»So kitschig wie ein rosaroter Sonnenuntergang«

Das Museum Niederösterreich trägt seit Dezember 2020 das Österreichische Umweltzeichen.

Das Museum Niederösterreich wendet sich im Informationsmaterial zur Ökologisierung des Hauses auch mit der Bitte um Input an seine BesucherInnen: »Ihre Ideen und Vorschläge, wie wir uns verbessern können, sind herzlich willkommen«: museumnoe.at/de. Bild: Klaus Engelmayer.

Selten schwärmen Menschen so vom Durchlaufen eines Zertifizierungsprozesses: Matthias Pacher leitet das Museum Niederösterreich und hat dessen zwei Bereiche, das Haus der Geschichte und das Haus für Natur, innerhalb eines Jahres durch die Umstellungen an die Standards des Umweltzeichens des Umweltministeriums geführt. Damit hat St. Pölten das österreichweit zweite Museum mit diesem Zertifikat. Der Historiker hat dazu nur Positives zu berichten und will andere inspirieren. 

BIORAMA: Sie dürfen nun das Österreichische Umweltzeichen tragen, hat das Nachteile? Was geht künftig nicht mehr, das früher ging?
Matthias Pacher: Da geht einiges nicht mehr! Aber nichts davon würde ich als Nachteil einordnen. Es ändern sich die Arbeitsprozesse quer durch alle Abteilungen im Haus. Von den Bestellungen von Arbeitsmaterial bis zur Weise, in der wir denken und kommunizieren.

Wird einem das beim Besuch auffallen?
Den BesucherInnen fällt nicht auf, dass weniger Drucksorten produziert werden oder dass die Klospülung bei einem Spülgang kürzer läuft. Aber gerade dort, wo sie durch ihr Verhalten auch einen Beitrag leisten, wird es explizit thematisiert: Bei den Müllbehältern wird dazu aufgerufen, keinen Müll zu produzieren und wenn doch, ihn entsprechend sachgerecht zu entsorgen. Wir liefern unseren Beitrag, indem wir sie nicht mit diesem Müll versorgen, unser Shopsortiment ist entsprechend umgestellt. Aufmerksamen BeobachterInnen wird die Umstellung in vielen Details auffallen, aber man wird nicht an jeder Ecke explizit mit dem Thema konfrontiert. Auffallen werden aber zum Beispiel die Photovoltaikanlagen auf den Dächern, die demnächst durch das Land Niederösterreich installiert werden.

Kommunikation der Anstrengungen zur Ökologisierung ist ja auch Teil der Voraussetzungen für das Umweltzeichen. Wie vermittelt man das denn sinnvoll nebenbei?
Indem man dort, wo jedeR BesucherIn vorbeikommt, durch einen Aushang zur Kenntnis bringt, dass Nachhaltigkeit hier eine Rolle spielt. Auch in der Kommunikation online und offline findet sich das in all unseren Informationsmaterialien wieder. Und: Ja, es wirkt nach außen bewusstseinsbildend und hilft auch bei der Vermarktung eines Hauses. Letztlich muss man aber deutlich sagen: Der Knackpunkt sind die MitarbeiterInnen. Ich kann schnell andere Mistkübel anschaffen, aber aufwendiger ist es, den entsprechenden Umgang in einem Team zu etablieren. Das ist die eigentlich große Aufgabe: Der Umdenkprozess muss von ganz oben bis ganz unten durch die MitarbeiterInnenstrukturen gehen, von den Gewohnheiten zur Bestellung von Arbeitsmaterial bis zu Vereinbarungen zur Verzahnung mit der Abfallwirtschaft der Stadt. 

Helfen oder stören dabei die in Zahlen gegossenen Benchmarks?
Ich muss meine MitarbeiterInnen nicht andauernd mit Zahlen füttern. In jedem Jour fixe steht das Thema Ökologisierung auf der Tagesordnung. Vieles ist in Zahlen messbar: in Geld und in CO2. Aber die Zufriedenheit, die es ins Team bringt, die bemerke ich auch dort, wo ich keine entsprechenden Zahlen in den Berichten hab. Wenn jedeR merkt, dass sie oder er etwas beiträgt und dass das gutgeheißen und gestützt wird.

Wo stößt man an die Grenzen des Machbaren?
Vorweg: Wir konnten auch deshalb so schnell die fürs Umweltzeichen notwendigen Standards erfüllen, weil wir nicht bei null begonnen haben. Das Gebäude ist relativ neu und außerdem wurde in diese Richtung schon zuvor einiges unternommen.
Aber zu den Grenzen: Wir sind ein Landesmuseum mit 6000 Quadratmetern, also ein großes Haus. Vor allem im Haus der Geschichte haben wir Objektschutz zu gewährleisten: Damit organische Exponate auch noch Generationen überdauern, müssen die Vitrinen temperaturgeregelt werden. Das braucht einfach Energie, da heißt es dann einsparen und nachhaltigere Energiequellen suchen. Eine wichtige Stellschraube war hier aber auch, umweltschonende Silikonmischungen zum Abdichten der Vitrinen zu finden. Aber auch bei der Verpackung von Ausstellungsleihgaben kann durch nachhaltige Alternativen sehr viel Kunststoffmüll vermieden werden. 

