Honig: Süße Reise hektarweise

Lindenblütenhonig schmeckt anders als Honig vom Raps. Doch Bienen fliegen viele Blüten an. Wie kommt der Honig sortenrein ins Glas?

Sizzerbees bei seinen Bienen.
Imkermeister Obika (»Sizzerbees«) bei seinen Bienen. Bild: Sizzerbees.

Wenn es Roland Berger ganz genau wissen will, dann schickt er ein Glas frisch geschleuderten Honig ins Labor. Erst nach einer Analyse des Pollenspektrums lässt sich eindeutig sagen, welche Blüten seine Bienen angeflogen sind. »Pollen sind der Fingerabdruck eines jeden Honigs«, erklärt Berger, »so lässt sich nicht nur die regionale Herkunft klären, sondern auch, welcher Honig im Glas ist, denn jede Blüte hat ihren charakteristischen Pollen.«

Pollen

Im Überfluss produzierte männliche Geschlechtszellen von Samenpflanzen dienen der Bestäubung, liefern Bienen Eiweißnahrung (für ihre Larven), plagen menschliche AllergikerInnen.
Besonders pollenreich: Raps, Obstbäume, Klee, Mais, Quinoa.

Das ist freilich die Theorie und in der Praxis selten erforderlich. Fast immer kann sich der 61-jährige Demeter-Imker aus dem niederösterreichischen Klosterneuburg auf seine Erfahrung verlassen. Geschmack, Konsistenz, Farbe und natürlich die Gegend, in der seine knapp 200 Völker Nektar und Pollen eintragen – all das gibt ihm Aufschluss über die Beschaffenheit des Honigs. »Bei Akazienhonig weiß ich schon aus drei Metern Entfernung, womit ich es zu tun habe«, sagt Roland Berger. Dabei handelt es sich um den Honig der Blüte der »falschen Akazie« Robinie. Ihn zeichnet sein klares, leicht wässrig anmutendes Goldgelb aus. Sein Geschmack ist mild, intensiv blumig, aber insgesamt weniger süß als der anderer Honigsorten. Ebenfalls leicht zu bestimmen ist Sonnenblumenhonig. Dottergelb und von eher fester Konsistenz wird er im Umfeld weitläufiger Sonnenblumenfelder gesammelt, wenn viele andere Pflanzen bereits verblüht sind. »Da blüht dann weit und breit nichts anderes mehr rundum«, sagt Berger.

Nektar

zuckerhaltige Flüssigkeit, mit der Blüten Insekten zum Bestäuben locken. Blüte zu Blüte fliegend sammeln Bienen Nektar und Pollen – und bestäuben. Nektar ist die Basis von Honig.

Denn natürlich ist auch die Jahreszeit aussagekräftig. In aller Regel ernten (»schleudern«) ImkerInnen in unseren Breiten zweimal im Jahr: Frühjahrsblütenhonig und Sommerblütenhonig, Ergebnis ist ein regional charakteristischer Nektar unterschiedlichster saisonaler Blühpflanzen.

Reinen Sortenhonig würde es in einer sich selbst überlassenen Natur nicht geben. Ein Bienenvolk sammelt die ganze Vegetationszeit über Nektar. Das beginnt bereits im späten Winter, wenn Haselnuss, Weide und Krokus bestäubt werden, und endet im Spätherbst mit Efeu und der mittlerweile weitverbreiteten Kanadischen Goldrute. Nur für den Eigenbedarf lagert ein Honigbienenvolk also Nektar und Pollen unterschiedlichster Blütenpflanzen in seinen Waben ein, um über den Winter zu kommen.

Roland Berg von der Imkerei Apis Z.

Klosterneuburger Demeter-Imkerei von Imkermeister Roland Berger und Biologe Wolfgang Schmidt.
Produkte online und im Hofladen: Misch- und sortenreine Honige, Propolis, Kerzen, Wachstücher, Apitherapie (Bienenluft), Kurse für wesensgemäße Bienenhaltung.
apis-z.at

Dass Sortenhonig trotzdem natürlich ist, hat damit zu tun, dass Bienen blütenstetig sind. Das heißt: Sie fliegen so lange (mehrheitlich) zu einer Pflanzenart, bis diese verblüht ist. Dieses besondere Verhalten hat die Evolution hervorgebracht: Da Bienen Pflanzen bestäuben, wenn sie von Blüte zu Blüte fliegen, ist es natürlich effizienter, wenn sie von Apfelblüte zu Apfelblüte fliegen und nicht zwischendurch woanders haltmachen. Schmetterlinge und andere nicht staatenbildende Insekten hingegen sind nur sehr selten blütenstetig. Deshalb ist die Honigbiene auch von besonderer landwirtschaftlicher Bedeutung, wenn es um die Bestäubungsleistung geht. Das gilt für die allermeisten Obstsorten, aber beispielsweise auch für Kürbisse. Je mehr Blüten angeflogen werden, desto mehr Obst und Gemüse gibt es später. Deswegen werden rechtzeitig zur Blüte Bienenvölker auf Obstplantagen und in Kürbiskulturen gebracht. Diese »Wanderimkerei« ist weitverbreitet, aber aufwendig. Nicht selten lassen sich die ImkerInnen von den landwirtschaftlichen Betrieben deshalb für die Bestäubungsleistung ihrer Bienen bezahlen. 

