Shopcourier: Lokalen Handel im Kampf gegen Amazon stärken

Zustellung im 90-Minuten-Zeitfenster: Shopcourier will den lokalen Handel stärken. Bild: Walter Oberbramberger

Zustellung im 90-Minuten-Zeitfenster: Shopcourier will den lokalen Handel stärken. Bild: Walter Oberbramberger

Veloce stellt mir Shopcourier ein neues Lieferservice vor. Same-Day-Delivery soll dabei als großer Vorteil des lokalen Handels etabliert werden.

Wenn kleine Kinder etwas haben wollen, dann wollen sie es meistens sofort. Ist sofortige Verfügbarkeit ein Grundbedürfnis? Ja, meint Paul Brandstätter, Gründer und Chef von Veloce, dem ersten Fahrradbotendienst in Österreich. Mit dem Lieferservice Shopcourier baut Brandstätter auf der gewachsenen Logistik-Struktur von Veloce ein neues Service auf: Shopcourier will die aktuellen Herausforderungen des lokalen Handels lösen, die Wünsche der Kunden befriedigen, den Verkehr reduzieren und somit die Lebensqualität in der Stadt weiter erhöhen. Wir haben Paul Brandstätter zum Interview getroffen und mit ihm über das Warten auf Pakete, Private-Shopping-Verkehr und Amazons Drohnen gesprochen.

BIORAMA: Andy Warhol hat mal gesagt „The idea of waiting for something makes it more exciting“. Für den Handel mit Produkten gilt das nicht unbedingt?

Paul Brandstätter: Man will ja seinen Tag planen und ich glaube man hat auch andere Sachen zu tun, als auf Pakete zu warten. Bei Shopcourier geht darum, dem Konsumenten eine bequeme Zustellung anzubieten und bequem heißt auch, dass er weiß, wann die Sendung kommt – bei uns ist das ein Zeitfenster von 90 Minuten.

Wird im Handel Erfolg dadurch gemessen, wie schnell die Dinge beim Kunden sind?

Der Konsument trifft seine Kaufentscheidung in erster Linie nach der Verfügbarkeit. Natürlich ist der Preis auch eine wichtige Frage. Handelt es sich aber beispielsweise um einen kleinen Preisunterschied, entscheidet sich der Kunde eher für das teuere Produkte, sofern er es früher bekommt.

Veloce-Chef und Shopcourier-Erfinder Paul Brandstätter. Bild: Veloce

Veloce-Chef und Shopcourier-Erfinder Paul Brandstätter.
Bild: Veloce

Qualität wird dann eher hinten angestellt?

Bei einem gewissen Segment ist sicher auch Qualität ausschlaggebend. Aber viele Konsumartikel sind heutzutage austauschbar bzw. vergleichbar und dann macht der das Geschäft, der es dem Kunden früher liefern kann. Mit unserem Service hat der stationäre, der lokale Handel ein Tool in der Hand, mit dem er dem Kunden einen Vorteil bieten kann, den ein reiner Online-Händler nie haben wird – nämlich den der sofortigen Liefermöglichkeit.

Shopcourier will als Lieferservice den lokalen Handel wiederbeleben und große Händler wie Amazon ausstechen. Ist das ein David-gegen-Goliath-Kampf?

Es ist eher so, dass wir mit Shopcourier einen der stärksten Trends in der Handelsentwicklung vorantreiben. Amazon denkt auch schon darüber nach, stationäre Geschäfte aufzumachen, wie das beispielsweise der Online-Händler Zalando in Berlin bereits getan hat. In fünf Jahren wird es keinen nennenswerten Online-Händler mehr geben, der nicht auch stationäre Geschäfte hat. Der Trend geht weg vom reinen Online-Händler – und mit solchen Services, wie wir sie bieten, ist das leichter möglich.

Shopcourier ist in Wien mit einem Testbetrieb gestartet. Wie ist das Projekt bisher angelaufen? Und ist auch die Ausweitung auf weitere Städte geplant?

