Der Hof als Botschaft der bäuerlichen Welt

Urlaub am Biobauernhof wird gefördert. Doch wie repräsentativ sind die Vorzeigebetriebe für die heutige Landwirtschaft?

Ein Kind greift durch eine Luke in der ein Ei zu sehen ist.
Aktuell gibt es 470 Biobauernhöfe im Verein »Urlaub am Bauernhof«. Diese Zahl soll durch Förderungen ansteigen. Bild: Urlaub am Bauernhof.

Zwei Mal am Tag ist Hans Widauer im Stall bei den Kühen. »Die Stalltür ist dann immer offen«, sagt Anita Widauer, seine Frau. In Otting, einem kleinen Bauerndorf im Salzburger Leogang, betreiben die beiden den Biohof Herzogbauer, in der Gegend auch als Herzoghof bekannt. Dabei lebt der Familienbetrieb nicht nur von der Milchwirtschaft, seinen 20 Kühen auf 18 Hektar Weide- und Grünland. Hans Widauer betreibt auch ein mobiles Sägewerk, mit dem er zu anderen Höfen fährt und deren Holz zu Zaunlatten oder für den Hausbau zuschneidet. Das wichtigste wirtschaftliche Standbein des Herzoghofs ist aber der Tourismus. Die Urlaubsgäste am Hof kommen gerne durch die Stalltür, schauen zu oder helfen mit. »Oft ist ein Haufen Kinder im Stall«, sagt die Bäuerin. »Mein Mann drückt ihnen eine Mistgabel in die Hand und beim Kälberfüttern sind sie sowieso begeistert dabei.«Zum Frühstück gibt es Säfte, frische Milch und Eier von den 50 Hühnern des Hofs, auch was zugekauft wird, ist selbstverständlich biozertifiziert. Joghurts kauft man direkt von der Molkerei Pinzgau Milch zurück, an die die Widauers ihre Milch liefern. Die Gäste sind oft überrascht, wenn sie hören, dass sie die auch im Supermarkt kaufen können. Denn vermarktet werden die Milchprodukte – wenn auch anonym, was den konkreten Hof angeht – unter dem Namen »Ja! Natürlich«, der Bioeigenmarke von Rewe Österreich. Die meisten Gäste bleiben mehrere Nächte, sagt die Bäuerin. In den Ferien seien es vor allem Familien mit Kindern, die sich in den fünf Doppelzimmern und den beiden Ferienwohnungen im Haus nebenan einquartieren. Dann ist auf dem Spielplatz immer etwas los, die Eltern entspannen auf der Liegewiese. Außerhalb der Feriensaison sind es oft ältere Paare, die vom Herzoghof aus wandernd die Gegend erkunden. Es ist ein Bilderbuchbauernhof, den die Gäste hier erleben können. Neben den Rindern gibt es Schweine, eine Hand voll Ziegen und zwölf Schafe, die als Rasenmäher die Streuobstwiese frei halten. Außerdem 20 Wachteln, Hasen, Katzen, einen Hund und sechs Laufenten, die im Bauerngarten die Schnecken fressen. Anita Widauer veranstaltet immer wieder auch Kräuterworkshops. Als Streichelzoo sieht man sich keinesfalls, sagt sie. Alle Tiere am Hof haben ihren Nutzen. Und man sei als Bauernhof »sehr repräsentativ« für Leogang und die Region. »Wir sind ein mittlerer Betrieb hier«, sagt Hans Widauer, »nicht groß, aber auch nicht klein«. Einziger Unterschied: Wirtschaftlich geht es ihrem Biohof besser als den Betrieben rundum, die keinen Urlaub am Bauernhof anbieten. Der Tourismus ist für 60 Prozent der Einnahmen verantwortlich, sagt Anita Widauer: »Der Tourismus überwiegt also auf alle Fälle.«

