Alpine Crossing – Tag 2, Mallnitz: „Ende, bitte warten!“
Ob sich Eustachius und Maseta ebenso gefreut haben, dass zwei Bartgeier über den Bergen des Mallnitzer Seebachtals ihre Kreise ziehen? Wir, 12 JournalistInnen aus Deutschland und Österreich, kamen heute jedenfalls aus dem Staunen nicht mehr hinaus, handelt es sich doch beim Bartgeier um den größten Vogel Europas, dessen Wiederansiedlung eines der erfolgreichsten Artenschutzprojekte im Nationalpark Hohe Tauern ist.
Eustachius (benannt nach dem Schutzpatron der Jagd) und Maseta (MA wie Mallnitz, SE wie Seebachtal und TA wie Tauerntal) sind zwei der mit 2,80 – 2,85 m Flügelspannbreite großen Vögel: 2009 wurden die beiden in der Region ausgesetzt, erstmalig auch mit Sendern ausgestattet, um ihre weitere Reise zu beobachten. Und kurz darauf siedelten sich auf natürlichem Weg die zwei Bartgeier an, die unsere Reisegruppe soeben zu Gesicht bekommen hat, und die mittlerweile auf den Felsen des Tals ihren Horst gebaut haben. „Woher die beiden wussten, dass wir hier zwei Jungvögel ausgelassen haben?“ wundert sich nicht nur Ranger Erwin, der uns seit ein paar Stunden per E-Bike durch die Region führt. Mittlerweile gibt es übrigens nicht nur angesiedelte Bartgeier im Gebiet, im vergangenen Jahr durfte sich Kärnten auch über die erste Freilandbrut in Österreich freuen.
Die beiden Bartgeier, die wir bei der letzten bewirtschafteten Hütte im Seebachtal kurz nach dem Schleierwasserfall entdecken, wo die Jungvögel üblicherweise ausgesetzt werden, sind die Krönung eines gelungenen, aber auch langen Tages: Nach einem Frühstück, das ich beinahe verschlafen hätte, einer kurzen Vorstellung der Alpinen Perle Mallnitz und ausgerüstet mit Wasserflaschen, die das Hotel Alber – neben Bergstöcken, Trekkinghosen und Co. – in der Not dem verzweifelten Wanderer zu Verfügung stellt, geht es endlich los. Bei Wolliger-Sports teilt sich die Gruppe: Während sich rund 12 italienische KollegInnen gleich in der Früh mit den E-Bikes vergnügen, von denen Mallnitz mittlerweile 23 Stück zu Verfügung stellt und die Besitzer des Alpine Pearls-Mobilitätspasses seit 2010 gratis benutzen dürfen, sind wir Deutschen und ÖsterreicherInnen am Vormittag noch zu Fuß unterwegs.
Unsere erste Station: BIOS, seit 2000 Bildungszentrum und Museum des Nationalparks Hohe Tauern, das neben den Dauerausstellungen zu „Fels, Wasser, Luft, Licht“ und der Ranger-Exhibition auch saisonale Sonderausstellungen zeigt. Mit Führungen ab dem Kindergartenalter und in 30 Seminaren jährlich setzen sich der Betriebsleiter Hans Keuschnig und sein Team dafür ein, dass „die Sinne des Menschen so geschärft werden, dass er die Natur anders wahrnimmt“. Ein Ziel, das er wohl mit dem ursprünglichen Erbauer des BIOS-Hauses, Dr. Edmund Mojsisovics, Edler von Mojsvár, gemeinsam hat. Der Bergsteiger, Fossilienforscher und Charles-Darwin-Freund hat um die Jahrhundertwende die heutige Villa Liebermann gebaut, um von seinem Sommersitz aus sowohl den Ankogel, das Hauptskigebiet der Region, als auch die Geißelspitze zu sehen und ergehen zu können.
