»Unser Boden, unser Erbe«: ein Film stiftet Sinn
»Unser Boden, unser Erbe«: Andreas Karl-Barth, Aktivist der Humusbewegung über Marc Uhligs Dokumentarfilm über unseren Bodenschatz.
Sind wir im Begriff unser Erbe, unseren Bodenschatz zu verschleudern? Der Dokumentarfilm von Marc Uhlig handelt vom Umgang mit den landwirtschaftlich genutzten Böden, vom Verschwenden dort und von der Pflege der lebendigen Erde da. Ein Gastbeitrag von Andreas Karl-Barth
Eingangs ein Kameraflug über herbstliche, winterliche Böden – sie erinnern an Gemälde von Sean Scully: Kunst und Natur von oben. Anschließend beeindruckende Nahaufnahmen von humoser, lebendiger Erde. Braun- und Grüntöne dominieren über 119 Minuten. Marc Uhlig hat mit »Unser Boden, unser Erbe« einen handwerklich ausgezeichneten, sehenswerten, ruhigen Dokumentarfilm über den Wert des Bodens geschaffen. Ähnlich wie bei Filmen von Erwin Wagenhofer ohne Off-Kommentar, eine Aneinanderreihung von Statements der ProtagonistInnen, dazwischen vereinzelt Inserts mit Daten, Fakten und Bildern zum Nachwirken, ohne Zeigefinger.
Bodenverlust – brisant wie der Klimawandel
»Wer will es wagen, diesen Boden in 10 Jahren zu zerstören und abzutragen«, empört sich Sarah Wiener und spricht damit die Grundproblematik an: den Verlust der fruchtbringenden Humusschicht, die über Jahrtausende in einzigartigen Prozessen aufgebaut wurde. Die menschliche Nutzung zerstört diese 30 Zentimeter dünne, lebensnotwendige Haut. Nur mehr 100 oder gar 60 Ernten sind weltweit möglich, warnen Studien. Dann sind die Böden fertig und so schnell wachsen diese nicht mehr nach. Verlust an Bodenschatz, immateriellem Kapital, unserem Erbe! Im Verbund mit dem Klimawandel eine Katastrophe für kommende Generationen.
Wie eine Wurzel den Boden durchziehen die Auftritte von Demeterbauer Achim Heitmann den Film und bilden so etwas wie den grünen Faden. Der Kreislauf beginnt und endet im Herbst auf seinen Äckern und spinnt sich vom Feld bis zum Regal. Da wird angebaut, Unkraut gezupft, wegen einer Frostnacht gebangt und schließlich geerntet. Dazwischen gehen weitere AkteurInnen ökologischen, ökonomischen und sozialen Fragestellungen und Rahmenbedingungen der landwirtschaftlichen Erzeugung nach. Und philosophieren wie Professor Ernst Ulrich von Weizsäcker über größere Zusammenhänge.
Der Film macht die notwendigen Anstrengungen erlebbar, die mit der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit einhergehen. »Steine ohne Ende, he! Hier sieht man, wie steinreich wir sind«, lacht Heitmann noch über eines der kleineren Probleme am Demeterhof. Es reicht aber nicht, wenn allein die Landwirtschaft auf Klimawandel, Wetterextreme, Marktdruck, Konsumverhalten reagieren muss.
Was können wir ändern?
»Ich wundere mich, dass der Mensch in der Stadt so wenig Existenzängste hat. Er ist ja absolut abhängig davon, dass auf dem Land etwas wächst«, so Heitmann.
Viele ähnliche aber nicht explizit gestellte Fragen wirft dieser Dokumentarfilm auf. Gleichzeitig geben kleine Beispiele Mut: Der Bürgermeister von Messkirch verbietet auf verpachteteten kommunalen Flächen den Einsatz von Pestiziden und Gülle; die solidarische Landwirtschaft Ravensburg schafft Boden-Bewusstsein in der regionalen Bevölkerung.
Der Demeterbauer zeigt seine Sympathie für die lebendige Erde, lässt immer wieder den Ackerboden durch seine Finger rieseln, sieht in seiner Arbeit Sinn und macht sie gerne: »Welche Aufgabe haben wir hier als Menschen, für diesen Erdball, dieses Wunder, das sich jeden Tag einmal um sich selbst dreht?«
Dieser unaufgeregte Film berührt und wird bei vielen Menschen die Sehnsucht nach einer sinnstiftenden Arbeit, zukunftsfähigem Handeln und dem Schatz im Boden wecken. Jene, die diesen Schatz tagtäglich hüten, erfahren eine wohlverdiente Wertschätzung. Gut so!
Ad personam: Andreas Karl-Barth ist Aktivist der Humusbewegung.