung zur Waldorfkindergärtnerin bzw. zum Waldorfkindergärtner nicht ausreicht, um eine Gruppe leiten zu können. Dazu benötigt man eine staatliche Ausbildung. Andererseits genügt es auch nicht nur eine staatliche Ausbildung zu haben, es sind also beide Ausbildungen von Nöten. Zur Zeit gibt es eine Ausbildungsstätte zur Waldorfkindergartenpädagogin in Wien und eine in Salzburg.
Im letzten Jahr kamen über 1000 Besucherinnen und Besucher zum ihrem Sommerfest. Wie erklären Sie sich diesen Zulauf, der ja für ein lokales Kindergartenfest doch etwas ungewöhnlich ist?
Wir selbst standen dieser Größenordnung zunächst sehr skeptisch gegenüber. Die Waldorfpädagogik will und muss nicht nach außen lautstark schreien, wie toll sie ist, denn sie lebt von der inneren Kraft. Das ist aber gleichzeitig auch das große Dilemma, denn so verkehrt sie nur in „ihren“ Kreisen. Dass es auch anders geht, haben wir mit diesem Fest eindrucksvoll bewiesen. Ein starkes Team von mutigen Eltern, Kindergärtnerinnen und Freunden hat ein Fest der Sinne auf die Beine gestellt und mit viel Freude und Zuversicht tausende Menschen herbeigelockt. Im Waldorfkindergarten feiern wir Feste anders und jeder, der dies miterlebt, weiß davon – es geht um ein Miteinander und das können wir in der heutigen Zeit mehr als dringend brauchen.
Beim Stichwort „Waldorf“ hört man oft: Waldorf-Kindergarten ok, aber Waldorf-Schule, niemals! Begründet wird diese Anschauung mit den viel kritisierten Lehrinhalten, dem relativ späten Erlernen von Lese- und Schreibfertigkeiten und der spirituell orientierten – und damit unwissenschaftlichen – Anthroposophie als Leitlinie der Schulen. Was würden Sie diesen Punkten entgegnen?
Auch in unserem Kindergarten gibt es viele Eltern, die ihre Kinder in den Kindergarten schicken und dann eine andere Schule wählen, was nicht immer nachvollziehbar ist, denn man entscheidet sich schließlich für eine bestimmte Pädagogik. Und warum sollte diese im Kindergarten wichtig sein, in der Schulzeit aber nicht mehr? Ja, vielleicht lernt man manche Inhalte tatsächlich später oder anders, aber ist das so wichtig? Ein ganz banales Beispiel: Mütter vergleichen liebend gerne ihre Kinder : „Meines kann schon gehen, und deines?“ Ist es wichtig, ob ein Kind einen Monat früher oder später gehen kann? Nein. Wichtig ist, dass es gehen kann und welche Erfahrungen es dabei mit sich und der Umwelt gemacht hat. Denn das nimmt das Kind für sein späteres Leben mit. Leider geht der Trend immer mehr in die Richtung, dass Wissen und Bildung über allem stehen. Im Waldorfkindergerten eignen sich die Kinder von heute Fähigkeiten an, damit sie mit dem Wissen von morgen umgehen können. Am Wichtigsten bei uns ist immer noch der Mensch selbst, und nicht sein Schein.
Waldorf Familien-Sommer-Fest mit großem Handwerksmarkt, Verkaufsständen, Workshops, Spielen und Kulinarik
Termin: Samstag, 2. Juni 2012, von 10 bis 17 Uhr (Regenersatztermin am Samstag, 9. Juni 2012, von 10 bis 17 Uhr)
Ort: Waldorfkindergarten, Linsengasse 21, Klagenfurt