»Für uns ist das leider inzwischen Normalität«
Hitzewellen und staubtrockene Erde bereiten jeden Sommer aufs Neue den Weg für Waldbrände in Niederösterreich.
Ende Juni verletzen sich mehrere Feuerwehrleute bei einem Waldbrand bei Scheiblingstein, den 123 Einsatzkräfte mit vereinten Kräften löschen konnten. Der Anstieg solcher Brände ist mit dem Klimawandel verbunden – ein Fakt, mit dem vor allem die Feuerwehr kämpfen muss. Statistiken des Instituts für Waldbau der BOKU Wien belegen, was die Feuerwehr bereits aus täglicher Erfahrung weiß: Waldbrände nehmen in Österreich zu. Von März bis Mai 2018 waren es bereits 55, im Jahr 2017 waren es insgesamt 263, viele davon ausgelöst durch Blitzschläge. Franz Resperger vom NÖ-Landesfeuerwehrverband erklärt, wie die Feuerwehr auf die wachsende Gefahr reagiert.
Biorama: Herr Resperger, wenn man sich die Statistiken ansieht, wird deutlich, dass die Zahl der Waldbrände zwar schwankt, aber langfristig sicherlich nicht abnehmen wird – deckt sich das mit Ihrem Eindruck?
Resperger: Ja, von einem Rückgang ist in Zukunft nicht auszugehen. Wir sind in ständigem Austausch mit der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien, wo wir auch unlängst wieder zum Gespräch waren. Wir wollten natürlich wissen, wie sich das Wetter entwickelt und was wir zukünftig zu erwarten haben. Man hat uns ganz klar mit auf den Weg gegeben, dass wir in Zukunft mit deutlich mehr saisonalen Unwettern und in der Folge mit mehr Waldbränden aufgrund der Klimaerwärmung rechnen müssen.
Wie gehen Sie als Feuerwehr mit dieser erhöhten Gefahr um?
Da gibt es zwei Ebenen. Einerseits appellieren wir an die Eigenverantwortung der Menschen, denn man kann als Feuerwehr nicht überall gleichzeitig sein, auch wenn wir innerhalb von Minuten mit hundert Mann unterwegs sind. Andererseits ist das für uns ja auch kein neues Phänomen. Die Feuerwehr rüstet seit Jahren für den Katastrophenschutzbetrieb auf. Es wird uns nur immer wieder bestätigt und durch die Unwetter vor Augen geführt, dass der Klimawandel stattfindet.
Gerade aus den USA kennt man Bilder von horrenden Waldbränden. Wäre dieses Ausmaß in Österreich auch möglich?
Der große Unterschied zu den USA ist das System der freiwilligen Feuerwehr. In Kalifornien haben sie alle paar hundert Kilometer mal einen Feuerwehrposten mit zehn Leuten – wie sollen die das leisten? In 99 % der Fälle können wir einen Waldbrand in der Entstehungsphase bekämpfen, weil wir so flächendeckend mit Feuerwehren ausgestattet sind und Flugdienste in allen Vierteln des Bundeslandes haben. Weil das bei uns so schnell funktioniert, gibt es diese großflächigen Waldbrände eher selten.
Gibt es speziell für Wald- und Flurbrände Vorbereitungen, die Sie treffen?
Flurbrände sind bei uns schon das Tagesgeschäft und Waldbrände sind zur Routine geworden. Die Flugdienste sind jetzt stärker sensibilisiert, aber für die Feuerwehr ist es nicht viel anders als ein Verkehrsunfall: Die Sirene heult, die Feuerwehrleute laufen zum Feuerwehrhaus und wandern dann zum Waldbrand. Das muss man natürlich üben. Wenn der Flugdienst mit Hubschraubern im Einsatz ist, erfordert das eine ganz eigene Logistik. Waldbrände sind sehr kräftezehrend und können schon mal mehrere Tage dauern. Das wird natürlich in den gefährdeten Gebieten regelmäßig geübt. Wir haben uns darauf eingestellt und sind entsprechend mit Gerätschaften ausrüstet. Für uns ist das leider inzwischen Normalität und wir haben gelernt, damit zu Leben. Diese Szenarien werden uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte verfolgen.
Citizen Science: Fire Database
Die Waldbrand-Datenbank Österreich ist ein Projekt der BOKU Wien, das genaue Daten zu sämtlichen Bränden in Österreichs Natur erhebt. Verzeichnet sind aktuell um die 5.500 Brände, die auf der Website nach Fläche, Art und Ursache gefiltert werden können. Die Plattform zeigt die Brandorte auf einer Karte an und spuckt Statistiken zu verzeichneten Bränden seit 1993 aus. Dabei baut die BOKU ganz nach dem „Citizen Science“-Prinzip auf die Mithilfe der Bevölkerung: Über ein Formular können detaillierte Meldungen aktueller und historischer Waldbrände eingebracht werden. Hier kann, falls bekannt, auch die betroffene Baumart, Vegetation, sowie die Brandursache und Branddauer angegeben und Foto und Videomaterial hinzugefügt werden.
http://fire.boku.ac.at/firedb/
Niederösterreichischer Feuerwehrflugdienst
Die 126 Flughelfer des Feuerwehr Sonderdienstes sind auf die vier Flugdienststationen Niederösterreichs verteilt: Amstetten, Dobersberg, Wiener Neustadt und die Landes-Feuerwehrschule in Tulln decken alle Gefahrengebiete ab. Sie bieten akute Hilfe mit Flächenflugzeugen und Helikoptern, die bei Waldbränden mit Löschbehältern beladen werden. Außerdem gehören Beobachtungsflüge während Trockenperioden und Einsätze bei Hochwasser zu ihren Aufgaben. Die Flugzeuge und Hubschrauber sind nicht in Besitz der niederösterreichischen Feuerwehr. Es werden entweder die Fahrzeuge des Innenministeriums oder von zivilen Flugzeugbesitzern genutzt.
BIORAMA Niederösterreich #2