Tollwood: Das Münchner Öko-Festival

München hat seit 1988 ein Festival, das nicht nur kulturell ansprechend ist. Es zeigt, dass so eine Veranstaltung keine mittlere Katastrophe für die Umwelt sein muss. Tollwood findet dieses Jahr wieder von 24. November bis 31. Dezember statt. Das Festival ist ein Musterbeispiel für funktionierendes Umweltbewusstsein bei innovativen Kulturangeboten. Und das wurde nun schon mehrfach ausgezeichnet. Biorama.eu hat bei Christiane Stenzel, Pressesprecherin des Tollwood, genauer nachgefragt.


Sie veranstalten mittlerweile zwei Festivals pro Jahr – ist der Markt nicht irgendwann gesättigt?

Der Markt für Kultur ist hoffentlich nie gesättigt! Als Veranstalter eines zweimal im Jahr stattfindenden Kulturfestivals versuchen wir jedem Festival immer wieder einen eigenen Charakter zu verleihen – sei es durch das kulturelle Programm mit Theater, Musik und Performances, sei es in der Geländegestaltung sowie mit dem Angebot an internationalem Kunsthandwerk und biozertifizierter Gastronomie. Wichtig ist, das Festival immer wieder aufs Neue für die Besucher spannend und inspirierend zu inszenieren.
Das Festival und auch Rita Rottenwallner (die Gründerin des Tollwood, Anm.) als Person sind mehrmalige Preisträger, nun also auch des Bundesverdienstkreuzes – hat das Tollwood dem kulturellen München neues Leben eingehaucht?

Das Tollwood Festival findet seit 1988 in München statt, also schon eine ganze Weile, und ist damit sicherlich fester Bestandteil der Münchner Kulturszene. Das Konzept des Tollwood Festivals basiert ja mit dem Markt der Ideen – einer Fundgrube für internationales Kunsthandwerk und Kuriositäten – der bio-zertifizierten Festivalgastronomie mit Kulinarik aus aller Welt sowie einem vielfältigen Kulturprogramm auf einem Drei-Säulen-Modell, das sicherlich auch nach 22 Jahren seine Einzigartigkeit bewahrt hat.
Gerade Festivals sind ja meist ökologisch problematisch – was können andere Veranstaltungen vom Tollwood lernen?
Das Tollwood Festival wird mit dem Grünen Strom der SWM versorgt, die Gastronomie ist bio-zertifiziert und auf dem „Markt der Ideen“ werden Produkte aus nachweislich Fairem Handel angeboten. Die Müllvermeidung und -trennung sind vorbildlich und die Anreise der Besucher wird klimafreundlich organisiert. Engagement für Mensch und Umwelt ist auf dem Tollwood Festival auch Programm: Seit 2007 bietet der „Weltsalon“ umweltpolitischen undgesellschaftlichen Themen eine große Bühne. Mit „Bio für Kinder“ setzen wir auch außerhalb des Festivals Akzente.Wichtig ist es, die Dinge einfach anzugehen – dann können gerade Veranstaltungen eine große Strahlkraft haben. Trotz wichtiger ökologischer Standards müssen manche KünstlerInnen immer noch weite Strecken nach München zurücklegen. Wie wird das Tollwood hier seinem ökologischen Anspruch gerecht?
Tollwood legt großen Wert auf die klimafreundliche Anreise seiner Besucher: Im Sommer fährt ein von Tollwood mitfinanzierter Shuttlebus zum Festivalgelände, im Winter – wenn das Festival auf der Theresienwiese im Herzen Münchens gastiert – sind die Eintrittskarten mit einem MVV-Ticket verbunden. uch die Künstler werden angehalten, das klimafreundlichste Verkehrsmittel zu wählen. Dies wird auch positiv aufgenommen – wenngleich hier natürlich auch immer wieder Kompromisse gemacht werden müssen. Ein Ziel für die Zukunft könnte es sicherlich sein, dass sich Tollwood zusammen mit den Künstlern an Co2-Ausgleichsmaßnahmen beteiligt.
Dieses Jahr ist das Motto: vom Suchen und Finden – was ist es genau, das gesucht wird? Wie ist das Motto zu verstehen?

