Versteckte Käfigeier
Immer noch finden Eier aus Käfighaltung ihren Weg auf österreichische Teller. Warum wir derzeit noch genauer hinsehen und nachfragen sollten – und das auch was bringt.
Seit 2020 ist Käfighaltung von Hühnern in Österreich verboten. Die Kennzeichnungspflicht für Frischeier hat ermöglicht, dass sie im Einzelhandel schon zuvor kaum mehr nachgefragt und schließlich nicht mehr angeboten wurden. Dass allerdings im Rührei am Frühstücksbuffet oder in der Frischei-Pasta im Kühlregal teilweise immer noch Eier aus Käfighaltung stecken, wissen die wenigsten. Das liegt daran, dass bei verarbeiteten Eiern nicht angegeben werden muss, unter welchen Bedingungen sie produziert wurden. So landen importierte Eier aus Käfighaltung auf den Tellern der KonsumentInnen, ohne dass diese darüber Bescheid wissen. »Ich kaufe doch nur Bioeier aus Freilandhaltung« hat dabei gerade mal einen Einfluss auf die Hälfte aller konsumierten Eier, bei der anderen Hälfte haben die KonsumentInnen (noch) nicht viel mitzureden.
Bisher einzigartige Kennzeichnungspflicht
Seit 2003 gibt es in der Eierindustrie eine Kennzeichnungspflicht, die die Haltungsform der Hennen für die KonsumentInnen auf den ersten Blick ersichtlich machen soll. Sie unterliegt einer EU-weiten Norm. Dabei wird auf einer Skala von null bis vier die Haltungsform angegeben. Null steht dabei für Biohaltung, die Vier für Käfig- oder Kleingruppenhaltung. Hinter dieser auf das Ei gedruckten Zahl steht die Länderkennzeichnung und anschließend die Erzeugerbetriebs- oder Stallnummer. Diese EU-weite Kennzeichnungspflicht ist bisher einzigartig in der industrialisierten Landwirtschaft. Man könnte meinen, durch sie wurden nach und nach die Käfigeier aus den Einkaufswägen verbannt – doch dem ist nicht so.
Käfigeier in Österreich
Die Kennzeichnungspflicht gilt nur für Frischeier, also die Eier, die als unverarbeitetes Produkt im Supermarkt gekauft werden. Über die Hälfte aller konsumierten Eier werden in Österreich allerdings entweder außer Haus konsumiert oder in Form von verarbeiteten Produkten gekauft. Laut Statistik Austria werden jährlich 378 Millionen verarbeitete Eierprodukte nach Österreich importiert. Von allen konsumierten Eiern landen 66 Prozent in der Gastronomie, die Haltungsform muss hier dem Gast nicht angegeben werden. Wobei, wie die Tierschutzorganisation Vier Pfoten hinweist, hier selten Frischeier verwendet werden, sondern das kostengünstigere Flüssigei aus Kanistern. So finden trotz des 2009 in Österreich eingeführten Verbots der konventionellen Käfighaltung immer noch Käfigeier ihren Weg ins Land. Vier Pfoten fasst zusammen: »Wie viele tatsächlich aus Käfighaltung sind kann man daher nicht sagen.«
Sogenannte »ausgestaltete Käfige«, in denen die Hühner nur minimal mehr Platz als in den herkömmlichen Legebatterien haben, waren noch bis 2019 erlaubt und sind nun ebenfalls verboten. Laut Angaben der Landwirtschaftskammer Steiermark stammen 40 Prozent der verarbeiteten Eier aus Österreich, 60 Prozent werden importiert. Die Hauptimporteure sind dabei laut Statistik Austria Deutschland, Tschechien, Polen und Kroatien – Länder, in denen teilweise die Käfighaltung immer noch das vorrangige Haltungssystem ist.