Unser Haus für Natur ist auch ein Zoo, in dem wir einen Teil der lebenden Tierwelt Niederösterreichs zeigen. Zur Wasserkühlung beispielsweise ist ein gewisser Energieverbrauch unvermeidbar. Im Winter kühlen wir mit einer Free-Cooling-Anlage, die das Wasser über kalte Luft aus der Umgebung kühlt. Aber wir haben auch unsere Stromverträge geändert und wir planen fünf Prozent Einsparung durch die künftige eigene Photovoltaikanlage.

Das Museum Niederösterreich ist das zweite Museum, das das Österreichische Umweltzeichen trägt. Was machen denn die anderen?
Gerade bei Museen muss man auf die Bausubstanz schauen, da kann es schon schwierig werden. Es befinden sich derzeit einige auf dem Weg zum Umweltzeichen, das gerät gerade in Schwung. Je mehr Betriebe da positive Erfahrungen sammeln, umso größer ist der Mut in der Branche, sich auf solche komplexen Prozesse einzulassen.

Wofür braucht es den meisten Mut?
Es gibt eine Scheu, denn ein solcher Prozess bindet viele Personalstunden und die Budgets im Kulturbereich sind in der Regel knapp. Und da ist schon die Notwendigkeit groß, dass die Priorität bei publikumsanziehenden Aktivitäten liegt. Ich will die Scheu nehmen und betonen, dass man sich an uns als Sparringspartner wenden kann, um zu schauen, wie was machbar ist. 

Was hat Sie zur Pionierarbeit bewogen?
Ich gebe zu, ich wusste auch nicht genau, worauf ich mich einlasse. Vor drei Jahren, als ich im Unternehmen begonnen habe, haben wir den Museumsgarten renoviert – gemeinsam mit der Initiative Natur im Garten des Landes Niederösterreich. So wird man mal sensibilisiert. Dann kam die Ausstellung »Klima & Ich«. Ich hatte damit gerechnet, dass die BesucherInnen mich fragen: »O. k., das ist alles interessant, aber was macht Ihr Haus dazu?« Und das war für mich der entscheidende Anstoß, das anzugehen. Mein Glück: Das Team hat hier mitgezogen – von der Haustechnik bis zur Gastronomie. Selten wurde ein Projekt so schnell auf die Füße gestellt: innerhalb eines Jahres, beginnend im November 2019, aufgesetzt und fertiggestellt. 

Die Vorbereitung der noch bis August 2021 laufenden Ausstellung »Klima & Ich« gab den Anstoß zur Zielsetzung, das Österreichisches Umweltzeichen zu bekommen. Bild: Daniel Hinterramskogler.

Wie weit waren Sie im November 2019 weg von der Erfüllung der Kriterien des Umweltzeichens?
Ich schätze, wir hatten 40 Prozent der Kriterien schon erfüllt, als wir mit der Umstellung begonnen haben. 

Wie sehr hilft externe Beratung und Evaluierung durch Beratungsunternehmen oder eben auch durch Zertifizierungsprozesse?
Wir haben unseren Betrieb in Eigenregie durchleuchtet. Bei den aufbauenden Überlegungen haben wir Hilfe in Anspruch genommen, um den Effekt von Maßnahmen abschätzen zu können: wodurch man etwa kurzfristig Einsparungen erzielt, aber langfristig mit Nachteilen rechnen muss. 
Das Beste an Systemen wie dem des Umweltzeichens ist der kontinuierliche Charakter in Vier-Jahres-Plänen. Man holt sich nicht in einer einmaligen Anstrengung das Zeichen, sondern muss immer einen Plan für die kommenden vier Jahre miteinreichen. Nach zwei Jahren folgt eine interne Evaluierung und nach vier Jahren wieder eine Überprüfung.

Gab es Überraschungen?
Überraschend war zu sehen, wie viel Commitment es intern geben kann, dass das eine coole G’schicht ist. Denn der Erfolg geht weit über die Zielsetzung und das messbare Ergebnis hinaus. Wir haben einen anderen Drive im Team, weil alle miteinander kommunizieren mussten – ungewöhnlich in der sonst eher schwierigen Zeit 2020. Das klingt jetzt so kitschig wie ein rosaroter Sonnenuntergang: Es ist schlicht Teil unserer Unternehmensidentität geworden und wir profitieren davon umfassend. Ich könnte mir gut vorstellen, dass das andere motiviert, einen ähnlichen Weg zu gehen.

Portrait Matthias Pacher

Der Historiker Matthias Pacher ist Geschäftsführer des Museum Niederösterreich. Bild: Volker Weihbold.

Das Museum Niederösterreich wendet sich im Informationsmaterial zur Ökologisierung des Hauses auch mit der Bitte um Input an seine BesucherInnen: »Ihre Ideen und Vorschläge, wie wir uns verbessern können, sind herzlich willkommen«:
museumnoe.at

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