The Idler Academy: Müßiggang will gelernt sein

Mario Spann

Die Schnecke pfeift auf die Schnelllebigkeit der Zeit. Bild: flickr.com/Mario Spann – CC BY-SA 2.0)

Tom Hodgkinson bietet im Rahmen der Idler Academy Kurse zum Thema Müßiggang und Entschleunigung an. BIORAMA sprach mit ihm über sein Leben als Müßiggänger und sein neues Kurs-Angebot.

Wenn der Wecker laut läutend den Start in den Tag vorgibt, in der Straßenbahn mit dem Kaffee zum Mitnehmen in der Hand schon einmal die eingegangenen Arbeits-E-Mails gecheckt werden und das Leben gefühlt an einem vorbeizieht, dann ist es an der Zeit, einen entschleunigenden Online-Kurs im Müßiggang zu buchen. Sie fragen sich, wie und warum? Der Brite Tom Hodgkinson weiß die Anworten darauf.

The Idler Academy ist Tom Hodgkinsons neues Projekt. Ausgehend von der seit 1993 erscheinenden Zeitschrift The Idler bietet der Autor und Experte zum Thema Müßiggang und Entschleunigung nun auch Kurse in eben diesen Bereichen an. Denn auch die Abkehr von der Schnelllebigkeit will gelernt sein. Neben dem Basis-Kurs „How to  be idle“, der online angeboten wird, gibt es eine Reihe anderer schöner Fertigkeiten, die man sich aneigenen kann: das Setzen von römischen Mosaiken, Ukulele-Spielen oder etwa Basiskenntnisse im Bereich Kalligraphie.

In einem Gespräch mit BIORAMA erkärt uns Tom Hodgkinson die Ziele der Akademie und erzählte über sein eigenes Leben als aktiver Müßiggänger.

BIORAMA: Ist es sehr schwierig in einer kapitalistisch geprägten Gesellschaft müßig zu sein? Wie gehen Sie mit den Problemen um, die Ihnen auf Grund Ihres besonderen Lebensstils begegnen? 

Tom Hodgkinson: Im Laufe der 21 Jahre, seitdem ich die Zeitschrift The Idler gegründet habe, haben Menschen täglich zu mir gesagt „Oh, du bist ja eigentlich überhaupt kein Müßiggänger!“ Es stimmt, dass es schwierig ist, anderen Leute etwas beizubringen und den Müßiggang voranbringen zu wollen. Aber: Ich habe mich dafür entschieden und ich genieße es. Und ja, es ist schwierig, müßig in einer kapitalistischen Gesellschaft zu sein, denn diese baut auf harter Arbeit auf. Wenn man nicht arbeitet, wird gesagt, dass man auch die Vorteile nicht verdient. Das ist aber ok, denn Müßiggänger sind auf diese Vorteile nicht angewiesen, wie etwa ein großes Haus, ein Auto, Urlaub usw.

Wie ragieren die Leute auf die Kurse, die Sie anbieten? Haben Ihre Kunden und auch die Mitglieder des Idler’s Club nach Aktivitäten wie diesen gefragt?

Die Kurse, die wir anbieten, sind eine Mischung aus Aktivitäten, die wir selbst geplant haben, Aktivitäten, die von Leuten nachgefragt wurden und Aktivitäten, die uns vorgeschlagen wurden. So haben wir zum Beispiel mit dem Tierpräparations-Kurs angefangen, weil Mabel Edward zu uns in den Laden gekommen ist und das vorgeschlagen hat. Mit unsereren Sessions in klassischer Musik war es ähnlich. Sandy Burnett kam zu mir ins Geschäft.

Hodgkinson-boots-RICK MORRIS PUSHINSKY

Müßiges Lesen: Tom Hodgkinson. Bild: Rick Morris Pushinsky

Können Sie die Ukulele spielen? Und welche Fertigkeiten möchten Sie selbst noch lernen? 

Ich spiele seit acht oder neun Jahren Ukulele, aber ich würde mich immer noch als Amateur bezeichnen. Jetzt möchte ich das Tanzen lernen.  

Braucht es nicht einen grundlegenden Wandel in der Gesellschaft, damit die Menschen wieder mehr Zeit für sich selbst und ihre Freunde und Familie haben? Wie können wir diese Veränderung erreichen? Was kann jeder von uns dafür tun?

Ja, ich würde Ihnen zustimmen. Ich denke, dass man Veränderungen auf einem persönlichen Level machen und auch Veränderungen auf einer sozialen Ebene vorantreiben kann. Jeder kann für sich versuchen, sein Leben umzustrukturieren und so mehr Freizeit und Autonomie zu erlangen. Ein einfacher Weg zu mehr Freizeit ist es, mit dem Fernsehen und Shoppen aufzuhören. Das bringt einem viele Stunden! Ich trete auch für die Vier-Tage-Woche ein. Das ist auch unter Arbeitern und Geschäftsleuten eine immer beliebter werdende Idee.

Viele dieser Fähigkeiten der „alten Schule“, für die Sie Kurse anbieten, verschwinden zunehmend. Ist es ein Ziel der Idler’s Academy, diese Fertigkeiten zu erhalten und zu fördern? 

Ja. Viele dieser Fertigkeiten muten vielleicht etwas old school an. Wir unterrichten auch Englische Grammatik, weil sie in den Schulen nicht gut unterrichtet wird.

Sie haben drei Kinder. Ist es schwierig, ihnen den Müßiggang beizubringen? Oder haben Kinder ein grundlegendes Verständnis für diese Lebensweise? 

Das ist ein großes Problem für mich. Ich sagen ihnen, dass sie hart arbeiten sollen und sie zitieren meine Bücher und Zeitschriften zu ihrer Verteidigung. Das ist zum Beispiel ein Gespräch mit meinem Sohn Henry, der neun Jahre alt ist – ich werde wirklich ärgerlich, wenn er zu viel mit dem Computer spielt: „Was bringen dir diese Computerspiele  eigentlich, Henry? Stell dir vor, du würdest stattdessen Geige üben – du wärst mittlerweile richtig gut darin.“ Und er sagt: „Sie machen Spaß, das bringen sie. Sie sind ein … müßiges Vergnügen.“

VERWANDTE ARTIKEL