Vienna Shares – Ohne Geld viel Musi

Bild: Vienna Shares

Bild: Vienna Shares

In der „No-Money-Zone“ von Vienna Shares kann man Dinge, Wissen, sowie Ideen teilen. BIORAMA hat sich mit den Organisatoren von Vienna Shares über’s Teilen unterhalten.

Teilen statt kaufen – Vienna Shares ist eine Non-Profit-Organisation, die die Menschen in einer Stadt durch das Teilen wieder zusammenbringen soll. In der „No-Money-Zone“, die erstmals am Herbstfest des lokalen Gemeinschaftsgartens der Salat Piraten „getestet wurde“, gibt es dafür viele Möglichkeiten: ein Basteltisch für Gutscheine, Rezepte sowie Gemeinschaftskunst, ein Bügeltisch, ein Friseurstand und ein Tauschtisch. Die Kombination aus Dienstleistungen und physischen Gegenständen macht es möglich, für einen Haarschnitt ein Buch einzutauschen. Was man sonst noch tauschen kann? BIORAMA hat sich mit Mirjam de Klepper, Georg Demmer und Nina Duda unterhalten.

BIORAMA: Die Idee des Sharings ist in den letzten Jahren gewachsen. Mit euren Veranstaltungen leiht ihr nicht nur Dinge, sondern auch Wissen, Ideen und Inspiration. Was bedeutet Sharing für euch?

Mirjam: Wir wollen einen Austausch ermöglichen, der Leute mit verschiedenen Skills zusammenbringt. Das geht vom Haarschnitt bis hin zu verschiedenen materiellen Dingen. Dafür braucht man dann auch weniger Geld. Natürlich geht es auch nicht ganz ohne, aber es gibt schon so viel, für das man nicht unbedingt Geld braucht. In dieser Weise kann dann auch eine ganze Stadt bzw. Nachbarschaft miteinander teilen.

Nina: Ich finde, dass Sharing bedeutet, dass man neben dem existierenden monetären Wirtschaftssystem ein paralleles Wirtschaftssystem schafft. Wir leben in einer Großstadt, wo relativ wenig Platz vorhanden ist, und haben eben ökonomisch als auch platztechnisch nicht die Möglichkeit, alles zu besitzen – und notwendig ist es auch nicht.

Bild: Vienna Shares

Bild: Vienna Shares

Momentan gehen wir noch sehr achtlos mit den endlichen Ressourcen um, doch dieses Verhalten wird früher oder später aufhören müssen. Wie denkt ihr über Teilen als Wirtschaftsmodell?

Georg: Wir leben in einer globalen Welt. Wenn ein Land oder eine Region zu so einem System übergehen würde, bestünde rundherum trotzdem ein vernetztes Wirtschaftssystem. Daher kann es nur als Parallelsystem funktionieren und nicht anstelle eines bestehenden Systems. Auf der einen Seite, weil ein vernetzter und globaler Markt existiert und auf der anderen Seite, weil es ganz ohne Fiskus, also Steuern, die Straßen- und Grundversorgung gewährleisten, auch nicht funktioniert. Wenn alles nur getauscht werden würde, gäbe es keine Steuern.

Nina: Ich glaub das wäre zu idealistisch. Es ist zwar ganz schön, dass es Leute gibt wie uns, die das Tauschen fördern und fordern, aber dass da jetzt wirklich die Wirtschaft darauf umgestellt wird, denke ich nicht.

Mirjam: Wir sind realistische Idealisten. Ich glaube nicht, dass wir mit Vienna Shares eine ganze Welt umstellen können. Gerade in Österreich schätzen wir das ziemlich gut funktionierende Sozialsystem.

Bild: Vienna Shares

Bild: Vienna Shares

Die „No-Money-Zone“ hat im Rahmen des Herbstfestes der Salat Piraten stattgefunden. Was sind die Salat Piraten und was haben die mit euch zu tun?

Georg: Ich bin Obmann der Salat Piraten, einer kleinen, gemeinschaftlichen-organisierten, urbane Landwirschaft. Wir bewirtschaften eine kleine Fläche von 300m² mitten im 7. Wiener Gemeindebezirk in der Kirchengasse. Wir versuchen Nutzpflanzen in die Stadt zu bringen und zu zeigen, dass es möglich ist, auch hier Pflanzen anzubauen, die zum Verzehr geeignet sind. Wir machen das alles sehr gemeinschaftlich und sind ca. 20 Mitglieder. Die Salat Piraten organisieren zwei mal im Jahr ein Marktfest – einmal im Frühling zu Saisonbeginn und einmal im Herbst in der Erntezeit. Da versuchen wir den Platz zu füllen und mit einem Marktkonzept zu bespielen. Dieses Mal gab es eben auch den Tauschmarkt mit Vienna Shares. Nächstes Jahr wollen wir eine Samen- und Stecklingstauschbörse machen, weil wir einfach mehr Vielfalt brauchen.