Die Zentrale Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Geflügelwirtschaft (ZAG) gibt ein Beispiel für den Preisunterschied von Import- und heimischen Eiern. Demnach kostet aus der Ukraine importiertes Volleipulver aus Käfighaltung mit Importzoll etwas mehr als fünf Euro pro Kilo, österreichisches Volleipulver ist mit acht Euro pro Kilo wesentlich teurer.
Verbot des Kükentötens
Nach dem EU-weiten Verbot der Käfighaltung wurde nun in Deutschland eine weitere Maßnahme getroffen, die die Tierhaltung in der Eier- und Geflügelindustrie verbessern soll. Der im September 2020 eingereichte Gesetzesentwurf sieht ab 2022 ein Verbot des Kükentötens vor. Es ist gängige Praxis, dass die männlichen Geschwister der Legehennen nach dem Schlüpfen getötet werden. Das liegt daran, dass die in der Industrie verwendeten »Hybrid-Hühner« entweder speziell für die Eierproduktion oder für die Mast gezüchtet werden. Die Brüder der Legehennen setzen zu wenig Fleisch an, um für die Mast rentabel zu sein.
Zwei alternative Lösungen, die von den Bioverbänden in Deutschland vorgestellt werden, sind die Bruderhahn-Aufzucht und die Haltung von Zweinutzungshühnern. Beide sind für die konventionelle Industrie allerdings (noch) nicht rentabel.
Bei der Bruderhahn-Aufzucht werden die männlichen Küken durch geringe Aufpreise über den Eierverkauf mitfinanziert, die Hähne brauchen allerdings vergleichsweise lange, um Fleisch anzusetzen, und sind deshalb teuer in der Aufzucht. Zusätzliche Stallungen und der Aufbau einer notwendigen Infrastruktur sind weitere Herausforderungen. Die zweite Alternative, die in der deutschen Biobranche bisher allerdings bei weniger als einem Prozent aller Biohühner umgesetzt wird, ist die Haltung von sogenannten Zweinutzungsrassen. Dabei sollen Hühner herangezogen werden, die sowohl zur Eier- als auch zur Fleischerzeugung gehalten werden können. Aus ethischer Sicht gilt diese Lösung als sehr attraktiv, ökonomisch gesehen allerdings nicht, da die Hennen weniger Eier legen als ihre »Hybrid-Kolleginnen« und die männlichen Hühner auch hier vergleichsweise lange brauchen, um Fleisch anzusetzen, das den VerbraucherInnen dann häufig zu teuer ist.
Ungewisse Zukunft für männliche Küken
Österreich hat ebenfalls einen Ausstieg aus der Praxis des Kükentötens angekündigt, allerdings gibt es noch keinen ausgearbeiteten Lösungsvorschlag. Michael Wurzer, Geschäftsführer der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Geflügelwirtschaft, erklärt, mit dem für die Umsetzung zuständigen Sozialministerium im Gespräch zu sein, um im Rahmen einer Arbeitsgruppe ein Ausstiegsszenario festzulegen. Bei der zeitlichen Planung des Ausstiegs komme es vor allem darauf an, ob sich das Sozialministerium, das in diesem Fall für Tierschutzfragen zuständig ist, für oder gegen eine Geschlechterbestimmung im Ei entscheide.
Diese sogenannte In-ovo-Geschlechtsbestimmung wird momentan in Deutschland als Lösung für die Umstellung der Industrie angesehen. Die Methode ist jedoch umstritten, da das Geschlecht in der Praxis bisher erst ab dem neunten Tag bestimmt werden kann, die Hühnerembryos aber schon ab dem siebten Tag Schmerz empfinden.
Bioeier in Österreich
Die Biobranche in Österreich geht einen anderen Weg. Laut Angaben von Bio Austria und dem Verein »Land schafft Leben«, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Produktion österreichischer Lebensmittel nachvollziehbar aufzuzeigen, hat sich die Biobranche in Österreich 2015 darauf geeinigt, alle männlichen Küken von Biolegehennen aufzuziehen. Genutzt wird neben der Rasse »Lohmann braun« hauptsächlich die Hühnerrasse »Sandy«. Die Aufzucht der männlichen Küken wird dabei über den etwas teureren Verkauf der Junghennen und über höhere Eierpreise mitfinanziert.
