Kunst als Reiseführer
Ausstellung, künstlerischer Austausch, Reiseführer – was ist TransAlpin? Eigentlich alles. Das als Leser herauszufinden, dauert schon eine Weile. Man muss sich darauf einlassen, um die Wege der Künstler nachzuvollziehen, die ihre Wiener und Zürcher Erfahrungen verbildlicht haben.
Den TransAlpin gibt es nicht mehr. 50 Jahre lang hat er Wien mit Zürich (und umgekehrt) verbunden. 2010 wurde er vom Railjet ersetzt. Charles E. Ritterband erinnert sich noch daran wie es damals war als Sechsjähriger mit dem neuen Zug zu seinen Großeltern nach Wien zu fahren. Er ist einer der Künstler und Künstlerinnen, der aus seiner Perspektive und aus seinen Erfahrungen der „anderen“ Stadt Kunstwerke schafft. Zürcher oder in Zürich lebende Künstler skizzieren Wiener Ecken und Klischees. Wiener oder in Wien lebende Künstler machen dasselbe mit ihren Zürcher Eindrücke.
Klischees in Wien und Zürich
So zeigt jeder auf, was in der anderen Stadt (besonders) ist und was in der eigenen vielleicht fehlt. Nicht nur Gemälde und Plastiken übermitteln das Erlebte. Friedrich Achleitner verarbeitet in einem formlosen Gedicht unter Missachtung der Groß- und Kleinschreibung die Pedanterie der Stadt, denn „in Zürich fallen sogar die blätter ordentlicher vom baum als in anderen städten.“. Wie er Wien empfindet, bleibt ein Geheimnis. Es sind jedoch nicht nur reale Eindrücke Teil der Ausstellung und des Buches. Nathalie Weiss gesteht gleich zu Beginn: „Vorab: Ich war noch nie in Zürich. In meiner neunteiligen Arbeit geht es um die zeichnerische Konstruktion all meiner Vorstellungen von Zürich.“
Klischees behandeln auch Heidi Hahn, die die Kaisersemmel metaphorisch für die Kaisernostalgie der Wiener stehen lässt und Brigitta Malche, die in ihrer Installation und der zugehörigen Beschreibung „A Schöne Leich“ das morbide, nekrophile Wien porträtiert. Eine Stadt, die nicht davor zurückschreckt sogar den Gevatter Tod zu verniedlichen: „Pepi Onkel“.
Über die Grenzen hinaus
Dass sich Wien nicht nur in Österreich finden lässt, beweist Heinz Niederer. Er geht etwas kritischer an das Thema heran. Der Mittelpunkt seines Parts ist eine Eisinstallation, eine Nachahmung der Wiener Neustadt, der zentralen Insel des Franz-Josef- Lands im Nordpolarmeer. Geschickt verknüpft er die Städtegegenüberstellung mit harten Fakten, der Klimaerwärmung. Die Eisplatte in der Vitrine schmilzt nämlich über die Dauer der Ausstellung.
Auf Grenzen verzichtet auch Hazem El Mestikawy. Er stammt ursprünglich aus Ägypten und lebt heute in Zürich. Mit „My City“ kreiert er eine eigene Zuglinie, die abgeleitet von seinem Lebensweg von Kairo über Alexandria, Athen, Rom und Wien nach Zürich führt. Dabei reduziert er die Bedeutung von Grenzen und weist auf ihrer Nichtigkeit hin, die sie bei jüngeren Generationen haben. Im Gegenzug betont er interkulturelle Gemeinsamkeiten.
Einzelstücke verschmelzen zu einem Ganzen
Die einzelnen Stücke fügen sich wie ein Mosaik zu einer Art Reiseführer zusammen. Viele von den darstellenden Künstlern nennen die Orte auf die sie mit ihrer Kunst Bezug nehmen. „So lebt in Zürich ein Stück Wien und in Wien ein Stück Zürich.“ Darunter fällt nicht nur Imposantes, sondern auch Banales abseits der Paläste und Monumente. Brigitte Pamperl richtet ihre Aufmerksamkeit auf alltägliche Szenen in Zürich und druckt ihre Fotos von Durchgängen und Straßenecken auf Leinwände und Würfel.
Unter den teilnehmenden Künstlern sind noch viel mehr namenhafte, als die genannten – insgesamt sind es 22. Ihre Kunstwerke sind in Zürich bis 29. September und in Wien ab 19. September zu sehen oder im Buch zu bestaunen.
Das Buch: TransAlpin
am 2. September im Folio Verlag erschienen
Herausgeber: Silvia Grossmann, Anita Hahn, Heidi Hahn, Brigitte Malche
Termine
Vernissage Wien
ab 19. September bis 13. Oktober
Künstlerhaus Wien
Karlsplatz 5
1010 Wien
Buchpräsentation
5. Oktober ab 19 Uhr
Lesung: Christoph Braendle, Gerhard Ruiss
Musik: Clementine Gasser: Cello
Finissage, Matinée
Sonntag, 13. Oktober 11 Uhr
Lesung: Charles E. Ritterband
Vernissage in Zürich
bis 29. September
kabinett schoffelgasse 10
sihlquai55
Finissage, Matinée
Sonntag, 29. September 2013 11 Uhr
Lesung: Bodo Hell
Musik: Clementine Gasser, Cello