Tatort Auslage – Kampagne gegen Magersucht

Andrea Mautz Bild: Astrid Knie

Andrea Mautz
Bild: Astrid Knie

Das weibliche Schönheitsideal wird in unseren Breiten durch eine Schaufensterpuppe mit Konfektionsgröße 32 und Gesichter mit glatt-retuschierter Haut verkörpert. Eine Vorgabe, die sich fast nur mit gestörtem Essverhalten und Schönheitsoperationen erreichen lässt. Viele Frauen und Mädchen sind einem enormen gesellschaftlichen Druck ausgesetzt, der sie bis zu krankhaften Verhaltensweisen drängt. Dagegen engagieren sich die Bundesfrauen der SPÖ. BIORAMA war im Interview mit SPÖ-Bundesfrauengeschäftsführerin Andrea Mautz über das kranke Schönheitsideal und ihre Kampagne „Tatort Auslage“.

 

BIORAMA: Warum engagiert sich die SPÖ beim Thema Magersucht?

Wir sind schon länger an dem Thema dran. Der Auslöser für mich war ein Treffen mit ca. 200 jungen Frauen zwischen 13 und 17 Jahren, bei dem eines der bestimmenden Themen die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und der hohe Druck, schön zu sein, war. Ich hab mich weiter umgehört – das bleibt eigentlich über alle Altersschichten gleich, denn über die Werbung und die Bilder, die wir täglich sehen wird unser Bewusstsein massiv beeinflusst. Da ist klar, dass man am Abend in den Spiegel schaut und unzufrieden ist weil irgendetwas am eigenen Körper nicht perfekt ist. Wenn man sich das Schönheitsideal ansieht dann kommt man sich immer fett vor, das Bild ist inzwischen einfach krankhaft geworden. In Österreich werden mittlerweile 80.000 Schönheitsoperationen pro Jahr vorgenommen.

Kennen Sie persönlich Frauen, die davon betroffen waren oder sind?

Zur Zeit meiner Pubertät kannte ich zwei Frauen, die an Magersucht gelitten haben. Das hatte teilweise sehr schlimme Folgen, die Krankheit kann ja lebensbedrohlich werden. Heute sind viele Essstörungen weit verbreitet und werden schon fast als normal angesehen. Jedes zweite Mädchen zwischen 11 und 13 Jahren hat schon eine Diät hinter sich. Solche Zahlen lassen mich wachsam werden. Es kann doch nicht sein, dass sich kaum eine Frau mehr in ihrem Körper wohl fühlen darf.

Sie treten dafür ein, dass bearbeitete Fotos gekennzeichnet werden. Was soll sich noch verändern?

Der erste Schritt für uns waren Gesetzesinitiativen im Bildbearbeitungsbereich, stark bearbeitete Fotos sollen zukünftig gekennzeichnet werden.

Außerdem setzen wir uns für den Mindest-BMI bei Models ein. Bei der Madrider Modewoche Pasarela Cibeles im September 2006 wurde erstmals ein Body-Mass-Index von mindestens 18 verlangt. Italien und Israel haben diese Initiative aufgegriffen. Diese Zahl könnte auch für Österreich ein Richtwert sein. Wir haben mit vielen Modefotografen geredet und die Aussagen waren meist, dass die Mädchen wirklich erschreckend dünn sind und oft sogar die Kraft für Fotoshootings über 2-3 Stunden fehlt. Da muss sich das Bewusstsein so wandeln, dass auch ein gesunder Körper als schön angesehen wird.

Der dritte Punkt sind die Schaufensterpuppen, an denen sogar Kleidungsstücke mit Größe 34 hinten mit Stecknadeln fixiert werden müssen, weil sie so dünn gestaltet werden. Einige Modeketten habe Puppen eingesetzt, die Größe 38 tragen – das hat eine immense mediale Aufmerksamkeit bewirkt. Natürlich kann man hier kaum Vorschriften machen, das Thema baut stark auf freiwilligen Veränderungen von Modehäusern auf.

Hätten Sie nicht die Befürchtung, dass Industrie und dem Schönheitswahn verfallene Mädchen zusammenarbeiten, um diese Regelungen auszutricksen?

Es gibt mit vielen Vorschriften Probleme. Ich würde trotzdem davon ausgehen, dass eine Regelung eine Erleichterung bewirkt und die Branche auch ein Bewusstsein für ein gesünderes Schönheitsideal bekommt.

Fast die Hälfte der Frauen trägt Kleidergröße 40, viele auch leider noch um einiges größere. Auch Adipositas und Übergewicht sind nicht zu unterschätzende Probleme in unserer Gesellschaft. Gibt es auch in dem Bereich Ansätze?

Wir legen unseren Fokus auf die übertriebenen Schönheitsideale und den enormen Stress damit. Es gibt auch viele Initiativen bezüglich gesunder Ernährung, das ist aber nicht das vorrangige Thema der SPÖ-Frauen. Das gesunde Körperbild in unserer Gesellschaft fehlt einfach. Eine Frau mit 1,69 und 65 kg ist zum Beispiel nicht dick und nicht dünn, aber normal und gesund. Die meistverkaufte Konfektionsgröße in der EU ist die Größe 42, eine Wahrheit, der man sich bewusst sein sollte.

Foto: SJ

Foto: SJ

Formate wie „Endlich schön“ auf Puls 4 boomen. Auch in anderen Ländern. Was kann man gegen diese Art von Verherrlichung der Schönheitsoperationen tun?

Hier wird es mit gesetzlichen Regelungen sehr schwierig. Man kann solche Fernsehformate in einem Land wie Österreich nicht verbieten. Wir setzen hier auf Kampagnen- und Informationsarbeit. Als politische Organisation muss man für Bewusstsein sorgen, damit solche Inhalte kritisch betrachtet werden. Zum Beispiel machen wir Internetinitiativen wie Newsletter-Aussendungen und Banner auf Facebook sowie Diskussionsrunden und Straßenaktionen um Informationen zu verbreiten.

Wie geht es weiter und wie sehen Sie die Chancen, dass diese Veränderungen durchgesetzt werden?

Abgeschlossen ist das Projekt noch lange nicht, die Bewusstseinsbildung ist eines unserer Hauptthemen der nächsten Monate. Die jetzige Legislaturperiode ist vorbei. In dieser haben wir im Bereich der Schönheitsoperationen – bezüglich Jugendschutz, Informationspflichten, Werbeverbote, Altersbeschränkungen – einiges durchgebracht. Für die nächste Legislaturperiode hoffen wir auch noch andere Initiativen voranzutreiben, man muss noch viel Lobbyarbeit machen und Gespräche führen, die ersten Schritte sind schon getan.