Urbane Mobilität in Zeiten von Wahlkampf und Design Week

Drive-Through Bankomaten in Wien.

Drive-Through Bankomaten in Wien.

Urbane Mobilität ist ein Riesenthema. Ein Schwerpunkt der Vienna Design Week findet dabei andere Antworten als die konservativen Parteien im Wahlkampf vor der Wien Wahl. Die kämpfen um die Stimmen von Autofahrern. 

In Wien ist Wahlkampf, denn am 11.Oktober wird gewählt. Gegeneinander antreten tun Personen mit ihren unterschiedlichen Ideen von Stadt. Ein Rennen liefern sich dabei gerade ÖVP und FPÖ um die Gunst der Autofahrer. Schließlich gibt es aus Sicht von Wahlkampf-Strategen eine beträchtliche Wählerschaft, die – wenn schon nicht mit dem silbernen Löffel im Mund – zumindest mit einem Autoschlüssel in der Hand zur Welt gekommen ist, und sich vor allem über ihr bevorzugtes Fortbewegungsmittel definiert. Diesen Menschen hat sich Biorama schon einmal gewidmet, als vor ziemlich genau zwei Jahren laut über die Verwandlung der Wiener Mariahilferstraße in eine Fußgängerzone diskutiert wurde.

Auf ironische Art und Weise macht sich die Facebook-Page Die Kärntnerstraße muss wieder befahrbar werden. Autos in die Innenstadt über die Forderungen nach einem autogerechten Wien lustig. Dort heißt es über die Straße im Zentrum Wiens: “Seit 1974 zur Fußgängerzone umgestaltet ist sie nur mit dem eisernen Vorhang zu vergleichen. Dort wo einst vergnügt der Autoverkehr brummte sind heute lediglich Fußgänger und Touristen. Eine sinnvolle Entwicklung wie am Gürtel hätte hier längst stattfinden können. Der Stephansplatz könnte längst aussehen wie der Matzleinsdorfer Platz! Rettet die Innenstadt. Freie Fahrt für freie Bürger.”

“Freie Fahrt für freie Bürger”

Dieser Spruch geht übrigens auf eine ADAC-Kampagne von 1974 zurück, sagt Wikipedia. Ganz so plump klingen die Forderungen von ÖVP und FPÖ nicht. Obwohl…

Die Autofahrerpartei ÖVP verwendet des Slogan “Autofahrer sind auch nur Menschen” und auf Plakaten heißt es: “Stopp den Autofahrer-Schikanen!” Die Partei erklärt: “Autofahren ohne Schikanen muss auch in Wien möglich sein. Die ÖVP Wien hat als einzige Partei die Bürgerinnen und Bürger vor der Einführung des rot-grünen Parkpickerls befragt und gezeigt, dass die Menschen in Wien bereit sind, für ihr Recht auf Mobilität einzutreten.” Das Recht auf Mobilität ist für die Volkspartei Wien gleichbedeutend mit dem Recht auf einen Parkplatz und dem Recht, so ziemlich überall mit dem Auto hinfahren zu können. Dass ein Recht auf Mobilität auch günstig, effizient, umweltfreundlich, stressfrei, gesund und ungefährlich durch öffentliche Verkehrsmittel in Kombination mit Fuß- und Radverkehr realisiert werden kann – naja – das mag ja sein. Aber Adressat der Wiener “Volkspartei” sind nun einmal die Menschen mit PKW. Immerhin, eine klar gegen Radfahrer gerichtete Kampagne wie im Wahlkampf vor fünf Jahren scheint die ÖVP 2015 nicht zu wagen. Damals plakatierte man im 8. Bezirk an Fahrradständern “Das könnte ihr Parkplatz sein.” Wirklich.

ÖVP-Plakat zur Wien-Wahl am 11.Oktober. (Quelle: ÖVP)

ÖVP-Plakat zur Wien-Wahl am 11.Oktober. (Quelle: ÖVP)

Straches Freiheitliche fühlen sich den motorisierten Wählerinnen und Wählern ebenfalls sehr nah. Auch sie sehen Schikanen für die Marginalisierten hinter den Lenkrädern der 700.000 in Wien zugelassenen Privatautos. Aus Sicht der FPÖ stellt sich das Wien des Spätsommers 2015 so dar:  “Radfahrer haben Narrenfreiheit und gut funktionierende Verkehrsanbindungen werden um teures Geld zu Fußgänger- oder Begegnungszonen umgebaut.”

Und dann hat noch ein weiterer Player die politische Bühne betreten, der sich für die Belange des motorisierten Individualverkehrs einsetzt: der Verein “Mein Auto – Initiative zur Förderung der individuellen Mobilität“, eine Bürgerinitiative. Hier geht es zu passenden Presse-Aussendung.

Weiterdenken

Sicher: Es nervt, im Stau zu stehen. Und auch im Interesse der Umwelt ist fließender allemal besser als stehender Autoverkehr. Für viele Menschen ist ein Auto schlicht das einzig praxistaugliche Verkehrsmittel. Diese Menschen wohnen meist am Land.

In einer Großstadt wie Wien, mit funktionierenden öffentlichen Verkehrsmitteln, ist es allerdings für viele eine reine Frage der Bequemlichkeit, mit dem Auto bis in zentralste Bereiche der Innenstadt vordringen zu können. Wieviel öffentlicher Raum für das Bewegen und Abstellen von Autos draufgeht, ist für diese Menschen zweitrangig. Indentifikationsstiftend ist ein Auto schließlich noch immer, auch im Jahr 2015.

Futurama Ausstellung zur autogerechten Stadt 1939.

Futurama Ausstellung zur autogerechten Stadt 1939.


Wie überholt das Konzept der autogerechten Stadt ist, macht der Think Tank Smarter than Car zum Thema. Im Rahmen der Vienna Design Week 2015 gestalten und kuratieren die Leute von Smarter than Car den Schwerpunkt Future Urban Mobility. Futurama Redux nennt sich der Titel ihrer Ausstellung, in der urbane Mobilitätskonzepte reflektiert werden. Den Titel haben sie einer Ausstellung des General Motors Konzerns auf der Weltausstellung 1939 entliehen. Damals präsentierte der Autogigant aus Detroit unter dem Titel “Futurama” seine Vision einer Stadt, komplett designt für die Bedürnisse des motorisierten Menschen. Das ist 76 Jahre her.

Future Urban Mobility
[r+d] post-carbon Vienna
FUTURAMA REDUX
Fr 25.09.–So 4.10.2015

Festivalzentrale der Vienna Design Week
Absberggasse 27
1100 Wien

www.viennadesignweek.com 

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