Urban Smartness braucht keine Smart City

Das ist übrigens Tokio. Bild: Antonio Tajuelo, Flickr, CC BY 2.0

Das ist übrigens Tokio. Bild: Antonio Tajuelo, Flickr, CC BY 2.0

Städte werden von Menschen ausverhandelt. Sie sind nicht programmierbar.

 Die intelligente, smarte Stadt – bäm! Geld ohne Ende für Wohlstand, geschaffen durch innovative Technologien und Vernetzung. IBM, Siemens, Cisco, Google sind groß im Geschäft; zuletzt hatte sich sogar das kritische Wiener Urbanismus-Magazin Dérive mit dem verhassten, ökonomisierten Konzept von Stadt auseinandergesetzt. Ein Begriff der mit Technologie assoziiert, was Menschen im 21. Jahrhundert nicht mehr zu leisten vermögen: intelligentes Handeln im Alltag? Schon seit geraumer Zeit hat kein neuer Innovationsbegriff so hohe Wellen geschlagen und die unterschiedlichen Lager voneinander getrennt.

Erstmal Luft holen. Städte sind komplexe und unvollständige Systeme in denen sich Einzelpersonen in der täglichen Konfrontation mit den Autoritäten organisieren. Sie gestalten die Stadt mit oft bescheidenen aber einzigartigen Investitionen, besitzen diese aber nicht. Städte überleben Menschen, unabhängig vom Volumen der Investitionen, den unternommenen Anstrengungen?

Der Stadt sind ihre Bewohner egal

Selbst in einst antiken, mittelalterlichen, und nun modernen Städten wie Regensburg, wo die Lebenserwartung hoch, das Bewusstsein für Kultur und Tradition ausgeprägt ist, gibt es heute nur mehr wenige bauliche Strukturen, die einen Rückschluss auf die ursprüngliche römische Siedlung Ratisbona zulassen. Unabhängig von dem Eifer, den Mühen und Anstrengungen die einst von den Römern (und ihren Sklaven) unternommen wurden, sind es heute nur mehr vereinzelte Orte im Stadtbild; Überbleibsel von früheren Generationen, die das Regensburg von heute nicht erahnen konnten. Was auch immer Stadt ist; wir haben mehr persönlichen Bezug zu den baulichen Strukturen als diese zu uns. Der Stadt sind ihre Einwohner und Einwohnerinnen wurst. 

Auf jeden Fall ist Regensburg heute nicht mehr römisch; sondern irgendwie bayrisch mit Nuancen. Nicht nur die Grand Dame der Stadtforschung, Saskia Sassen – sie spricht eigentlich von globalen Städten – nimmt an, dass die Menschen in der Stadt, entkoppelt von legalen Voraussetzungen, Aufenthaltsgenehmigung und Status, die Stadt in Reaktion auf die Verweildauer in einer Stadt mitprägen. Asylwerber, authochtone Mehrheitsgesellschaften, historische Minderheiten, Gastarbeiter, Flüchtlinge, Rechte, Linke und andere politische Farben und Gruppen treffen sich in der Stadt und verhandeln den Raum täglich neu. Bestehen bleibt, dass keiner die örtlichen Gegebenheiten besser kennt als diejenigen, die vor Ort und Stelle ihren Alltag bestreiten. Ist Partizipation bloß ein weiteres Buzzword das die Eventprogramme füllt?

Rotterdam (Bild: Flickr, The Academy of Urbanism, CC BY 2.0)

Rotterdam (Bild: Flickr, The Academy of Urbanism, CC BY 2.0)

Wer smart denkt, denkt messbar

Was die Debatte ums smarte so fragwürdig macht ist nicht der Anspruch von Technik auf Intelligenz, sondern die fehlende Sensibilität für Soziales, Kulturelles und Historisches. Wer smart denkt, denkt an die Möglichkeiten revolutionärer Datenerhebung, unbändige Datenströme und in der Kommunikationstechnologie angesiedelte Anwendungen.

Bisher spricht niemand über die Schwierigkeiten die richtigen Datensätze zu verwenden, relevante Themen miteinander zu verknüpfen. Die städtische Vision der Smart City bleibt ein Trugbild, solange sie es nicht schafft, die mit Sensoren gemessenen Mobilitätströme, die erstellten Bewegungsprofile und Verhaltensmuster in eine urbane gesellschaftliche Utopie voller Blümchen und Schmetterlingen einzubetten. Welche Daten brauche ich wirklich, fragt der kritische Systemanalytiker.

Die Stadt als Zahlenmutant

Dass wir die Smart City diskutieren, dass wir in die Smart City investieren, ist wichtig und birgt eine Reihe an Chancen und Möglichkeiten. Gerade mit Blick auf die energetisch und ökologisch geführte Nachhaltigkeitsdebatte wurden schon eine Reihe vielversprechender Ansätze erarbeitet, die nicht nur den Alltag vereinfachen, sondern sich positiv auf die Energiebilanz auswirken. Aber auch hier musste die Technik Lernen, auf die Bedürfnisse der Endverbraucher der Bewohner und Bewohnerinnen einzugehen. Dennoch können nicht bei jeder Stadtkonferenz die Geschichten, Ideen und Erwartungen von Klaus, Lotte und Sophie berücksichtigt werden; nicht jedes historische Gebäude ist Kulturerbe aufgrund seines Alters. Innovationen, unabhängig ob technischer oder menschlicher Art tragen zur Selbsterneuerung der Stadt bei; bloß dass Smartness keine neue Qualität ist, sondern Mittel mit dem Potential gefunden hat, eine neue städtische Bedeutungökologie zu erschaffen. Denn als vom Menschen entkoppelter Zahlenmutant, als vom Menschen entkoppeltes Konzept wird die Smart City, ebenso wie andere Erneuerungsansätze, die den Menschen aus dem Blick verloren haben, gegen die Wand fahren.

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