„Schnitzelstar“-Kinderbuch: Vegetarier Tegetthoff kritisiert VGT
Nach Beschwerde beim Werberat zieht AMA ein Kinderbuch über Fleisch zurück. AMA-Sprecherin Manuela Schürr im Interview. Außerdem: ein Statement von Autor Folke Tegetthoff, in dem dieser vegane Aktivisten angreift.
Die Affäre um das Fleisch-Kinderbuch der Agrarmarkt Austria (AMA) geht in die nächste Runde. Nachdem sich Vegan-Aktivisten des Verein gegen Tierfabriken (VGT) beim Werberat beschwert hatten, dass das Buch „Woher kommst denn du, Fleisch?“ das Thema Schlachtung und Nutztierhaltung verharmlose und in Folge auch der Werberat die Publikation kritisiert hatte, hatte die AMA angekündigt, das Kinderbuch nicht zu verteilen. Eigentlich hätte das Büchlein im Herbst von „Seminarbäuerinnen“ kostenlos in Kindergärten verteilt werden sollen, um Nutztierhaltung zu thematisieren. Nach massiven Anfeindungen auf Facebook und Twitter – dazu weiter unten AMA-Sprecherin Manuela Schürr im Interview – meldete sich nun auch der Autor des Buches, der sonst für seine „Kräutermärchen“ bekannte Geschichtenerzähler Folke Tegetthoff zu Wort.
In einer ursprünglichen Version hatte Tegetthoff den prominenten VGT-Aktivisten Martin Balluch angegriffen. BIORAMA kommt der Bitte des Autors gerne nach und veröffentlicht auch seinen Widerruf. Folke Tegetthoff: „Ich habe behauptet, DDr. Martin Balluch sei bereit seine Ideologien mit Gewalt durchzusetzen. Ich widerrufe diese Behauptung als unwahr.“
Das Statement von Autor-Folke Tegetthoff in einer überarbeiteten Version:
„AMA – und somit auch ich – verfolgen mit der Serie
„Woher kommst denn du, Milch?“,
„Woher kommst denn du, Bio?“ und
„Woher kommst denn du, Fleisch?“,
gerichtet an Kinder im Schulalter, eine Bewusstseinsbildung für qualitätsbewusstes Essen.
Es geht weder um Warnung vor Milch bei Laktoseunverträglichkeit, noch um eine Warnung vor „alternativ denkenden Menschen“, die biologische Nahrungsmittel über alles stellen und somit geht es auch nicht um eine Warnung vor „Fleischfressern“.
Die Forderung fundamental agierender Menschen bedeutet nichts anderes, als Fleischkonsum zum Schutz von Tieren einzustellen.
Als seit vielen Jahren vegetarisch (vegan) Lebender halte ich diese Forderung für nichts als fundamentalistisch. Menschen waren von Beginn ihres Lebens Fleischfresser und niemand hat das Recht, anderen Menschen vorzuschreiben, wie sie sich zu ernähren haben.
Was wir aber sehr wohl tun können, und das hat mich an der Arbeit von AMA überzeugt, weshalb ich auch diesen Auftrag mit Freude übernommen habe, ist, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Tiere erstens artgerecht gehalten, artgerecht aufgezogen und auch auf möglichst humane Art und Weise geschlachtet werden.
Konkret zu meiner Arbeit: Das Wort „Nutzvieh“ bezieht sich bereits klar und eindeutig auf den Sinn dieses Begriffs. Nutzvieh wird gezüchtet zu einem Zweck: Es der Schlachtung zuzuführen, um den (leider enormen) Bedarf an Fleisch zu decken. Es wäre mir niemals eingefallen, für eine Legebatterie oder einen Hypermastbetrieb eine Geschichte zu schreiben, aber ich will dazu beitragen, klarzustellen, dass die Arbeit mit einem „Qualitätsprodukt“ (und auch wenn ich es nicht schreiben möchte, ist es ein Fakt: Im Regal liegt für die allermeisten Menschen kein Tier, sondern ein Produkt) – und biologisch gezogene Tiere verursachen einen ungleich höheren Aufwand – seinen Preis hat.
Nutzvieh existiert nicht, um in einem Streichelzoo sein Lebensende abzuwarten. Sein Schicksal ist von seiner (künstlichen) Befruchtung an, einem Zweck zugeführt. So hart dies klingen mag, ist es ein unumstößliches Faktum, dessen Leugnung nichts als ein verkehrtes Weltbild signalisiert. Meine Intention war – und so seltsam dies auch klingen mag, kommt meine Inspiration dazu aus dem Hinduismus – die Situation des Tieres dadurch zu verbessern, indem es sich über seinen „Zweck“ im Klaren ist. Dem Schwein, der Kuh oder dem Huhn weiß machen zu wollen, dass es ein glückliches Leben auf einer Almwiese führen KÖNNTE, halte ich für „abartig und pervers“ (als solches wurde ich übrigens auf meiner Website im Rahmen eines Shitstorms bezeichnet. Ich frage mich, welche Attribute jene Leute für Kinderschänder und Sexualmörder verwenden…).