Und noch eine Gründung geht auf diesen umtriebigen Ehrenbürger von Mallnitz zurück: Gemeinsam mit anderen Studenten hat er nämlich 1862 den Österreichisch-Deutschen Alpenverein, den ersten dieser Clubs auf dem Festland, gegründet. Das 150-Jahr-Jubiliäum wird 2012 von Mallnitz genauso gefeiert werden wie 250 Jahre Alpinismus, denn auch die erste alpinistische Bergbesteigung soll angeblich in der Region stattgefunden haben. Ein Bauer Rieser vom Patschghof soll 1762 den 3.252 m hohen Ankogel erklommen haben – sagt zumindest die Überlieferung durch den Tiroler Alpinisten Peter Carl Thurnwieser. Bloß eine Anekdote oder tatsächlich wahr, die Mallnitzer planen jedenfalls schon jetzt die Feierlichkeiten um diese nicht beglaubigte Erstbesteigung.
Weniger Rekordverdächtig, aber mindestens mit genauso viel Freude geht es bei der Alpine Crossing weiter: Nach einer einstündigen Wanderung durchs Tauerntal, dem letzten – noch – nicht-Autofreien der Mallnitzer Täler, kehren wir auf der Stockerhütte ein. Zünftig, wie es sich für eine Alpenbesteigung gehört, werden Radler und Kärntner Nockerl oder Fleisch Nockerl aufgetischt – eine willkommene Stärkung für die bevorstehende Tour mit den E-Bikes, die die italienischen KollegInnen soeben hinter sich gebracht haben.
Gestartet mit sechs Fahrrädern, die zusammen mit der Solartankstelle vom klima:aktiv mobil-Projekt über das Land Kärnten co-finanziert wurden, hat das Tourismusgebiet Mallnitz mittlerweile 23 der bis zu 3.000 Euro teuren E-Bikes im Betrieb. Ein umweltschonendes Mobilitätsangebot, das von Einheimischen und Gästen gut angenommen wird: Schon 10jährige können – einmal eingeschult – mit den Fahrrädern durch die Mallnitzer Täler düsen, wobei sich die 25 kg schweren Bikes eher nur für leichtes Gelände eignen. Auch die geführten Touren durch den mit 1.834 km2 größten Park der Alpen, den Nationalpark Hohe Tauern, sind regelmäßig ausgebucht. Auf einer eben solchen zeigt uns Erwin, für den nächsten halben Tag „unser“ Ranger, per Elektro-Bike das Seebachtal mit dem Stappitzer See und dem gleichnamigen Bach, in dem die hier als Urforelle bezeichnete Donauforelle in einem weiteren Artenschutzprojekt ebenfalls wieder angesiedelt werden soll. Und weil uns das Radeln im strahlenden Sonnenschein so Spaß macht, fahren wir kurzerhand weiter, statt wie geplant in den Naturlehrpfad zu wandern – zum Glück, schließlich warten am Ende der Tour die beiden Bartgeier auf uns…
„Ich habe das Gefühl, heute so richtig gearbeitet zu haben“, brachte es eine Kollegin zum Abschluss unseres Aktivprogramms auf den Punkt. Und das nicht nur, weil ein paar von uns die letzten Kilometer ohne Elektroantrieb in die Pedale treten mussten: Ihr E-Bike hatte nicht – wie versprochen – „Sprit“ für einen Tag gehabt, sondern schon etwas zuvor schlapp gemacht. Damit uns das nicht passiert, werden wir mit einem weiteren 0-Kilometer-Menü belohnt. Erich, in 4. Generation Betreiber des Sonnenhofs und einer von sieben Genusswirten der Region, hat dafür gestern eigenhändig „alles gesammelt hat, worüber Ihr heute drüber gelaufen oder gefahren seid“. Auf der Alm, wo sonst?!
Mit diesen kulinarischen Highlights sagt die Alpine Crossing 2011 auch „Auf Wiedersehen“ zum Bergsteigerdorf Mallnitz, das wir morgen Richtung Bled verlassen. Oder, wie der Bildschirm gegen 23.00 Uhr nach der endgültig letzten der heute so zahlreichen Powerpoint-Präsentationen verspricht: Ende, bitte warten!
Hier gibts Bilder von Tag 1 und 2 der Alpine Crossing