Der Großmarkt in Wien ist der bedeutendste Umschlagplatz Österreichs für den B2B-Bereich (Business to Business). Wie bedeutungsvoll er ist, verdeutlichen die Zahlen: Jährlich werden dort rund 400.000 Tonnen frische Lebensmittel gehandelt, vor allem für die Gastronomie, die Hotellerie, Supermärkte sowie kleinere Märkte. Das Gelände des Großmarkts umfasst rund 30 Hektar, eine Fläche fast so groß wie 43 Fußballfelder. Dort werden 70 Prozent des österreichischen Gesamtumschlags an Obst und Gemüse gehandelt, die Hälfte aller landesweit verkauften Blumen wechselt in der 10.000 Quadratmeter großen Blumenhalle ihre BesitzerInnen.
Schon 2018 wurde durch eine neue Marktordnung der Stadt Wien der Verkauf von Käfigeiern auf allen Wiener Märkten verboten – mit Ausnahme des Großmarkts. Dieser war von der Regelung nicht betroffen, da er nicht der Marktordnung, sondern dem Gewerbe- und Baurecht unterliegt. 2020 wurde beschlossen, dass ab 2023 auch auf dem Wiener Großmarkt keine Käfigeier mehr gehandelt werden dürfen.
Kennzeichnungspflicht für alle Eiprodukte
Um eine konsequente Umstellung der Haltungsformen der Ei- und Geflügelindustrie zu bewerkstelligen, sei es wichtig, eine gesetzlich geregelte Kennzeichnungspflicht für alle Eiprodukte einzuführen – auch in der Außer-Haus-Versorgung und der Lebensmittelindustrie, sagt Wurzer. »Wenn ich als BürgerIn überhaupt keine Möglichkeit habe, mich für ein besseres Produkt zu entscheiden, dann habe ich dort auch überhaupt keinen Einfluss.«
Eine Voraussetzung, dass eine Kennzeichnung von verarbeiteten Eiern nicht zum Nachteil heimischer Betriebe wird, ist eine europaweit einheitliche Regelung. Bisher versorgt sich Österreich zu 86 Prozent mit eigenen Eiern, 2019 kamen rund 130.000 Tonnen Eier aus Österreich. Diese Industrie wäre von einer nicht einheitlichen Regelung gefährdet. Eine verpflichtende Kennzeichnung, die nur in Österreich und nicht in der gesamten EU gilt, »würde den heimischen Agrar- und Produktionsstandort in seiner Wettbewerbsfähigkeit deutlich schwächen«, gibt der Fachverband der Lebensmittelindustrie Österreich in einer Stellungnahme zu bedenken.
Damit die Käfigeier, acht Jahre nach dem EU-weiten Verbot der konventionellen Käfighaltung, nun endgültig von den Tellern verschwinden, muss europäisch gedacht und eine gemeinsame Lösung gefunden werden. »Meine Meinung ist, dass es hier staatliche Regulierungen und EU-rechtliche Bestimmungen zu einer einheitlichen Kennzeichnungspflicht braucht«, fasst Wurzer diese Notwendigkeit zusammen. Wer keine Eier aus Käfighaltung konsumieren möchte, dem bleibt bislang nur: an Kühlregalprodukten, bei denen die Herkunft der verwendeten Eier nicht angegeben ist, einfach vorbeizugehen. Und in jenen Gastronomiebetrieben, die nicht über eine Biozertifizierung verfügen, nicht nur nachzufragen, sondern im Fall des Falles auch dankend abzulehnen.
Eine Alternative zu Eiern aus Käfighaltung bieten nicht nur Bioeier, sondern auch vegane Ei-Alternativen.