Grundsätzlich bieten wir das Service in Wien und inzwischen auch in den großen Landeshauptstädten – Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Klagenfurt – an. Wir planen aber auch weiter hinaus zugehen, in kleinere Städte. Wir haben das Service seit mehr als einem halben Jahr vorbereitet, mit vielen Händlern gesprochen, Kooperationen mit Branchenverbänden wie z.B. mit der Apothekerkammer oder der Fachgruppe der Buchhändler in Wien vereinbart, wir haben namhafte Konsumartikelhersteller und Retailer als Kunden gewonnen und sind mit vielen kleinen und großen Herstellern im Gespräch.

Was wäre eine typische Situation, in der ich als Kundin Shopcourier in Anspruch nehme?

Shopcourier kann auf drei Arten funktionieren: Entweder man ist direkt im Geschäft vor Ort, man ruft dort an oder man ist mit dem Geschäft über seinen Online-Shop verbunden. Wir bieten für alle drei Situationen die Möglichkeit eines Zustellservices und das gesamte Drumherum an.

Fall eins: Der Kunde ist im Geschäft, will seine Einkäufe nicht tragen oder kann sie nicht tragen, oder es wird etwas ausgesucht, das woanders hingeschickt wird. Der Kunde kann den Kauf im Geschäft tätigen und sich den Artikel nachschicken lassen bzw. woanders hinschicken lassen. Fall zwei: Der Kunde kann in seinem Stammgschäft anrufen und sich dort etwas bestellen. Das war bisher schwer möglich, weil ja dann immer die Frage war: Wie kommt das Geld in die Kassa? Unsere Kuriere treten für den Kunden in Vorlage. Sie zahlen also vor Ort, fahren dann zum Kunden, liefern den Artikel und bekommen das Geld vom Kunden wieder zurück. Fall drei: Wir bieten eine Software-Schnittstelle, die der Händler ganz einfach in seinen Online-Shop integriert. Dann kann sich der Kunde dort ein 90-Minuten-Zeitfenster aussuchen, schließt seinen Kauf ab und hat damit auch die Zustellung in diesem bestimmten Zeitfenster gebucht.

Bild: Walter Oberbramberger

Bild: Walter Oberbramberger

Wie viel kostet die Zustellung? Wir nach Gewicht oder Distanz abgerechnet oder gibt es eine Pauschale?

Nachdem wir ja direkt mit dem Händler eine Geschäftsbeziehung haben, ist es auch Sache des Händlers, wie er die Kosten des Services an den Kunden weiter gibt. Die Kosten hängen jedenfalls auch stark davon ab, wie die durchschnittliche Größe oder der durchschnittliche Wert der Artikel ist, die der Händler verkauft. Was man aber durchaus sieht: Die zsutellung kostet im einstelligen Bereich. Wir verrechnen die Aufträge meistens nach Distanz an den Handel.

Der Testbetrieb hat gezeigt, dass Shopcourier die Verkehrsbelastung von privaten Einkaufsfahrten um 50–90% reduziert.

Wir haben unsere bisherigen Aufträge analysiert und ein Einsparungspotenzial von weit über der Hälfte bis hin zu 90% beobachtet. Ein Beispiel-Fall: Ein Kunde legt für einen Einkauf eine Strecke von 17 Kilometern mit dem Auto zurück. Veloce hat in den 90 Minuten, in denen wir die Artikel dem Kunden zustellen, ja auch noch andere Aufträge, die wir kombinieren. Die anderen Aufträge haben z.B. eine Streckenlänge von sechs Kilometer. Für den Kurier kommen mit dem neuen Auftrag jetzt nur 6,5 Kilometer dazu – im Gegensatz zu den 17,2 Kilometern, die der Kunde hätte fahren müssen. Das ist eine Einsparung von über 60%.

