Ameisenkrabbeln und Wasserrauschen
Berge oder Bäume, Wasser oder Schilf, Fische oder Vögel. „Jeder Nationalpark hat etwas Eigenes“, sagt Florian Tanzer. Das VJ-Duo Luma.Launisch, das aus ihm und Astrid Steiner besteht, hat die Besonderheiten der geschützten Natur mit der Kamera eingefangen. Bei „Sounds like Nature“ zählt nicht nur das Zusehen, sondern auch das Zuhören.
Wann bist du das letzte Mal in Österreich auf Urlaub gewesen und hast die Wunder unserer Natur erkundschaftet? Bei mir ist es lange her. Wie eindrucksvoll und unterschiedlich die österreichischen Nationalparks sind, wollen uns die Nationalparks Austria mit einer neuen Öffentlichkeitskampagne beweisen. Für den ersten Clou hat sich die Initiative des Lebensministeriums die VJs Luma.Launisch und den Musiker Richard Eigner ins Boot geholt. Am Donnerstag, den 19. September, steigt das Fest zum Film im MQ Dschungel. Florian Tanzer spricht mit BIORAMA über den Imagefilm „Sounds like Nature“ und warum nicht nur Künstler sondern alle Menschen die Natur brauchen.
BIORAMA: Was ist Luma.Launischs Verbindung zur Natur?
Florian Tanzer: Natur war für uns immer schon eine Inspiration, aber auch das Urbane. Natur ist etwas Analoges, Lebendiges und Lebhaftes. Manchmal muss ich auch weg vom digitalen Arbeitsplatz, aufstehen und etwas Ausschneiden oder Kleben, mit meinen Händen eine filmische Grundlage schaffen. Vor ein paar Jahren haben wir auch mit Super 8 experimentiert. Wir sind Visual Artists, die einen sehr filmischen Look haben und versuchen die Ästhetik von analogem Filmmaterial beizubehalten – das heißt, wir verwenden warme Farben oder legen Super-8-Fehler oder Masken darüber. Wir entschleunigen die Aufnahmen oft, intensivieren die Farben, setzen Überblendungen – auch dieses Mal war es so, unser Stil ist dabei. Künstlerich übermaltes Realvideo könnte man das nennen. Unser Bezug ist also schon vorher da gewesen, und es war leicht für uns, in dieses Thema einzutauchen. Trotzdem war es für uns ein intensives Erlebnis.
Zu „Sounds like Nature“ gibt es bis jetzt wenige Informationen. Kannst du ein bisschen erzählen, was ihr gemacht habt?
Am Donnerstag präsentieren wir im MQ Dschungel den kurzen Imagefilm Sounds like Nature, der danach online geht. Dafür haben wir den Musiker Richard Eigner, auch bekannt als Ritornell, dokumentarisch begleitet, wie er den Nationalparks die Sounds entlock, sind dann in die Natur abgedriftet und haben unsere Perspektiven gesucht. Er hat daraus durchaus rhythmisches Ambiente gesampelt. Astrid hat sich um die Gesamtleitung gekümmert und den Schnitt gemacht. Insgesamt waren wir in allen sechs Nationalparks Österreichs: Hohe Tauern, Kalkalpen, Gesäuse, Neusiedler See-Seewinkel, Thayatal und Donau-Auen. In manchen waren wir im Winter, in manchen im Sommer. Wir konnten auch auf Archivmaterial zugreifen. Aber es ist ein Filmprojekt, das heißt, es bleibt nicht dabei. Zehn Tage später geht das informativere Making-of online, worin der Umweltdachverband näher erklärt wird.
War es schwierig, die Vielseitigkeit der Nationalparks auf drei Minuten zu reduzieren?