Das Winterfestival erzählt eine Geschichte, nämlich die Geschichte vom Suchen und Finden. Das Motto ist sehr publikumsnah, es geht um den Austausch und das Mitgestalten: vorhandene Spuren Anderer lesen, diese zum Thema machen und daraus vor Ort Zeichen setzen. Das Festival widmet sich der Frage, wo der Mensch in seiner Umgebung Spuren hinterlässt und was aus seinen Abdrücken in der Welt wird. Das Festival lädt die Besucherzum gemeinsamen Aufspüren ein und will mit ihm durch das Aufdecken und Lesen von Spuren ein Zeichen in der Vorweihnachtszeit setzen, mit seinem Programm eine Spur im Schnee hinterlassen. Dies wird auf dem Festival durch inhaltliche Bezüge umgesetzt! Im Weltsalon werden Spuren des Klimawandels, Spuren von Flüchtlingsströmen, Spuren, die Vordenker / Vorbilder hinterlassen haben, verfolgt. Im Theaterbereich richtet Tollwood den Fokus auf den Nouveau Cirque, der einer prägenden künstlerischen Tradition verpflichtet ist. Vier Compagnien von drei Kontinenten zeigen neueste Strömungen in dieser Disziplin und drücken ihr ihren eigenen Stempel auf. In der bildenden Kunst können Besucher ganz konkret in Projekten ihre Spuren auf dem Festival hinterlassen.
Tollwood wurde größtenteils ohne Subventionen aufgebaut – wie war das möglich ohne die Grundsätzlichen Werte und Ideen hinter dem Festival zu verlieren? Gemeint ist hier natürlich, die Gefahr der Kommerzialisierung.

Das Festival basiert, wie gesagt, auf einem Drei-Säulen Modell. Über die Einnahmen aus dem „Markt der Ideen“ finanzieren wir das kulturelle Programm. Richtungsweisend ist für Tollwood dabei stets der Grundsatz, dass Kultur für alle da ist – deswegen finden über 75 Prozent aller Veranstaltungen eines jeden Festivals – vom Kinderprogamm, über Musik-Acts und Performances – bei freiem Eintritt statt. Auf diese Weise gelingt es – auch angesichts der heutigen Größe des Festivals – die Philosophie dessen, was das Tollwood seit jeher ausmacht, zu bewahren.
Der Weltsalon macht sich zur Aufgabe poltische Themen mit starker Einbeziehung des Publikums zu diskutieren. Welche Namen sind dieses Jahr vertreten? Wie kann das Publikum einbezogen werden?

Der Weltsalon ist ein Ort der Begegnung! Er lädt Besucher zum Entdecken und Erkunden, Verweilen und Diskutieren ein. Diese Mischung aus Informiert-Werden und Erleben ist dort Programm: Nicht Theorien, sondern Menschen und ihre Erfahrungen, nicht Hilflosigkeit, sondern Ermutigung zum Aktiv-Werden stehen im Vordergrund. Das möchten wir den Besuchern im Weltsalon nahebringen. Dafür veranstalten wir nicht nur Podiumsdiskussionen, sondern auch Kabaretts, Lesungen, Ausstellungen, Diavorträge und Filme. Es ist wichtig, die Menschen emotional anzusprechen, um eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Themen zu erreichen.
Teilnehmer sind in diesem Winter u.a.: General a.D. Dr. Klaus Reinhardt, ehem.Befehlshaber des NATO-Kommandos Joint Headquarters Center und der KFOR-Friedenstruppe im Kosovo, Vera Bohle, erste deutsche Minenräumerin und Rüdiger Nehberg, Abenteurer und Gründer der Organisation TARGET.
In Anlehnung an das Festivalmotto lautet im Weltsalon das Motto: „Spurwechsel – Auf dem Weg in die Zukunft“. In Podiumsdiskussionen, Kabaretts, Ausstellungen, Diavorträgen und Filmen geht es um drei umweltpolitische und soziale Themenschwerpunkte: In dem Veranstaltungsblock „Mensch und Mensch – von der Herausforderung des Zusammenlebens auf einer Kugel“ geht es um die Folgen von Krieg und Klimawandel für den Menschen; im UN-Jahr der Artenvielfalt blickt der Weltsalon unter dem Thema „Wilde Erde, wildes Leben“ auf beeindruckende Lebensgemeinschaften in der Tierwelt, und unter dem dritten Themenschwerpunkt „Die Mutigmacher – Menschen, die die Welt verändern“ stellt der Weltsalon Persönlichkeiten vor, deren Lebenswege und -leistungen Mut zum Handeln machen sollen.

Die Fragen hat Imre Withalm gestellt.

Von 24. November bis 31. Dezember lautet das Motto: „Spuren – vom Suchen und Finden“. Nicht nur im „Weltsalon“, wo publikumsnah diskutiert wird.

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