Imkerei Sizzerbees

Biozertifizierter Münchner Imkermeisterbetrieb von Edward Obika, Mitglied im Biokreis-Verband.
Produkte: Bartbalsam aus Bienenwachs und Propolis (»Graiddl Wax«), Misch- und sortenreine Honige.
sizzerbees.com

»Sortenhonig zu gewinnen ist richtig viel Arbeit«, sagt Roland Berger, »wir wollen mit unseren Völkern ja nicht dauernd durch die Gegend wandern.« Seine Imkerei Apis-Z bietet neben den saisonalen Cuvées deshalb nur wenige Honigsorten im Angebot: Akazienhonig, den seltenen, aber für seine antiseptische Wirkung beliebten, kräftig aromatischen Buchweizenhonig (»Starker Tobak«), Sonnenblumenhonig und einen »Blütenhonig mit Linde«.

»Da Bienen Pflanzen bestäuben, wenn sie von Blüte zu Blüte fliegen, ist es natürlich effizienter, wenn sie von Apfelblüte zu Apfelblüte fliegen und nicht zwischendurch woanders haltmachen.«

Bei Letzterem handelt es sich um einen Blütenhonig mit hohem Anteil an Nektar der Lindenblüte. Geschmacklich ist die Linde erkennbar. Es handelt sich aber um keinen Lindenblütenhonig. 100 Prozent reinen Sortenhonig gibt es ohnehin nie. Aber nach einer Auslegung der Honigrichtlinie der EU ist seit 2001 geregelt, dass eine vorangestellte Sortenkennzeichnung nur dann zur Vermarktung verwendet werden darf, »wenn der Honig vollständig oder überwiegend den genannten Blüten oder Pflanzen entstammt und die entsprechenden organoleptischen, physikalisch-chemischen und mikroskopischen Merkmale aufweist«. Später wurde in einem Kommentar konkretisiert, dass »überwiegend« so viel bedeutet wie »mindestens 60 Prozent Nektar«. Deklarierter Lindenblütenhonig müsste solch einer Analyse standhalten.

Imkermeister Obika (»Sizzerbees«) gibt seinen Bienen mit dem Smoker das Zeichen zum Rückzug in den Bienenstock.
Imkermeister Obika (»Sizzerbees«) gibt seinen Bienen mit dem Smoker das Zeichen zum Rückzug in den Bienenstock. Bild: Sizzerbees.

In der Praxis

Direktvermarktende Profis erkennen die Sorte aus Erfahrung. Auch Edward Obika, Meisterimker aus München, sagt: »Nur wenn ich mir einmal nicht hundertprozentig sicher bin, lasse ich eine Analyse im Labor machen.« Der IT-Spezialist wirtschaftet auf dem stillgelegten Bauernhof seiner Großeltern mit 70 Bienenvölkern im Nebenerwerb. Zwar sind die Felder alle verpachtet, doch der 46-Jährige ist Mitglied der Münchner Bauerngenossenschaft und kooperiert seit Jahren mit landwirtschaftlichen Betrieben im Münchner Umland. Sogar einige konventionelle LandwirtInnen verzichten seinen Bienen zuliebe auf Spritzmittel, beispielsweise beim Rapsanbau. Gemeinhin gilt Raps als eine der Kulturen, bei denen besonders viele Spritzmittel zum Einsatz kommen. »Beginnt wo der Raps zu blühen, wandern wir mit den Bienen eher weg und bringen unsere Völker in Sicherheit«, sagt deshalb sein niederösterreichischer Demeter-Kollege Roland Berger. Anders in der Münchner Bauerngenossenschaft, berichtet Edward Obika: »Die Rechnung ist einfach. Wird der Raps gespritzt, dann steigert das den Ertrag um 7 Prozent. Sind Bienenvölker da, dann steigt der Ertrag durch die Bestäubung um 20 bis 30 Prozent. Da sparen viele lieber das Geld und die Spritkosten fürs Spritzen.«

Waldhonig

Wird auch »Honigtauhonig« genannt und von Bienen nicht aus Blütennektar gemacht, sondern aus Pflanzensäften und den Ausscheidungen anderer Insekten, die sich von Pflanzensaft ernähren.

Eigentlich ist der besonders süße, hellgelbe bis beige-weiße Rapshonig ein beliebter Sortenhonig. Das leuchtende Gelb der Rapsblüte dominiert im April und Mai als großflächige, weithin sichtbare Monokultur in vielen Gegenden ganze Landstriche. Rapshonig ist für WanderimkerInnen deshalb oft besonders leicht zu gewinnen. Bei Imkermeister Obika – der unter dem Namen Sizzerbees nicht nur Honig, sondern auch Bartwachs verkauft – landet der Rapsnektar trotzdem in einem Blütenmischhonig, den dann Apfel, Kirsche, Raps und Löwenzahn dominieren. Das liegt auch daran, dass unmittelbar um München die Landwirtschaft verhältnismäßig kleinstrukturiert ist. »Das Zeitfenster der Blüte ist kurz, für Sortenhonig bräuchte es deshalb Flächen von mindestens zehn bis zwanzig Hektar.« Dafür ist sein Frühjahrsblütenhonig besonders süß und vielschichtig im Geschmack.

BIORAMA #80

Dieser Artikel ist im BIORAMA #80 erschienen

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