Eine schweinisch gute Idee

Tristam Stuart beim Füttern von Schweinen.

Tristam Stuart beim Füttern von Schweinen. (Bild: The Pig Idea)

Nachdem eine EU-Verordnung tierische Lebensmittelabfälle im Schweinefutter untersagt, ist der Anbau von genmanipulierten Futtermitteln massiv gestiegen. Das möchten Tristram Stuart und seine Mitstreiter von »The Pig Idea« rückgängig machen.

Seit Jahrtausenden fressen Schweine die Speisereste, die der Mensch übrig läßt. Sie enthalten Eiweiß und Energie sowie weitere wertvolle Inhaltsstoffe und werden mit anderen Nebenprodukten vermischt verfüttert. Seit dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche 2001 in Großbritannien verbieten einschlägige EU-Verordnungen die Fütterung von Schweinen mit allem Tierischen. Auch tierische Fette oder synthetisch hergestellte Öle dürfen nicht mehr verfüttert werden. Nun haben Forscher an der University of Cambridge untersucht, was geschehen würde, wenn die EU das Verbot aufheben würde und man wieder Speisereste verfüttern würde, die mithilfe neuer Technologien hitzebehandelt wurden. Das Ergebnis: 90 Mio. Tonnen überschüssiges Essen könnten verfüttert, 20.000 km² Anbaufläche anderweitig genutzt und die Kosten für die Fütterung halbiert werden.

Tristram Stuart, Buchautor und engagierter Aktivist gegen die Lebensmittelverschwendung, hat mit »The Pig Idea« eine Kampagne gegründet, die sich nichts weniger als die europaweite Wiedereinführung der Verfütterung von Speiseresten an Schweine auf ihre Fahnen geschrieben hat. Wie er dazu gekommen ist, hat er BIORAMA persönlich erklärt.

BIORAMA: Worauf möchte die Kampagne »The Pig Idea« aufmerksam machen?

Tristram Stuart: Schweine sind seit Tausenden von Jahren effiziente Recycler an der Seite des Menschen – in einem ganzheitlichen und nachhaltigen Kreislauf. Durch die Aufhebung des Fütterungsverbots könnten zwei Millionen Hektar Ackerland, welches derzeit für die Produktion von Getreide und Soja als Schweinefutter genutzt wird, wieder der Produktion von menschlicher Nahrung zugeführt werden. Gleichzeitig ließen sich Millionen Tonnen Lebensmittelreste über den Schweinemagen nachhaltig verwerten, die derzeit im Müll landen.

Sie sind preisgekrönter Buchautor, Aktivist und Experte für globale Nahrungsmittelverschwendung. Wie sind Sie persönlich an dieses Thema geraten?

Während meiner Schulzeit begann ich, zuhause im Garten einige Schweine zu halten. Als Futter sammelte ich abgelaufene Lebensmittel vom Supermarkt und altes Brot von der Bäckerei. Das Fleisch verkaufte ich an die Eltern meiner Mitschüler und verdiente mir ein willkommenes Taschengeld. Dabei stellte ich fest, dass viele der Lebensmittel, die täglich im Müll landen, noch geniessbar sind und ich sie jederzeit selber essen würde. Die Tatsache, dass wir 40% aller produzierten Nahrung wegwerfen, ist nicht nur ungerecht gegenüber den Mio. von Hungerleidenden, sondern auch ein unerträglicher Beweis für die mangelnde Effizienz unseres Wirtschaftssystems.

Wenn sich die EU-Verordnung auch nicht so schnell ändern läßt – gibt es Lebensmittelüberschüsse, die man heute schon legal verfüttern darf?

Ja, und wir praktizieren das auch schon. Die Bedingung dafür ist, dass die überschüssigen Lebensmittel nicht mit tierischen Produkten in Berührung gekommen sind. Einige Hersteller bieten bereits die Lieferung derartiger Chargen an die Tierzüchter an, aber es ist auch Teil unserer Kampagne, dass das zur Norm für die gesamte Lebensmittelindustrie wird. Für tierische Speisereste aus der Gastronomie und den Großküchen ist ein zusätzlicher Erhitzungsprozess auf über 80 Grad notwendig, um den Schutz vor möglichen Seuchen zu gewährleisten.

Die Forderung: Lasst die Schweine Müll fressen

Die Forderung: Lasst die Schweine Müll fressen

97% des weltweiten Soja-Anbaus dient ausschließlich der Futtermittelproduktion. Nach Schätzung der UNO könnte man drei Mrd. Menschen zusätzlich ernähren, wenn die Flächen zum Anbau von Futtermitteln für Getreide zur menschlichen Nahrungsproduktion verwendet würden. Könnte die entstehende Lücke bei den Futtermitteln durch Überschuss- und Nebenprodukte gedeckt werden?

Futtermittel wie Mais und Soja aus Südamerika machen heute bereits ¾ der Kosten in der Schweinezucht aus. Hier wartet für die Bauern ein lukratives Geschäftsmodell, sobald man großflächig wieder auf die »Schweinekübel«-Fütterung umstellt. Für die Konsumenten bedeutet es einen Anreiz zu wissen, dass sie mit dem derart gefütterten Schweinefleisch auch einen Beitrag zur Erhaltung des Regenwaldes leisten, weil keine zusätzlichen Ackerflächen mehr benötigt werden. Die Nahrungsmittelproduzenten hätten fixe Abnehmer für ihre Nebenprodukte und den Lebensmittelüberschuss. Wenn alle diese Faktoren am Markt positiv zusammenspielen, wäre billigeres und wertvoller gefüttertes Schweinefleisch das Ergebnis.

Seit der EU-Verordnung 2001 sind die Sojamehl-Importe nach Europa drastisch gestiegen und viele kleinere Schweinemast-Betriebe mussten aufgrund der höheren Kosten schließen. Welche Auswirkungen hätte eine Freigabe der Überschuss-Fütterung auf diesen Markt?

Die überwiegende Mehrheit der weltweiten Soja-Produktion wird inzwischen von wenigen multinationalen Konzernen kontrolliert. Auch wenn ihre Geschäftsmodelle häufig resistent gegen lokale Gesetze scheinen, so sind sie doch sehr empfindlich für öffentliche Kritik an ihren Verstößen gegen den Umweltschutz und die Menschenrechte. Wir hoffen, dass die umweltfeindlichen und unsozialen Praktiken dieser Industrie ans Tageslicht kommen, wenn das Thema mehr in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt.

Welche weiteren Schritte hat »The Pig Idea« für 2016 geplant?

Wir lassen gerade ein Gutachten über die biologische Sicherheit des geplanten Fütterungsverfahrens erstellen. Gleichzeitig arbeiten wir mit einem Netzwerk von Partnern und Institutionen an einem Plan zur europaweiten Umsetzung der Wiedereinführung der Überschuss-Fütterung. Für jegliche Fleischproduktion muss heute der nachhaltigste und umweltverträglichste Weg gesucht werden. Damit dies auch legal möglich wird, sollte die EU das Verbot dringend überdenken. Die Wiedereinführung von Abfällen als Futter erfordert Unterstützung von allen Beteiligten: Produzenten, der Bevölkerung und den Politikern, aber es gibt ein großes Potenzial, die Schweinefleisch-Produktion in der EU ökologisch wie wirtschaftlich nachhaltiger zu machen.

Hier geht es zur Website der Kampagne.

VERWANDTE ARTIKEL