Wie Urban Gardening gegen Hunger hilft
Urban Gardening ist mehr als ein Trend für grüne Großstadtbewohner. In Afrikas Metropolen kann das Konzept im großen Stil im Kampf gegen Nahrungsknappheit helfen.
„Urban Gardening“ steht bei uns für Rückbesinnung auf Landwirtschaft und Umweltbewusstsein. Viele deutsche Städte, wie Köln, Berlin und Freiburg z.B., wollen ihre Bürger bewusst dazu animieren, öffentliche Grünflächen zu beackern und nachhaltig nutzbar zu machen. Jedem soll es möglich sein, lokale Bio-Lebensmittel zu erhalten und sich ein Stück weit selbst zu versorgen. Das ist auch der ursprüngliche Gedanke urbaner Stadtgärten – die Versorgung mit erschwinglichen und gleichzeitig qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln zur Sicherung eines autarken Lebensstiles – mitten in der Stadt.
Urbaner Gartenanbau produziert dringend benötigtes Nahrungsmittelkontingent
Den Trend zur urbanen Eigenversorgung kennt man in Deutschland bereits aus der Nachkriegszeit. Das selbständige Anbauen von Nahrungsmitteln war eine Notwendigkeit aufgrund von zerstörter oder schlichtweg nicht vorhandener Infrastruktur zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung. Daraus entstand die Idee, Obst und Gemüse auf kleinsten Räumen, auf Dächern, in Säcken im Hinterhof, in Autoreifen oder auf anderen teils improvisierten, abwegigen Flächen anzupflanzen.
Akute Lebensmittelknappheit ist in Industriestaaten wie Deutschland längst passé. In Entwicklungs- und Schwellenländern kennt man sie noch zu gut. Entwicklungspolitisch gesehen ist der hiesige Trend zum urbanen Gartenbau daher höchst interessant, weil er einen Lösungsansatz zur gezielteren Versorgung der Bevölkerung dieser Gebiete präsentiert. „Das Potenzial des Up-scaling von Urban Gardening ist generell groß, vor allem da in vielen Ländern zusehends ländliche Bevölkerungsgruppen aufgrund von Landknappheit und sozio-ökonomischen Notwendigkeiten in die Städte migrieren“, meint auch Ursula Langkamp, Regional Director der Welthungerhilfe in Addis Abeba. Die Übertragung des Konzeptes „Urban Gardening“ auf die dortigen Begebenheiten in Bezug auf zur Verfügung stehenden, landwirtschaftlich nutzbaren Raum sowie finanzielle Mittel zur Umsetzung etwaiger Projekte kann in Zukunft wegweisend für eine effiziente Entwicklungshilfe sein, da hier der Ursprungsgedanke des lokalen Anbaus greift. Die Anwendung von Urban Gardening in ebendiesen Ländern geht aber noch über den Zweck der Nahrungsmittelversorgung hinaus – es befähigt die Bevölkerung in Schwellen- und Entwicklungsländern dazu, sich selbst zu helfen und umfasst demnach einen Bildungshintergrund von immenser Bedeutung.
Afrika baut an und sich auf
Die Landwirtschaft stellt seit jeher einen Tragpfeiler der afrikanischen Gesellschaften dar. Im Zuge der Landflucht wurde die Tradition des Anbaus vielerorts in den städtischen Alltag integriert und angepasst. „Diese Gruppen haben meist noch einen engen Bezug zur Landwirtschaft und daher großes Interesse, auch aufgrund der schlechten Einkommens- und Ernährungslage, landwirtschaftliche Aktivitäten, wenn auch in kleinem Ausmaß, in der neuen Umgebung fortzuführen“, so Ursula Langkamp. Gartenbauprojekte im Sinne von Urban Agriculture werden unlängst verstärkt als Plattform zum Wissenstransfer eingesetzt. Dabei geht es zum Beispiel um den richtigen Einsatz von Kompost oder die effiziente Nutzung von Saatgut. Ander Initiativen befassen sich mit Produktvermarktung zum anschließenden Verkauf der selbst angebauten Güter. Verkaufskooperationen mit Schulen oder Hotels bieten Kleinbauern Wachstumspotenzial. Der nutzen solcher Konzepte lässt sich bereits bei verschiedenen entwicklungspolitisch engagierten Initiativen, z.B. in Simbabwe und Äthiopien, beobachten.