Ja. Wir haben so schönes Material und sensationelle externe Aufnahmen, die wir verwenden durften. Uns hat es geholfen, dass viele schnelle Schnitte erlaubt waren, weil wir dadurch noch einige Aufnahmen reinbringen konnten, die kurz aufblitzen. Astrid ist ja Proficutterin und hat schon oft aus vielen Stunden die Essenz rausgefiltert. Mit unserem eigenen Projekt „60 seconds somewhere“ haben wir das auch schon über einige Jahre geübt – da haben wir zum Beispiel zehn Stunden in Rio wunderschönste Sachen gefilmt und 60 Sekunden zeigen wir davon. Das können 60 einsekündige Einstellungen sein oder nur eine, die über 60 Sekunden stellvertretend für die zehn Stunden spricht.
Der Film richtet sich an ein jüngeres Publikum, das schnelle Schnitte gewohnt ist und den Clip beliebig oft ansehen kann.
Künstler wie Björk und Bon Iver haben sich für ihre letzten Alben in die Natur begeben, um Inspiration zu finden und ihre Musikstücke inhaltlich der Natur gewidmet. Dafür haben sie sich sehr viel Zeit in der Fauna und Flora genommen. Wie lange muss man sich in Wald und Wiese aufhalten, um sie als Subjekte und Motive künstlerisch verarbeiten zu können? Hattet ihr genug Zeit?
Wenn man in die Natur möchte, geht man normalerweise auf den Berg mit dem Gipfel als Ziel, Blick nach oben. Für das Projekt haben wir uns aber Zeit genommen. Das ist auch die Message des Films: Nimm dir Zeit! Wir haben nach Details gesucht. So habe ich Wandern noch nicht gekannt. Wir sind nach zehn Metern stehen geblieben, weil wir eine spannende Perspektive entdeckt haben. Es war total spannend, so anders zu wandern, die Natur zu entdecken. Wir haben unsere Zeit allerdings optimal genutzt und effizient gestaltet, aus Budgetgründen ging es nicht anders. Uns hat immer ein Nationalpark-Ranger begleitet, der uns zu den Highlights geführt hat. Ich war sicher mehr in der Natur als sonst. Das Projekt hat sie mir näher gebracht, aber ich war danach auch froh, wieder in der Stadt zu sein.
Uns haben die Nationalparks so fasziniert, dass sie uns zu längeren privaten Aufenthalten angeregt haben. Astrid hat den Dreh in den Hohen Tauern mit einem Sommerurlaub verbunden. Ich habe mich im Gesäuse gefragt, warum ich denn gerade für eine Woche in Berlin war und nicht hier – nächstes Jahr im Sommer fahre ich eine Woche in die Berge.
Was waren deine persönlichen Highlights in den Nationalparks?
Jeder Park hat etwas Eigenes. Die Donau-Auen haben definitiv etwas anderes zu bieten als das Gesäuse, wo wir uns samt Kameraequipment bis auf den Gipfel geschleppt haben. Im Thayathal sind mir die unterschiedlichsten Grüntöne der Bäume aufgefallen, im Herbst sind sie noch bunter. Das sieht man auch im Film durch eine Flugaufnahme. Der Trip zum Gesäuse war unser erster – dort ist es sehr steinig. Oben am Gipfel hat Richard mit Hall experimentiert und wir haben richtig erlebt, wie sich die Vegetation am Weg hinauf verändert. Das hat mich total beeindruckt; die mächtigen Berge, diese Schönheit! In den Donau-Auen haben wir auch mit Unterwasserkameras und -mikros gearbeitet, sind auf Schlauchboottour gegangen und haben aus auf die Spuren der Biber begeben. Bei diesen geführten Bootstouren kommt man sich teilweise wie im Amazonas vor. Beim Neusiedlersee ist uns im sumpfartigen Gebiet ein gelber Vogel untergekommen, der schon seit Jahren nicht mehr gesichtet wurde. Unser Ranger ist bei seinem Anblick total ausgeflippt und wie ein kleines Kind auf- und abgehüpft. Diese Ranger sind überhaupt der totale Wahnsinn, eigentlich müsste man einen eigenen Film über sie machen. Sie sind so begeistert von der Natur, gehen mit ihr sorgsam und respektvoll um und kennen die Parks wie ihre Westentasche. Wir haben unterschiedlichste kennengelernt – alle hatten sie viele Geschichten auf Lager und jeder ist ein echtes Unikat. Vielleicht wird das sogar unser nächstes Projekt, notiert ist es jedenfalls.
