Starke Frauen im Porträt
Europäerinnen. Frauen mit Vision. Starke Frauen aus Aller Welt sind in der Ausstellung des Frauenmuseum Hittisau, von 26. Mai bis 27. Oktober 2013 zu sehen. Fotos von Bettina Flitner umrahmt von Kurzbiografien von Alice Schwarzer erwarten die Besucher. Zum Beispiel die Österreicherin Elfriede Jelinek, die finnische Schauspielerin Kati Outinen, die deutsche Tänzerin und Choreografin Pina Bausch und die französische Astronautin Claudie Haigneré werden portraitiert.
Die Ausstellung über Frauen mit Vision ist charakteristisch für das Museum in Hittisau. Es befasst sich hauptsächlich mit Frauen und ist damit das einzige seiner Art in Österreich. BIORAMA hat die Direktorin des Museums, Stefania Pitscheider Soraperra, interviewt und mit ihr über bisherige Arbeiten und die aktuelle Ausstellung gesprochen.
BIORAMA: In ihrer Funktion als Direktorin des Frauenmuseums haben Sie bestimmt schon einige Ausstellungen miterlebt und -organisiert. Welche haben Sie besonders beeindruckt?
Pitscheider Soraperra: Es war sehr aufregend, den bis dahin kaum beachteten Nachlass von Susi Weigel zu sichten und daraus 2010 eine Ausstellung zu entwickeln. Susi Weigel hat gemeinsam mit Mira Lobe millionenfach aufgelegte, in Dutzende Sprachen übersetzte Kinderbücher wie „Das kleine Ich bin Ich“, „Bimbulli“ oder „Das Städtchen Drumherum“ geschaffen. Mit ihren wunderbaren Illustrationen hat sie das visuelle Gedächtnis von Millionen Menschen auf der ganzen Welt geprägt. Dass sie vierzig Jahre lange in Bludenz lebte, haben nur wenige Menschen gewusst. Diesen Schatz zu heben war ein Abenteuer.
Aber auch unsere letzte Ausstellung, „Die tollkühnen Frauen“, hat für mich einen besonderen Stellenwert. Es gab schon im frühen 19. Jahrhundert unzählige Frauen, die im Zirkus erfolgreich waren, allein gereist sind, ihr Geld verdient haben. Es waren Artistinnen, Dompteusen, Seiltänzerinnen, Kunstreiterinnen, Kraftfrauen und Zirkusdirektorinnen. Dies zu einer Zeit, als eine durchschnittliche Frau in ihrem Bewegungsspielraum sehr eingeschränkt war.
Was ist das Herausragende an der jetzigen Ausstellung über Europäerinnen?
Bettina Flitners Name gilt schon seit langem als ein Markenzeichen für eigenwillige Fotokonzepte. Immer stehen dabei die Menschen im Mittelpunkt. Zum Beispiel ihre Fotoserie über den Mauerfall 1989, zu der sie Menschen aus Ost und West nach ihrer Befindlichkeit befragte. Für heftige Diskussionen sorgte 2001 auf der Art Cologne ihr Fotoprojekt „Ich bin stolz, ein Rechter zu sein“ über rechtsradikale Jugendliche, einer Portraitserie, die die „Banalität des Bösen“ im Sinne Hannah Arendts verdeutlicht.
Für das Projekt „EUROPÄERINNEN“ ist die Fotografin drei Jahre lang kreuz und quer durch Europa gereist, um „große Europäerinnen, die unseren Kontinent geprägt haben“ zu fotografieren: Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen, Schriftstellerinnen und Forscherinnen, Politikerinnen und Menschenrechtlerinnen. Die Ausstellung zeigt, dass es in vielen Sparten Frauen gibt, die Herausragendes leisten.
Die Rolle der Frau hat sich – vor allem in unseren Breiten – über die letzten Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte hinweg stark gewandelt. Wie sehen Sie Frauen in unserer heutigen Gesellschaft?
Im letzten Jahrhundert ist viel passiert, die Situation der Frauen in Europa hat sich stark gewandelt. Vieles ist möglich geworden. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass die Möglichkeiten, die Frauen heute offen stehen, jenen Frauen zu verdanken sind, die für Gleichstellung gekämpft haben, die sich exponiert haben. Es gibt auch noch viel zu tun. Frauen verdienen nachwievor wesentlich weniger als Männer, in Österreich liegt die Lohnschere bei 25%. Und Gewalt an Frauen ist auch hierzulande ein ernstzunehmendes Problem. Weltweit sind Frauen in vielen Regionen ohnehin Menschen zweiter Klasse.
Welche Entwicklungen würden Sie sich für die Zukunft der Rolle der Frau wünschen?
Wir müssen die Augen offen halten. Es ist an vielen Stellen ein Backlash zu orten. Selbstverständlich gewordene Errungenschaften der Frauenbewegung werden hinterfragt. Ich wünsche jungen Frauen, dass sie sich dessen bewusst werden, das Erreichte nicht als selbstverständlich ansehen und nachwievor bereit sind, für ihre Rechte einzustehen.
Was macht eine Frau so herausragend, dass sie in die Ausstellung aufgenommen wurde, was sind die Gemeinsamkeiten?
Alle EUROPÄERINNEN eint der Mut, ihren eigenen Weg zu gehen. Es sind Frauen, die sich nicht beirren haben lassen. Sie verkörpern positive Rollenbilder.
Welches Portrait hat sie persönlich besonders beeindruckt und warum?
Ich bin sehr beeindruckt vom Portrait der kürzlich verstorbenen Ceija Stojka. Sie war als Kind in drei nationalsozialistischen Vernichtungslagern, hat Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen überlebt. Sie steht für das dunkelste Kapitel europäischer Geschichte, aber auch dafür, einen Weg gefunden zu haben, das Erlebte und Erlittene aufzuarbeiten.
Was finden Sie macht eine bewundernswerte Frau aus?
Jede Frau, die ihren eignen Weg geht, ist für mich bewundernswert. Wie die große Historikerin Gerda Lerner gesagt hat: „jede Frau verändert sich, wenn sie erkennt, dass sie eine Geschichte hat.“ Das ist die Basis, um mutig ins Leben zu treten.