VCÖ: »Nahverkehrsmilliarde ist nicht ausreichend.«
Laut einer Umfrage des VCÖ ist ein Großteil der AutofahrerInnen zum Umstieg auf die Bahn bereit, wenn der öffentliche Verkehr attraktiver gestaltet wäre. Welche Vorhaben den Bahnverkehr betreffend haben die wahlwerbenden österreichischen Parteien?
Der Verein »VCÖ – Mobilität mit Zukunft«, der sich für ökologisch verträgliche, sozial gerechte und ökonomisch effiziente Mobilität einsetzt, führte im Zeitraum von Mai bis Juni 2019 eine Umfrage zum Thema Bahnfahren durch. Österreichweit wurden über 10.500 Fahrgäste in den Zügen von neun Bahnunternehmen befragt. Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse zeigen, so der VCÖ: ÖsterreicherInnen seien zum vermehrten Umstieg auf Zugfahren bereit. Um noch mehr AutofahrerInnen umzustimmen, brauche es aber noch einige Verbesserungen des Systems.
2018 wurde in Österreich mit 13,3 Milliarden Personenkilometern so viel Zug gefahren wie noch nie. In der VCÖ-Umfrage gaben 62 Prozent der befragten AutofahrerInnen an, bereits Autofahrten auf die Bahn verlagert zu haben. 76 Prozent würden Autofahrten auf die Bahn verlagern, wenn die Gesamtreisezeit verkürzt wird. 72 Prozent würden bei häufigeren Bahnverbindungen umsteigen und 70 Prozent, wenn sie vom Arbeitgeber ein Öffi-Jobticket erhalten.
Verkürzte Gesamtreisezeit hat höchste Priorität
Die drei größten Motivationen, um mehr Menschen zum Bahnfahren zu bringen, sind also laut VCÖ klar. Um eine verkürzte Gesamtreisezeit zu erreichen, brauche es optimale Anschlussverbindungen, mehr Angebote und ein weiter ausgebautes Bahnnetz. Christian Gratzer vom VCÖ erklärt, was primär passieren muss, um diese Voraussetzungen in Österreich zu erreichen: »Am wichtigsten wäre, dass die Anschlussverbindungen optimal aufeinander angepasst sind. Das funktioniert mit einem integrierten Taktfahrplan, wie es ihn in der Schweiz seit langem gibt. Die wichtigsten Bahnlinien werden dabei als Hauptverkehrsader gesehen und regionale Bahnverbindungen, Busse und Straßenbahnen werden optimal darauf abgestimmt.« Die Wartezeiten würden dadurch auf ein Minimum reduziert. Das System funktioniere teilweise auch schon in Österreich, so zum Beispiel in Vorarlberg. Von einem flächendeckenden integrierten Taktfahrplan ist man aber noch entfernt.
Die drittwichtigste Voraussetzung für AutofahrerInnen, auf die Bahn umzusteigen, ist laut VCÖ-Umfrage ein Öffi-Jobticket. Das steuerbegünstigte Öffi-Jobticket gibt es seit 2012. Mit diesem übernehmen ArbeitgeberInnen die Kosten der Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr der ArbeitnehmerInnen. Laut VCÖ wird das aber in zu wenigen Firmen praktiziert. »Umweltfreundlicheres Verhalten muss belohnt werden, auch von ArbeitgeberInnen. Im Idealfall sollten alle Unternehmen, die ihren Angestellten Parkplätze zur Verfügung stellen, auch Öffi-Jobtickets anbieten«, meint Gratzer.
Im Vorjahr wurde in Österreich so viel Zug gefahren wie noch nie. Mit über 80 Milliarden Personenkilometern wurde jedoch eine rund sechs Mal so große Strecke mit dem Auto zurückgelegt, als mit der Bahn. Daten des Statistischen Amts der Europäischen Union (Eurostat) haben ergeben, dass der Autoverkehr seit dem Jahr 2010 in der EU um sechs Prozent zugenommen hat. In Österreich ist die Zunahme mit über elf Prozent fast doppelt so hoch.
Für VCÖ-Experte Markus Gansterer ist klar – wenn sich das nicht bald ändert, wird Österreich seine Klimaziele nicht erreichen können: »Österreich muss bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen des Verkehrs um ein Drittel senken, in den vergangenen vier Jahren sind die klimaschädlichen Emissionen aber weiter gestiegen. Österreich kann seine Klimaziele nur erreichen, wenn mehr Autofahrten auf die Bahn verlagert werden.« Der VCÖ bezieht sich dabei auf die Klimaziele der Bundesregierung, die den Verkehrssektor betreffen: Bis 2030 sollen 36 Prozent weniger CO2-Emissionen im Verkehrsbereich anfallen.
