Schlachten im Unterricht – ein Skandal?
Ein Lehrer schlachtet im Unterricht ein Kaninchen und die Meinungen darüber gehen auseinander. Wir haben die Kinder vom Biohof Wiesner gefragt, was sie vom Schlachten im Bio-Unterricht halten.
Diese Woche gab es Ärger an einem Gymnasium in Horn (Niederösterreich). Ein Biologielehrer schlachtete im Unterreich vor 14 jährigen Schülern ein Kaninchen. Einigen Anwesenden gefiel das nicht, und so informierten sie den Schulleiter, der wiederum den Bezirkshauptmann in Kenntnis setze, der daraufhin Anzeige wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz bei der zuständigen Staatsanwaltschaft stellte.
Eine Mutter postete ihr Entsetzen über das öffentliche Töten eines Tieres bei Facebook und die Aufregung wurde so groß, dass die Presse sogar begann zu orakeln, was den Lehrer veranlasst haben könnte, das Tier zu schlachten. Ganz egal, ob es dem Lehrer darum ging, den Zusammenhang zwischen dem Töten von Tieren und dem Verzehr von Fleisch deutlich zu machen, oder ob er einfach die Anatomie der Kaninchen zeigen wollte: offensichtlich ist es nicht opportun, 14jährigen Gymnasiasten zuzumuten, einer Schlachtung beizuwohnen.
Wir selbst konnten uns nicht mehr daran erinnern, wie wir mit 14 über den Zusammenhang zwischen dem Fleisch auf unserem Teller und dem Töten von Viechern gedacht haben. Deshalb haben wir Teenager um eine Einschätzung der Causa Schlachtung im Biologie-Unterricht gebeten. Und weil wir nicht irgendwen um seine Meinung bitten wollten, sondern Teenager mit einem Einblick in die Zusammenhänge unserer Nahrungsmittelproduktion, haben wir die Kinder der Familie Wiesner gefragt, die auf einem Selbstversorger-Bio-Bauernhof aufwachsen.
Mein Name ist Mae Wiesner und ich bin 15 Jahre alt. Ich besuche das Wienerwaldgymnasium in Tullnerbach. Wie auch meine Brüder habe ich mir Gedanken über das Schlachten von Tieren im Unterricht gemacht.
Was lernen Kinder bei einer Schlachtung? Nun das ist eine gute Frage. Ich kann Ihnen nur sagen, was ich lerne. Es ist nicht nur der Tod des Tieres, den ich bei einer Schlachtung sehe. Es ist viel mehr. Die Weiterverarbeitung nach der Schlachtung lehrt einen, wie man qualitatives Essen selber produziert. Da ich mit so etwas aufgewachsen bin, ist es für mich quasi Alltag, doch für viele Gleichaltrige ist das widerlich. Doch das sollte nicht so sein, es sollte jeden interessieren, wie sein Essen entsteht. In Wirklichkeit wissen sie nicht was bei einer Schlachtung passiert. Was die Auswirkungen des Stresses auf das Fleisch bewirken. Und somit auch auf unseren Körper und Organismus.
Meiner Meinung nach sollte dieser Lehrer geehrt werden, denn er hat den Kindern gezeigt, was mit so einem Kaninchen passiert bevor es am Teller landet. Er wollte den Kindern die Augen öffnen und nicht aus Empörung sondern aus Interesse. Die Kinder sollten sich freuen, so einen pflichtbewussten Lehrer zu haben, der sich Gedanken um das Essen der Kinder macht.
Ich würde den Lehrer unterstützen wenn ich die Chance hätte.
Wir sind Moritz (17), Max (17) und Meo (11) Wiesner und wir besuchen das Gymnasium Hollabrunn. Unsere Eltern haben sich vor vielen Jahren entschieden einen Bauernhof zu kaufen und ihr Leben als Landwirte zu führen. Da wir viele unserer Lebensmittel selbst produzieren, haben wir auch schon oft Schlachtungen miterlebt. Aus diesem Grund befassen wir uns mit dem Thema, dass vor einigen Tagen für Aufregung sorgte.
Ein Lehrer am Horner Gymnasium schlachtete vor seiner Biologieklasse ein Kaninchen. Dies führte zu heftigen Diskussionen und Aufrufen vieler Personen. Sollte man das Schlachten von Tieren während des Unterrichts erlauben? Diese Frage stellten auch wir uns, die Kinder der Familie Wiesner. Wir leben auf einem Selbstversorgerhof, wo wir den Bezug zwischen lebenden Tieren und Lebensmitteln hautnah miterleben können.
Zwar war die Aktion des Lehrers, vor unvorbereiteten Kindern einen Hasen zu schlachten, nicht sehr einfühlsam gegenüber den 14-Jährigen Jugendlichen, die vorher noch nie derartige Dinge erlebt haben.
Jedoch denken wir, dass an dieser Form des Unterrichts grundsätzlich nichts verwerflich ist, da man den Kindern damit nicht nur den Bezug zwischen lebenden Tieren und dem Fleisch auf ihren Tellern vermittelt kann, sondern ihnen auch viel über Ernährung und Gesundheit zeigen könnte. Da heutzutage nur wenige Kinder die Herkunft ihrer Lebensmittel kennen oder kennen wollen, sollte die Schule solches Wissen verbreiten.
Außerdem denken wir, dass das Schlachten eines Tieres einer der natürlichsten Prozesse ist und deshalb nicht so barbarisch oder gar unmenschlich dargestellt werden sollte, wie in der Debatte um den Horner Lehrer.
Abschließend sollte man sich überlegen, dass es toleriert wird, dass Tiere in Massentierhaltung leben und sterben ohne jeweiligen emotionalen Kontakt zu Menschen, es jedoch verhöhnt wird, wenn ein Nutztier herangezogen wird und nach einem Leben ohne Stress und Marter stirbt und es verarbeitet wird.
Daher appellieren wir an alle Gegner dieser Unterrichtsmaßnahme, ihre Meinung zu überdenken.
Mehr zur Invisibilisierung der Produktion von Fleisch und des Tötens von Nutztieren hat uns der Ethnologe Marin Trenk hier im Interview erzählt.