Projekte gegen den Hunger
Eines dieser Vorreiter-Projekte der Urban Agriculture ist in Harare, der Hauptstadt Simbabwes, zu finden. Dabei geht es um städtischem Kartoffelanbau, der den vornehmlich weiblichen Kartoffelfarmerinnen neben finanzieller Unabhängigkeit auch eine langfristig gesicherte Zukunft bringen soll. Der Anbauspezialisierung auf Kartoffeln kommt dabei eine politische Regelung zugute: das Importverbot von Kartoffeln in dem südafrikanischen Staat, in dem Mangelernährung ein ernsthaftes Problem darstellt. Die Importrestriktion führte dazu, dass der landesweite Kartoffelanbau rasch acht Prozent des gesamten simbabwischen Kartoffelmarktes ausmachte und somit erste Ergebnisse und Erfolge als potenzielle Quelle zur Selbstversorgung in Entwicklungsländern liefert.
Auch die Stiftung Welthungerhilfe hat ihre Projektarbeiten in der Entwicklungshilfe bereits in Richtung Urban Gardening als Konzept zur Bekämpfung von Mangel- und Unterversorgung ausgedehnt. Als Pionierprojekt gilt hier das auf dem Münchener Stiftungsfrühling vorgestellte Anbauprojekt in Kirkos, einem Slum in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba. Das seit 2007 bestehende Projekt hat die „Verbesserung der Ernährung und Einkommensschaffung beziehungsweise Ausgabensubstitution“ zum Ziel, erklärt Jerusalem Abebe, Mitarbeiterin des Welthungerhilfe-Ressorts in Addis Abeba. „Nach einer längeren Zeit der Förderung durch Ausbildung und Verteilung von Gießkannen, sind Erfahrungsaustausch und Veranstaltungen zur Anerkennung durch die städtische Verwaltung und Monitoring gegenwärtig unsere Aufgaben als Initiator.“
Die dazugehörige Bildungsinitiative FOOD RIGHT NOW der Welthungerhilfe in Zusammenarbeit mit ihren europäischen Partnerorganisationen wurde bereits erfolgreich in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen eingeführt. Damit soll erreicht werden, dass nicht nur vor Ort gegen den Hunger gekämpft wird, sondern dass auch hierzulande Aufklärungsarbeit stattfindet, um weiter neue Methoden und Lösungsansätze zur Behebung des Ernährungsdefizites sowie zur effizienten Verteilung der Nahrungsmittel in Schwellen- und Entwicklungsländern zu finden und zu entwickeln.
Urban Gardening als Lösung der Hungersnot
Aktuelle entwicklungspolitische Initiativen mit Fokus auf Urban Gardening bergen das Potenzial einer Aufwertung des Lebensstandards der Bevölkerung in Schwellen- und Entwicklungsländern auf verschiedensten Ebenen. Nicht zuletzt der Wissenstransfer, der mit den Projekten einhergeht, ist dabei wichtig für einen langfristigen Nutzen des Konzepts. Durch die simplen Methoden vor Ort kann sichergestellt werden, dass viele Menschen an den Projekten teilnehmen können, wodurch viel produziert werden kann. Dies ist nicht nur in Bezug auf die Deckung des Eigenbedarfes ausschlaggebend für den Erfolg des Konzeptes, sondern auch für die lokale Wirtschaft. Die gesteigerte regionale Lebensmittelproduktion lässt es zu, den Import in diesem Bereich zu senken, wodurch wichtige monetäre Mittel anderweitig eingesetzt werden können, zum Beispiel im Bildungssektor oder in der Forschung. Zudem kann dieses zusätzliche Budget in den Auf- und Ausbau der Infrastruktur fließen und so Handelswege schaffen, um Produkte und Güter schneller und effizienter im Land zu verteilen. Durch die Erweiterung von Branchen, wie Transport und Handel werden zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Vom urbanen Gartenbau profitieren demnach nicht nur einzelne Farmer und deren Familien, sondern idealerweise die gesamte Landesbevölkerung. Urban Gardening bietet den Ausgangspunkt zur Selbstversorgung in Schwellen- und Entwicklungsländern und ist als Träger des entwicklungspolitischen Fortschrittes nicht zu unterschätzen. Eine Förderung solcher Projekte ist unerlässlich, um der Krisensituation in der weltweiten unzureichenden Verteilung von Lebensmitteln entgegen zu treten, sodass die Bekämpfung des Welthungers mit einfachen Maßnahmen wie Stadtgärten keine Frage mehr ist, sondern die Antwort.