Der Klimawahlkampf 2019
»Sieht man sich den CO2-Ausstoß der einzelnen Verkehrsmittel an, wird klar, warum wir auf den Bahnverkehr setzen. Die Bahn verursacht pro Personenkilometer 14 Gramm CO2, der PKW-Verkehr mit rund 210 Gramm circa 15 Mal so viel«, erklärt Gratzer.Im Jahr 2018 waren laut Umweltbundesamt die wesentlichen Verursacher der österreichischen Treibhausgas-Emissionen mit 44 Prozent die Sektoren Energie und Industrie und mit 30 Prozent der Verkehr.
Eines haben die wahlwerbenden österreichischen Parteien alle gemeinsam: Sie fordern Veränderungen im öffentlichen Verkehr. Die SPÖ fordert einen Ausbau der europäischen Schienennetze und eine Verlagerung des Güteverkehrs auf die Bahn. Die ÖVP, die NEOS und die FPÖ geben an, einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs anzustreben, halten sich aber bei konkreten Vorschlägen eher zurück. Die Grünen wollen Bahnfahren mit einem günstigen Tarifmodell attraktiver machen. Zugfahren soll zwischen einem Euro und maximal drei Euro pro Tag kosten. Auch JETZT – Liste Pilz haben einen konkreten Vorschlag: Öffentlicher Verkehr soll nicht mehr als zwei Euro am Tag kosten. Beide Parteien beziehen sich hier auf Strecken, die sich bundesweit erstrecken können.
Laut Gratzer wären die Forderungen der Parteien, zumindest was den Bahnausbau betrifft, bis zu einem gewissen Grad glaubwürdig. Das würden die Parteien, die auf Landesebene regieren, mit Konzepten, die dem öffentlichen Verkehr zugutekommen, beweisen. »In Österreich herrscht innerhalb der Parteien fast schon so ein starker Konsens, dass das Bahnnetz ausgebaut wird, wie bei der Ablehnung der Atomenergie. Was Parteien im Wahlkampf fordern und was dann umsetzbar ist, ist natürlich eine andere Geschichte«, meint Gratzer.
Zu den Forderungen, dass Bahnfahren maximal ein bis drei Euro kosten soll, sagt Gratzer: »Diese Tarife wären nur haltbar, wenn es eine Bezuschussung der öffentlichen Hand gäbe. Wenn damit weniger Geld für den Ausbau des Bahnnetzes überbleibt, dann wäre das kontraproduktiv. Tarife müssen attraktiver gestaltet werden, aber wir brauchen keine Dumpingpreise.« Wenn der öffentliche Verkehr ausgebaut werden soll und gleichzeitig für KonsumentInnen günstiger werden soll, braucht es insgesamt ein größeres Budget für den Öffentlichen Verkehr.
Österreich muss mehr in öffentlichen Verkehr investieren
Welche Parteien auch immer die nächste Regierung bilden werden – der VCÖ hat konkrete Forderungen an sie. Um die Klimaziele zu erreichen, muss die nächste Bundesregierung laut VCÖ primär eines: mehr investieren. Die letzte Bundesregierung hat eine Nahverkehrsmilliarde für die nächsten fünf Jahre angelegt, das wären also durchschnittlich 200 Millionen Euro jährlich. Laut VCÖ sollten aber mindestens 500 Millionen Euro pro Jahr in den öffentlichen Verkehr investiert werden. »Wir haben ein bestimmtes Budget an CO2-Emissionen, das uns noch zur Verfügung steht. Je früher es uns gelingt, die Emissionen des Verkehrs zu senken, umso mehr Zeit haben wir für die Transformation«, sagt Gratzer.
Damit Österreich seine Klimaziele erreichen kann, fordert der VCÖ außerdem, dass öffentlicher Verkehr durch Steuerbegünstigungen gefördert wird. »Eine Veränderung des Mobilitätsverhaltens erreicht man nur, indem das öffentliche Verkehrsangebot attraktiv ist, und zwar attraktiver als das Autofahren«, erklärt Gratzer. Autofahren sei viel zu günstig, so Gratzer: »Wir brauchen mehr Kostenwahrheit im Autoverkehr. Der PKW-Verkehr deckt derzeit nur einen Bruchteil der Kosten ab, die er verursacht.« Um das Mobilitätsverhalten der ÖsterreicherInnen langfristig zu verändern, empfiehlt der VCÖ eine CO2 Steuer und die Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Diesel und Firmenwägen.