Spielt der Mensch in „Sounds Like Nature“ auch eine Rolle?
Der Mensch nimmt sich in unserem Film sehr zurück. Richard Ritornell ist zwar der Protagonist, aber er verschwindet mehr und mehr. Er ist der, der der Natur den Klang ein bisschen entlockt, indem er wo darauf klopft oder ihn nur mit dem Mikrofon einfängt ohne etwas zu tun. Wir haben uns deswegen dazu entschlossen, ihn als Schauspieler zu zeigen, damit die Zuseher es besser verstehen. Uns sieht man nicht, die das filmen und einfangen. So kommt der Mensch vor, aber der Hauptdarsteller ist die Natur.
Wonach klingt die Natur für dich, was sind deine ersten akustischen Assoziationen?
Es klingt alles total unterschiedlich. Richard hat den Hall im Gesäuse mittels Klatschen getestet, aber auch die Mikrofone in den Ameisenhaufen gesteckt oder unter Wasser das Rauschen der Bäche aufgenommen, wohl einer der mächtigsten Klänge. Im Neusiedlersee haben ihn die Unken fasziniert, die machen zwei unterschiedliche Töne und kommunizieren so miteinander. Richard hat aber auch ganz feine Sounds aufgenommen wie das Schütteln eines Busches, von dem Nadeln runterfliegen. Im Film hört man auch einen Holzerlbeat – den haben wir mit getrocknetem Schwemmholz erzeugt, das wir selbst gesammelt haben. So haben wir uns ein Naturxylophon gebaut.
Lässig ist auch die Stille am Berg oben; es ist irrsinnig schön und befreiend, dem Lärm der Stadt zu entkommen, so dass kein akustischer Müll präsent ist. Die Stille lüftet Hirn und Geist aus.
Was unterscheidet „Sounds like Nature“ von einem typischen Imagefilm?
Wir sind ausgewählt worden, um die Nationalparks jünger und dynamischer zu präsentieren. Wir mussten aber auch die Vorgabe berücksichtigen, dass jeder Park gleich präsent sein soll. Wir sollten etwas anderes als eine Kurzversion einer Universumsdoku produzieren. Die Information ist im Film absichtlich ein bisschen zurückgehalten. Die Leute sollen den Film sharen. Die Kampagne möchte Aufmerksamkeit für die Nationalparks schaffen und in das Bewusstsein der österreichischen Bevölkerung zu schaffen: Wir haben diese Schutzgebiete und sie sind wunderschön, es zahlt sich aus dort spazieren zu gehen, aber bitte haltet euch an die Regeln.
Zusätzlich zur Präsentation machen wir eine Live-Show gemeinsam mit Richard Ritornell und mischen unsere Aufnahmen aus den Nationalparks mit Richards Naturrecordings. Da die Show noch nicht komplett durchgeplant ist, wird sie eine große Überraschung werden, auch für uns.
Eine weitere Vision ist in einer größeren Location wie z.B. dem WUK Leinwände aufzubauen, um die Nationalparks in die Clubs zu bringen, eine Naturdisco mitten in der Stadt. Dazu habe ich ganz viele Ideen: gemixte Natursounds mit ein bisschen Elektronik gemischt, einen ausgelegten Rasenteppich, wo die Leute chillen können. Oder wir könnten mit den Projektionen zurück in die Parks gehen und z.B. die Hohen Tauern auf das Wasser der Donau-Auen projizieren. Natürlich müssen wir dabei respektvoll mit den Plätzen umgehen und können keinen furchtbaren Wirbel machen, wo die Tiere Ruhe brauchen. Natursounds sind ja sehr ruhig, man muss sie nicht so laut drehen.
