Strom aus Pflanzen – geht das?

David Cantu

Nach neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft soll diese Pflanze nicht nur Glucose und Sauerstoff, sondern auch Energie produzieren. (Foto: Flickr, Davis Cantu, CC BY 2.0)

Windenergie und Wasserkraft sind bald Schnee von gestern. Die Zukunft der Stromerzeugung ist grün wie Chlorophyll. Das möchten uns zumindest die Forschung glauben machen.

Grüne Energie hat ihren Preis. Sie führt immer wieder zu schweren Eingriffen in die Natur. Windräder gefährden Vögel, Staudämme gefährden Fische und Solarzellen nehmen viel Platz in Anspruch und sind bei Nacht oder auch nur bewölktem Himmel nutzlos. Wäre es nicht schön, zuverlässig Strom erzeugen zu können und die Natur dabei so zu belassen wie sie ist? Das ist momentan eines der höchsten Ziele der Wissenschaft. Immer mehr Forschungsprojekte, die Pflanzen mittels der Photosynthese Strom erzeugen lassen wollen schießen neuerdings wie die Gänseblümchen aus dem Boden. Diese rufen aber auch gesunde Skepsis hervor. Was ist dran an der grünen Pflanzenenergie?

Strom als Abfallprodukt der Photosynthese

Bei der Photosynthese wandeln Pflanzen Kohlendioxid und Sonnenlicht, das mit dem grünen Farbstoff in den Blättern, dem Chlorophyll aufgenommen wurde und Wasser, das mit den Wurzeln aufgenommen wurde in Glucose und Sauerstoff um. Glucose ist ein Traubenzucker, den die Pflanze als Ausgangsstoff für die Bildung von anderen Stoffen braucht. Sauerstoff ist nur ein „Abfallprodukt“ der Photosynthese und für die Pflanze unwesentlich. Überschüssige Glucose wird über die Wurzeln in den Boden abgegeben und von Mikroorganismen zersetzt. Dabei werden Protonen und Elektronen freigesetzt.

Einem niederländisches Forschungsteam von der Universität von Wageningen ist es gelungen, diese frei herumschwebenden Elektronen mit einer speziellen Membran und zwei Elektroden einzufangen und Strom zu erzeugen, ohne die Pflanze dabei zu beschädigen. Auf diese Weise kann ein 100 m2 großes Reisfeld ein Smartphone aufladen. Diese niederländische Erfindung funktioniert derzeit nur mit Wasserpflanzen, wegen der Leitfähigkeit des Wassers. Auf die Wasserqualität kommt es allerdings nicht an, weswegen die Forscher und Forscherinnen optimistisch sind, dass ihre Entwicklung in Zukunft beinahe überall auf der Welt zum Einsatz kommen wird.

Es wurde das Start-up, Plant-e gegründet, um die Kombination aus Energiegewinnung und Dachbegrünung jetzt schon möglich zu machen. In der Universitätsstadt, Wageningen werden schon vereinzelt Straßenlampen mit der grünen Pflanzenenergie betrieben.

Strom aus dem Blumentopf

Wenn es nach dem spanischen Start-up, Bioo ginge, würden wir alle in Zukunft unsere Smartphones und Tablets mit Pflanzen aufladen. Das Unternehmen stellt Blumentöpfe die als Ladegeräte fungieren her. Technisch funktioniert das Ganz ähnlich, wie bei dem niederländischen Produkt, aber mit viel weniger Wasser. Damit soll man sogar 4-6 Liter im Monat sparen, abhängig von der Pflanze.

Im Topf ist ein Tank eingebaut, der die Wasserabgabe an die Pflanze reguliert. Die Energie erzeugenden Mikroorganismen, die bei den Niederländern noch zufällig im Boden vorkommen, sind bei von den Spaniern absichtlich in hoher Konzentration in den Topf integriert worden. Mit einem extrem leitfähigen Nanodraht-Kabel werden die Elektronen eingefangen und in Form von Strom in einen USB-Anschluss transportiert, der in einem Stein im Topf versteckt ist.

Eine Pflanze soll mit diesem Gerät dazu in der Lage sein bis zu 40 Watt Strom mit einer Spannung von 5 Volt zu erzeugen. Damit könnten, laut Hersteller 2-3 Smartphones am Tag aufgeladen werden. Wie lange das dauert soll von der Leistung der Handyakkus abhängen. Das Unternehmen sieht zukünftige Einsatzorte des Ladegeräts neben Haushalten auch am Arbeitsplatz, in Hotels und Restaurants.

Le cactus electrique

Das französische Forscherduo, Victoria Flexner und Nicolas Mano wollten die Photosynthese besser verstehen und haben sich dafür einen Kaktus als Versuchsobjekt hergenommen. Sie haben mit Enzymen präparierte Elektroden in die fleischige Sukkulente gesteckt. So ist es ihnen gelungen Glukosemoleküle chemisch zu oxidieren und Sauerstoff zu Wasser zu reduzieren. Dabei werden Elektronen freigesetzt, die mit einem Kabel „abgezapft“ werden können. Der Kaktus fungiert somit als „biologische Brennstoffzelle“. Je größer die Lichteinstrahlung, desto stärker wird der Stromfluss.

Anwendung für diese Technologie sehen der Forscher und die Forscherin allerdings nicht im Kraftwerksbau, sondern in der Medizin. Auch im menschlichen Körper entstehen Sauerstoff und Glucose. Wenn es gelingt den Mechanismus zu perfektionieren, könnten damit batterielose Herzschrittmacher betrieben werden oder der Blutzuckerspiegel von Diabeteskranken gemessen werden, ohne zu pieksen.

curtis perry

Dieser Neon-Kaktus könnte von einem echten Kaktus betrieben werden. (Foto: Flickr, Curtis Perry, CC BY 2.0)

Zur Zeit steckt diese Technologie noch in der Kinderschuhen und leidet an den üblichen Kinderkrankheiten, aber sie ist schon da. Das ist keine Zukunftsmusik mehr, es ist die Gegenwart. Vielleicht werden wir also noch erleben, wie Wälder zu Kraftwerden werden. Wenn das gelingt, wenn Bäume neben Sauerstoff auch noch Strom erzeugen könnten, wäre eventuell ein lukrativer Anreiz gefunden, um der Abholzung des Regenwaldes ein Ende zu setzen.

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