Die professionelle Botenlogistik von Veloce, die hinter Shopcourier steht, ist extrem effizient und bestens dazu geeignet, den privaten Shopping-Verkehr ganz gewaltig zu reduzieren. Und immerhin macht der private Shopping-Verkehr in Wien etwa 20–24% vom gesamten Verkehr aus. Wien soll ja in den nächsten Jahren um 10% wachsen, also um 200.000 Menschen. Mit der Verlagerung von privatem Shopping-Verkehr zu Shopcourier könnte man das einfach auffangen.

Sind die Shoppingcenter an der Peripherie eine Konkurrenz zum Konzept von Shopcourier?

Der Bau von Shoppingcentern an den Stadträndern war die Entwicklung der früheren Jahrzehnte. Da sind die Leute dann mit dem Auto hinausgefahren und man hat gesagt: Die Innenstädte werden sterben – sind sie ja zum Teil dann auch. In den letzten Jahren wird allerdings nicht mal mehr am Stadtrand eingekauft, sondern im Internet. Und in Österreich passieren 50% des Online-Handels über das Ausland.

Unser Service ist im Prinzip eine Lösung für den lokalen Handel in der Stadt, für das kleine Geschäft, für die Filialkette. Man erreicht den Einzugsbereich und den Kern der Kunden auf eine bequeme Art. Wir gehen davon aus, dass sich diese Service langsam – weil es ja Gewohnheiten sind, die da geändert werden müssen – durchsetzt und den Handel und das Erleben von Stadt und wie sich ein Stadtbewohner verhält verändern.

Bild: Walter Oberbramberger

Bild: Walter Oberbramberger

Dem Handel auf der Mariahilfer Straße in Wien, die zur Begegnungszone umgebaut wurde, wurde von manchen Wirtschaftsdemagogen schon der Tod vorausgesagt, weil Leute nicht mehr mit dem Auto dorthin einkaufen fahren können. Was ist ihre Meinung dazu?

Harald Frey vom Institut für Verkehrswissenschaften an der TU Wien erklärt, dass der Handel den Anteil der Autofahrer unter seinen Kunden überschätzt. Immer weniger Menschen, die in einer Stadt leben, besitzen ein Auto und selbst wenn, kann man damit nicht alles transportieren. Wer sich dieses Geld spart, ist bereit etwa für Lieferdienste Geld auszugeben. Es widerspricht der Erfahrung der letzten Jahrzehnte, anzunehmen, dass in Einkaufsstraßen mehr umgesetzt wird, wenn Autokolonnen durchfahren.

Shopcourier stellt mit verschiedenen Fahrzeugen, vom Rad bis zum City-LKW, klimaneutral zu. Wer entscheidet wann, welches Fahrzeug für welche Lieferung am optimalsten ist?

Rein aus Kostengründen setzen wir immer das kleinste Fahrzeug für den Transport ein. Wir sind ja der erste und in unserer Branche auch der einzige klimaneutrale Dienstleister. D.h. wenn wir ein motorisiertes Fahrzeug einsetzen, kostet uns das zusätzliches Geld, weil wir Kompensationen kaufen. Wir sind also in erster Linie daran interessiert, Fahrräder einzusetzen und erst dann die anderen Fahrzeuge.

Amazon will künftig mittels Drohnen zustellen, ist das für Shopcourier auch denkbar?

So eine Drohne hat eine Reichweite von ca. 15–20 Kilometern, das ist nicht einmal der Radius von Wien. Von seinem Lager in Bad Hersfeld aus erreicht Amazon mit der Drohne ein paar Kühe, aber keinen Konsumenten. Bei der jetzigen Logistik-Struktur von Amazon ist das also völlig sinnlos. Das nächste Thema ist, dass etwas in die Luft zu heben und über die Luft zu transportieren einen ungleich höheren Energieaufwand bedeutet, als etwas rollend über den Boden zu bewegen. Von einem ökologischen Standpunkt aus gesehen, ist mit einzelnen Drohnen einzelne Pakete zu transportieren mitunter das Letzte, was man machen sollte.

 

 

 

 

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