In jeweils zwei Absätzen lasse ich die Tiere eine „Erkenntnis“ haben – nämlich, dass ihre Existenz darauf begründet ist, zu sterben. Nun frage ich mich (und meine Kritiker): Verbessert es meine Lebenssituation, wenn ich mein Ende weiß und versuche, daraus das Beste zu machen („Gesundes, wertvolles, biologisches Fleisch zu werden“) oder wenn ich wirklich zu nichts anderem als zu einem Batzen Fleisch degradiert werde. Und um den nun aufschreienden Ideologen sofort zu entgegnen: Es gibt für das Nutztier KEINE Alternative (außer, wie ich es tue, vegetarisch zu leben).
Was ist das Ziel meiner Kritiker? Die geschätzten 10 Millionen Nutztiere in Österreich freizulassen? Den Staat eine Verordnung erlassen lassen, die den Fleischkonsum verbietet?
Die Situation des Nutzviehs (noch einmal: so sehr ich dieses Wort hasse) in Massentierhaltung zu verbessern – und nur das kann ein erster, elementarer Schritt sein – funktioniert nur und ausschließlich über eine Bewusstseinsänderung des Konsumenten: Wer für ein Kilo Fleisch 3,- Euro zahlt, macht sich keine Gedanken darüber, woher dieses Tier kommt und wie es aufgewachsen ist.
Und das ist die Leistung von AMA und so sehe ich meinen Auftrag: Die Situation der Tiere zu verbessern durch Bewusstseinsbildung. Wem klar wird, wie Tiere (NUTZTIERE) aufwachsen, wie sie, die Tiere, selbst „ihre Situation sehen“ (siehe oben), ob sie, die Tiere, in einem Massenkäfig aufwachsen oder auf einer Wiese, welches Futter sie bekommen und, ja auch, welchem „Nutzen“ sie zugeführt werden, dem wird geholfen, den ersten, so entscheidenden Schritt zu setzen.
Durch die Personifizierung des Tieres, indem es erzählt, kann ich – vielleicht – erreichen, dass Kinder bei ihrem nächsten „Schnitzel“ des Tieres gedenken und nicht nur einem Batzen Fleisch, der vor ihnen auf dem Teller liegt.
Ich würde mir nicht wünschen, dass Kinder in die Fänge eines militanten Fundamentalisten geraten, denn wohin eine solche Indoktrination führt, bzw. führen kann, ist hinlänglich bewiesen.
Mein Weg ist ein sanfter, sei es, ob ich über Bio schreibe oder über Fleisch. Nie würde ich – und schon gar nicht Kinder – jemanden meine ureigensten Überzeugungen Kraft meiner Kunst aufoktruieren wollen.
So wie ich seit über 30 Jahren für die Kunst des Miteinander Redens und des einander Zuhörens kämpfe, so kämpfe ich auch mit meiner Literatur für eine Verbesserung von Lebensumständen ALLER Lebenden.
Und: Ich würde eine Geschichte zum Thema „Fleisch“ nochmals genau so schreiben…
Folke Tegetthoff“
BIORAMA bat auch Manuela Schürr, die Pressesprecherin der AMA, um ein Interview über das kritisierte „Schnitzelstar“-Kinderbuch.
Manuela Schürr: Der Entscheidung sind viele intensive Diskussionen mit Herrn Tegetthoff vorausgegangen. Das Briefing lautete, kindgerecht über die Produktion von hochwertigem Fleisch und die Qualitätsstandards in der Land- und Lebensmittelwirtschaft zu schreiben. Und das so realistisch wie möglich. Kinder sollen wissen, dass Fleisch nicht im Supermarkt wächst, sondern von Nutztieren stammt, die wir halten, um sie zu essen. Als Märchenautor mit jahrzehntelanger Erfahrung, hat mich seine Expertise überzeugt, dass Kinder mit phantasievollen Geschichten am besten zu erreichen sind – aus einem ganz einfachen Grund: Kinder lieben Geschichten.
Manuela Schürr: Eben weil es ein Buch für Kinder ist! Aber uns ist bewusst, dass Themen wie Tierhaltung und Schlachtung besonderes Fingerspitzengefühl brauchen.
Manuela Schürr: Das Büchlein ist Teil einer Trilogie. Wir haben im Vorjahr schon zwei Bücher zum Weg der Milch und zu Bio veröffentlicht und sehr positives Feedback bekommen. Es ist wohl noch ein intensiver Weg, bis das Thema Fleischproduktion vorurteilsfrei diskutiert werden kann.
Manuela Schürr: Heute würde ich noch mehr Augenmerk auf den Realitätsbezug legen. Die wachsende Sensibilität für Lebensmittel ist gut und sinnvoll. Das unterstützt uns bei der Erfüllung unseres gesetzlichen Auftrags sehr.