Mit wem arbeitet Vienna Shares noch so zusammen?

Mirjam: Vienna Shares soll vor allem eine „Umbrella Organisation“ sein, also eine Organisation, die mehrere Organisationen und Vereine verbindet. Da sind vor allem Leila, Co-Space und Foodsharing dabei. Auch Global 2000 hat uns unterstützt, indem sie uns ihre Tische geliehen haben. Solche Partner werden dann wiederum von uns unterstützt, um gemeinsam mehr Reichweite zu erlangen. Denn nicht nur die Community sollte sich aufbauen, sondern auch die Organisationen – und da gibt es noch genug Raum, um das auszubauen.

Bild: Vienna Shares

Bild: Vienna Shares

Ihr schreibt auf eurer Website, dass einige Menschen bei der ersten „No-Money-Zone“ Probleme hatten, die eigenen Dinge zu (be)werten. Woran denkt ihr liegt es?

Nina: Ich glaube wir sind es einfach nicht gewöhnt, den Dingen und Fähigkeiten einen anderen Wert zu geben, als den monetären. Das ist auch ein wichtiges Ziel für uns: die Bevölkerung in diese Richtung zu sensibilisieren.

Mirjam: … vor allem, dass man nicht in erster Linie daran denkt, wie viel Geld man für etwas ausgeben würde, sondern wie viel es einem persönlich wert ist. Kleidung ist ein gutes Beispiel dafür: Du kaufst dir eine Jacke, die vielleicht ganz viel gekostet hat – oder auch ganz wenig – und trägst sie nie und sie hat keinen großen emotionalen Wert für dich. Natürlich willst du aber auch nicht, dass sie einfach verschwindet. Also tauscht du sie und bekommst dafür ein gutes Gefühl, weil die Jacke wieder einen Nutzen hat.

Sharing, Economy, Making, Hacking: Was haben die vier Begriffe miteinander zu tun?

Mirjam: Es gibt sehr viele Tauschsysteme, die man vor allem online findet. Wenn das Wissen online oder in einem Grätzel ist, dann bleibt es auch dort. Deswegen heißen wir auch „Vienna Shares“, weil wir über das Grätzel hinaus Wissen, Dinge und Skills tauschen und verbreiten wollen. Somit verbinden wir die Stadt mehr und sorgen für mehr Wohlbefinden. Vielleicht sucht jemand einen Grafiker und erinnert sich daran, dass er einen in der „No-Money-Zone“ kennengelernt hat. Sharing, Making, Hacking, Economy – es ist egal wie und was du machen willst, zusammen geht es einfach besser. Denn jeder hat Interessen und ist in etwas besonders gut. Zum Thema Hacking: Es gibt ja die Idee des Lifehackings, wo man Produkte umfunktioniert, um danach etwas zu haben, bei dem die Funktionalität des Produkts individuell verbessert wird – eine Zweckentfremdung eben.

Apropos online: Im Internet wird viel geteilt, besonders Wissen. Setzt Vienna Shares das um, was beispielsweise Facebook-Sharing-Gruppen online machen?

Georg: Nein. Uns ist wichtig, offline und online eine Verbindung zu finden. Wir haben ja eine Website, die ein englischsprachiges Magazin ist, um auch für nicht-deutschsprachige Wiener und Wienerinnen zugänglich zu sein. Das ist unser erste Schritt: also die Plattform, Vernetzung, das Magazin und Informationsmöglichkeit für jeden. Die Märkte sind dann fortlaufende Offline-Projekte, um die ganzen Online-Informationen und -Ideen sichtbar zu machen. Wir arbeiten aber auch an Lösungsmöglichkeiten, wie wir dieses System weiter entwickeln können, um das Tauschsystem zu verbreiten. Wie wir das konkret in der Zukunft umsetzen wollen, werden wir sehen. Wir haben sehr viele Ideen bisher, befinden uns aber noch am Anfang.

Mirjam: Das Anonyme im Internet macht die Leute auch etwas unhöflich. Klar freuen sich die Leute, wenn sie etwas gratis bekommen, und das ist auch gut so. Wir wollen aber keinen alten Ramsch loswerden, sondern es geht viel weiter. Vienna Shares hat einen Mehrwert im Vergleich zu anonymen Tauschbörsen, weil wir uns auf einer viel persönlicheren Ebene bewegen.

Worauf kommt es beim Teilen an?

Georg: Dass beide glücklich sind. Das Ergebnis sollte eine Win-Win-Situation und nicht das genaue Ausrechnen eines Wertes sein. Wenn man den genauen Wert ausrechnen will, dann geht es sich nicht aus und somit braucht man den Zwischenschritt einer Währung. Deswegen muss auch eine Flexibilität vorhanden sein.

Nina: Ja! Das finde ich auch. Beide sollen daran Freude haben!

Bild: Vienna Shares

Bild: Vienna Shares

www.viennashares.org

VERWANDTE ARTIKEL