Können möglichst viele Klicks auf Youtube wirklich etwas verändern?
Yein. Wir brechen da nichts über’s Knie. Es geht um eine positive, friedliche und schöne Message und ein Bewusstsein. Wir geben nur einen kleinen Kick und wollen ein Aha-Erlebnis provozieren: Was, diese Tiere sind alle bei uns im Park? Was, das macht so einen Sound? Na witzig wie das klingt. Es macht total Lust darauf. Was wir schon erreichen wollen, ist, dass den Clip viele Leute sehen. Wir glauben schon, dass wir eine gute Bildsprache sprechen, die einfach Lust darauf macht und die Schönheit der Natur verdichtet. Mir persönlich sind Universumsdokus zu langweilig und zu langatmig. Wir haben das sehr komprimiert, eher wie einen Musikclip angelegt, also eineinhalb Stunden in drei Minuten. Ich wäre total happy, wenn dadurch ein paar Leute Lust bekommen, die Nationalparks selbst zu erleben und sich dafür Zeit nehmen. Richard ist es wichtig, dass die Menschen wieder besser hinhören, diese Vielfalt erleben, aber auch erkennen, dass, je weiter man in die Parks geht desto ruhiger wird es. Da wird man nur durch darüber fliegende Flugzeuge gestört.
Warum ist die Natur nicht nur so ein beliebtes Motiv, sondern auch Inspirationsquelle, was findet man in ihr, das man sonst nirgendwo findet?
Der Mensch ist ein Teil der Natur. Er schafft aber auch die Stadt, Technik und Beton. Wir sind aus der Natur gewachsen und darum gehen wir immer mal wieder gerne zurück und lassen uns dort inspirieren. Man fühlt sich geerdet, wenn man barfuß auf der Erde steht, spürt sich besser, als wenn man im Flugzeug sitzt und keinen Boden unter den Füßen hat.
Luma.Launisch ist im Club entstanden – wie setzt ihr eure Ästhetik in diesem Fall um, gibt es Gemeinsamkeiten des Dancefloorjungles mit den Naturparkjungle?
Stimmt, dort haben wir unseren Stil entwickelt. Die Visuals haben wir dann aus den Club raus und rein ins Museum getragen, dort installativ ausgestellt. Dabei haben wir auch mit dem Raum gearbeitet und die Installationen thematisch geordnet. Wir machen ja nicht in der Natur Visuals, sondern wir machen aus der Natur Visuals. Eigentlich würde ich aber gerne die Regenwürmer und Hirsche bespielen, die Visuals wieder zurück tragen und in die Natur projizieren – dafür brauche ich kein Publikum, sondern das gebe ich den Tieren zurück. Wir präsentieren den Film und die Visuals aber im MQ Dschungel, was ja auch witzig ist. Ich freue mich dieses Naturfootage im Club zu spielen, also den Naturjungle auf den Dancefloorjungle zu bringen. Das aber nicht mit harter elektronischer Musik, sondern weicherer, gesampelten echten Instrumenten.
Hat Natur etwas mit Feiern zu tun?
Ich feiere gerne in der Natur und genieße Open-air-Partys. Die müssen nicht unbedingt mit lauter Musik und Mist verbunden sein, damit meine ich auch ein Picknick im Freien mit einem leckeren Nudelsalat, um einen Sonntagnachmittag zu feiern, vielleicht mit einer Minibox und leisem Ambiente, der zur Umgebung passt. Mein iPod ist beim Spazieren immer dabei. Ich glaube aber, ich werde die Ohrenstöpsel jetzt seltener brauchen, sondern einfach nur die Natur klingen lassen – dass das reicht, habe ich bei dem Projekt intensiv entdeckt.