Runter vom Gas (und der Kohle)
Eine Geschichte vom Wandel der Stromerzeugung.
Sonnenstrom statt Kohlestrom – es kann so einfach sein: Und in Dürnrohr, auf dem EVN-Gelände, ist es sogar wahr: Die neue Photovoltaik-Anlage, die über eine Bauzeit von rund einem Jahr hier errichtet und im April 2024 in Betrieb genommen wurde, ist eine der größten in Niederösterreich und steht auf 23 Hektar – und damit nicht auf dem Kraftwerksgebäude, sondern auf einer zu diesem gehörenden Freifläche. Genau diese wurde viele Jahre dafür genutzt, große Mengen an Steinkohle für das Kraftwerk zu lagern: Ganze 1,5 Millionen Tonnen Kohle, mit denen man das Kraftwerk auch bei einem Ausfall an Nachlieferungen bis zu zwei Jahre lang hätte betreiben können. Die nun errichteten 35.600 PV-Module erzeugen jährlich 27,3 GWh Strom und versorgen damit rund 7700 Haushalte. Bis 2030 will die EVN, der größte Energieversorger des Bundeslandes, ihre gesamte PV-Leistung auf 300 MW – zu denen Dürnrohr nun 23,5 MW beiträgt – ausbauen, bis 2034 will sie ihren Ausstoß an CO2 um 60% reduzieren.
Nach Zwentendorf
Dürnrohr hat eine bewegte Geschichte als Energiestandort – die exemplarisch weit mehr erzählt. Die Ortschaft liegt in der Gemeinde Zwentendorf und nachdem das dort errichtete Kernkraftwerk nach einer Volksabstimmung 1978 nie in Betrieb ging, wollte man die bestehende Infrastruktur wie Leitungen und ein Umspannwerk nutzen und baute das Kraftwerk Dürnrohr. Das ging 1987 in Betrieb, konnte mit Kohle und Gas befeuert werden und von seinen beiden Kraftwerksblöcken wurde einer vom Verbund betrieben und einer von der EVN. Seit 2004 ist auf dem Gelände außerdem eine Müllverbrennungsanlage installiert in der jährlich über 500.000 Tonnen Haushalts- und Gewerbemüll zur Strom- und Wärmeerzeugung verbrannt werden. 2015 schloss der Verbund seinen Block aus wirtschaftlichen Gründen, 2019 beendete auch die EVN den Betrieb des Kohlekraftwerks – ebenfalls aus wirtschaftlichen Gründen. 2018 zählte die EU das Kraftwerk noch zu einem der größten Verursacher von Treibhausgasen in Österreich. Bei der Schließung 2019 sprach Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner von einer Einsparung von 3,6 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr – das wären 5 % der gesamten CO2-Emissionen Österreichs im Jahr 2022 gewesen.
Möglich gemacht hat dies in erster Linie der Ausbau der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen. 2009 wurden in Niederösterreich 48.819 GWh Energie erzeugt – damals mehr als ein Drittel der österreichischen Energieerzeugung. Davon entfielen 44,9 % auf erneuerbare Energieträger, die damals Wasser, Wind und PV, Umgebungswärme, Brennholz und Biogene Brenn- und Treibstoffe umfassten. Die anderen Energiequellen waren zu 27,8 % Naturgas, 25,1 % Erdöl und 2,2 % brennbare Abfälle. 2021 sahen diese Zahlen schon ganz anders aus. 41.391 GWh und damit über 28 % der gesamtösterreichischen Energieerzeugung kamen aus Niederösterreich und verteilten sich auf 67,8% erneuerbare Energiequellen, 14,1 % Erdöl, 13,5 % Erdgas und 4,7 % brennbare Abfälle. Bei den erneuerbaren Energiequellen wurden vor allem Windkraft, Photovoltaik und Umgebungswärme ausgebaut. Den größten Beitrag in diesem Bereich liefern aber biogene Brenn- und Treibstoffe, sowie Wasserkraft.
Weiterer Ausbau
Welche Energiequellen den erneuerbaren zugeordnet oder zumindest als »green« eingestuft werden, ist nicht nur in Verhandlung, wenn die EU anlässlich ihres Green Deals festlegen muss, ob Atomkraft als nachhaltig eingestuft werden soll, sondern etwa auch in Diskussionen um nicht-fossile Brennstoffe oder auch das Verbrennen von Holz. In Niederösterreich trug Scheitholz als Energiequelle 2021 immerhin mit 15 % zu den erneuerbaren Energieträgern bei. So wie auch diskutiert wird, ob Müllverbrennung als nachhaltig einzustufen ist, was Umweltverbände verneinen.
Die Müllverbrennungsanlage in Dürnrohr läuft seit 20 Jahren rund um die Uhr. Je nach Bedarf liefert sie Fernwärme in Form von Heißdampf für die nahegelegene Industrie wie den Zuckerproduzenten Agrana oder Fernwärme für Haushalte in Sankt Pölten. Wird keine Fernwärme benötigt, wird aus dem Heißdampf Strom erzeugt und über das Umspannwerk ins Netz eingespeist. Dieser Strom versorgt 170.000 Haushalte. Ein weiterer Ausbau des Kraftwerks ist geplant. »Für die EVN ist es dabei praktisch, dass für die PV-Anlage keine landwirtschaftliche Fläche genutzt werden muss und für das gesamte Gelände des Kraftwerks mit rund 180 Hektar viele Genehmigungen bereits vorliegen«, erklärt Stefan Zach, Pressesprecher der EVN. »Die Errichtung ist hier auch günstiger, weil große Teile an Infrastruktur bereits vorhanden sind. Ausgebaut werden soll nicht nur die PV-Anlage, sondern es soll künftig etwa auch niederösterreichischer Klärschlamm zur Strom- und Wärmeerzeugung genutzt werden.«
Niederösterreich erzeugt mehr Energie, als es verbraucht – mittlerweile zum Großteil aus erneuerbaren Energiequellen. Kann der Bedarf damit einmal nicht gedeckt werden, wird Energie aus anderen Bundesländern oder dem Ausland importiert. Bei Engpässen kann die Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG), verantwortlich dafür, dass der Strom in Österreich überregional verteilt wird, auch dafür sorgen, dass etwa die EVN ihr Gaskraftwerk in Theiß bei Krems kurzzeitig in Betrieb nimmt. Der Ausbau der Wasserkraft hat in Österreich früh dafür gesorgt, dass ein entscheidender Teil der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen kommt.
Der Ausbau von in erster Linie Windkraft und Photovoltaik hat es möglich gemacht auf Energie aus fossilen Brennstoffen heute weitgehend zu verzichten. Jene neue PV-Anlage ist ein dezentraler Bestandteiles dieses Puzzles. Der große ausformulierte Plan dahinter – das Erneuerbaren-Ausbaugesetz – existiert bisher nur als Entwurf. Auf diesen muss die Umsetzung, aber teilweise auch einfach nicht warten.