»Vorfreude kaufen«: in kleinen Läden und im Stammlokal

»Stell dir vor, es ist Krise und keiner bestellt bei Amazon.« Nunu Kaller listet lokale Läden, die auch online versenden. Gespräch über eine geglückte Ruckzuckaktion

Nunu Kaller – hier fotografert von Flo Waitzbauer – möchte helfen, lokale Läden am Leben zu erhalten.

Die Hashtags sind Programm: #solidarität und #quickanddirty. Und der Wunsch als Gedanke – »Stell dir vor, es ist Krise und keiner bestellt bei Amazon.« – ein hehrer. Noch ein paar Tage bevor Amazon verkündete, in den USA 100.000 neue Angestellte zu suchen und klar war, dass in Österreich die Läden auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben, befürchtete Nunu Kaller, dass ausgerechnet die geschickt steueroptimierenden Konzerne von der Coronakrise profitieren würden, während es den vielen kleinen UnternehmerInnen – dem vielzitierten Rückgrat unseres Wirtschafts- und Sozialsystems – an die Existenz geht. »Der Gedanke, dass die Krise jetzt Kleine umbringt, während die globalen Riesen weiter wachsen, dem will ich etwas entgegensetzen«, begründete sie ihre Aktion: eine Liste, anfangs handverlesen, mit kleinen Läden, die auch Online-Bestellungen entgegennehmen. Viele ließen sich vom Ärmel-hoch-Spirit der Buchautorin (zuletzt »Fuck Beauty«), ehemaligen NGO-Pressesprecherin und Fast-Politikerin mitreißen, schickten Vorschläge.

Lieblingslokale und Läden retten

Auch andere wurden aktiv. Mit der Kampagne »Vorfreude kaufen« versuchen mit Nina Mohimi, Sebastian Hofer und Konstantin Jakabb drei WienerInnen, die sonst leidenschaftlich gerne gut auswärts essen ihre Lieblingslokale zu retten. Die Idee dahinter: Stammgäste kaufen jetzt Gutscheine in ihrem Lieblingslokal »damit unsere Lieblingslokale später wieder aufsperren können«. Auch der Way-to-Passion-Blog von Reinhard Herok möchte zum Kauf von Gutscheinen kleiner Unternehmen motivieren. Und Natur im Garten hat für die Bundesländer Niederösterreich, Steiermark, Tirol und Wien eine Übersicht erstellt, welche Gärtnereien Kräuter und Gemüsepflanzen nach Hause liefern.
Nunu Kaller hat ihre Liste mittlerweile überarbeitet, neu strukturiert, die Website war ob des Ansturms zwischenzeitlich sogar kurz down. Nun sind vor allem UnternehmerInnen aufgerufen, ihre eigenen Angebote zu ergänzen und möglichen KundInnen die Vielfalt des lokalen Angebots aufzuzeigen. Die müssen es nun nur annehmen.

Ein Gespräch – streng genommen ein per Mail geführtes Interview – über eine Ruckzuckaktion, die weite Kreise zog:

Üblicherweise hast du sehr strenge Standards, welche Produkte du empfiehlst, Stichwort Fairtrade, Stichwort Bio-Zertifizierung. Hast du die Shops, die du nun verlinkst und denen du damit eine Plattform gibst, diesbezüglich gecheckt?
Nunu Kaller: Ja, das stimmt, ich finde es sehr wichtig, dass wir unseren Konsum fair und ökologisch gestalten. Aber momentan geht es um etwas anderes: Es geht darum, dass wir unsere Wirtschaft als Gesamtes retten. Österreichs Wirtschaft besteht zu sechzig Prozent aus kleinen Unternehmen und Ein-Personen-Firmen. Sehr viele von denen stehen jetzt mit einem Schlag vor dem Ruin – und das bricht mir das Herz, wenn engagierte Leute, die den Mut zur Selbstständigkeit beweisen, schuldlos in so eine Situation kommen. Außerdem ist es jetzt wichtig, dass das Geld im Land bleibt, denn nur, wer hier Steuern abführt, hilft bei der Erhaltung unseres Gesundheits- und Sozialsystems mit. Große Konzerne mit Steuerschlupflöchern tun das nicht.

Gibt es Shops, die dir empfohlen wurden oder deren BetreiberInnen sich bei dir gemeldet haben, die du nicht in deine Liste aufgenommen hast?
Ich habe bisher einige ablehnen müssen, die einfach nur ihre Website verlinkt haben wollten, aber im Moment wirklich kein Angebot stellen. Das tut mir sehr leid, aber das würde die Seite sprengen. Für Gutscheine für später hat die wunderbare Stefanie Kurzweil eine eigene Seite angelegt: www.zusammen-leiwand.at, und auch die ganzen PsychotherapeutInnen und BeraterInnen laufen jetzt auf einer Seite von ihr, weil das meine Ressourcen gesprengt hätte. Einen Webshop habe ich bisher abgelehnt, ein Waffengeschäft. Das kann ich einfach nicht.

Die allermeisten der gelisteten Shops haben nun geschlossen, versenden aber prinzipiell online Bestelltes. Hast du darüber nachgedacht, dass für sie manche Produkte momentan selbst womöglich gar nicht liefer- bzw. verfügbar sind?
Ja, das ist sicherlich so – aber steht für mich derzeit noch im Hintergrund. Momentan können wir nur von Tag zu Tag schauen, was das ganze Leben sehr interessant macht. 

Deine Liste ist u.a. in die Kategorien Bücher, Kleidung, faire Shoppingportale, Schmuck, Taschen und Accessoires, Essen und Trinken, Kosmetik, Fürs Kind oder Möbel und Wohnen gegliedert. Du verlinkst aber auch Agenturen und Anbieter von Dienstleistungen. Ist es nicht ein bisschen beliebig, in deiner Liste selektiv Praxen zu verlinken, die Paar- oder Sexualberatung anbieten? Schließlich bietet das kein Global Player an, oder?
Nochmal, darum geht es jetzt nicht, es geht mir ganz klar darum, aufzuzeigen, wie viele engagierte UnternehmerInnen im Land sind, die es verdient haben, dass man zuerst an sie denkt. Und ich glaube, dass es gut ist, wenn da zivilgesellschaftlich jetzt viel passiert. Wir müssen uns gegenseitig helfen.

Ich nehm an, du kanntest nicht alle Läden, die du nun verlinkt hast. Was sind denn Shops, auf die du über deine eigene Liste neugierig geworden bist?
Einerseits gab es ein paar Einträge, die ich sehr kreativ gefunden habe, von den Kräutermischungen für Hunde bis zu den handbemalten Quietscheentchen – andererseits habe ich blöderweise ein paar sehr spannende neue fair und ökologisch produzierende Modelabels entdeckt :).

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