Gemeinsames Projekt der Vereine Urlaub am Bauernhof und Bio Austria; derzeit Unterkünfte auf 470 österreichischen Biohöfen
urlaubambiobauernhof.info

Devisen aus Tourismus erleichtern Investitionen

Seit mehr als 30 Jahren propagiert der Verein Urlaub am Bauernhof das gleichnamige Angebot. »Wir unterstützen unsere Urlaubsbauernhöfe dabei, ein zweites Standbein neben der Landwirtschaft aufzubauen«, sagt Geschäftsführer Hans Embacher. Die 2300 von ihm vertretenen landwirtschaftlichen Betriebe mit insgesamt 27.000 Gästebetten – teilweise biozertifiziert, großteils aber nicht, alle in Österreich – versteht er dabei als »Botschafter der bäuerlichen Welt«. Seit kurzem kooperiert sein Verein mit dem Verband Bio Austria, der in Österreich etwa die Hälfte aller Biobauernhöfe vertritt, in einem von der EU und mit nationalen Mitteln geförderten Projekt. Es soll den »Urlaub am Biobauernhof« bewerben und nicht nur die 470 bereits im Verein vertretenen Biohöfe unterstützen, sondern auch mehr Biobetriebe zum Tourismus bringen. »Wir wollen, dass mehr Biobetriebe im Rahmen von Urlaub am Bauernhof ihre Höfe für touristische Zwecke öffnen«, erklärt Susanne Maier, die Obfrau von Bio Austria. Wichtig sei das nicht nur wirtschaftlich, sondern auch, um Gästen unmittelbar zu zeigen, wie Biolebensmittel hergestellt werden. Obwohl der Verein Urlaub am Bauernhof europaweit als vorbildlich gilt, wurde er bislang nicht kopiert, zumindest nicht im großen Stil. In Bayern gibt es den »Blauen Gockel«, der als Verein mehr als 5000 Ferienwohnung für Urlaub am Bauernhof, aber auch »Landurlaub« auf sogenannten »Landhöfen« vermittelt. Bei Landhöfen handelt es sich um stillgelegte Bauernhöfe, auf denen die Urproduktion von Lebensmitteln keinen Stellenwert mehr hat. Oft stehen auf Landhöfen eher das Brauchtum und bäuerliches Kunsthandwerk im Vordergrund. Auch die deutsche »Bundesarbeitsgemeinschaft für Urlaub auf dem Bauernhof« bewirbt den »Landurlaub« in deutschlandweit 2450 Unterkünften. Neben produzierenden Bauernhöfen finden sich darunter auch Reiterhöfe, Campingplätze und »Landhöfe«. Dass Letztere in Österreich mehr werden, genau dem möchte der Verein Urlaub am Bauernhof entgegenwirken. 

Deutsche Bundesarbeitsgemeinschaft für Urlaub auf dem Bauernhof; »Landurlaub« in deutschlandweit 2450 Unterkünften, u. a. Bauernhöfen.
landsichten.de

Wobei es auch Betriebe gibt, die mit ihrem Urlaubsangebot auf eigene Faust und ohne die geballte Kraft eines Vereins mit entsprechenden Fördermitteln erfolgreich sind. Beispielsweise der Beckahof in Nauders in Tirol. Er wurde einerseits vom boomenden Tourismus vertrieben, andererseits ermöglichten ihm die eigenen Gäste eine Modernisierung und einen Neustart. »Das alte Bauernhaus mitten im Ortskern war mit dem Misthaufen zwischen all den großen Hotels und mit seinem alten Stall mit Anbindehaltung nicht mehr zeitgemäß«, sagt Biobäuerin Bianca Klapeer. Deshalb baute ihr nunmehriger Ehemann Franz Klapeer 2010 ein neues Wirtschaftsgebäude samt Stall und drei Ferienwohnungen. Die Milchwirtschaft haben die beiden mittlerweile aufgegeben, dafür halten sie neben einer Mutterkuhherde knapp 1000 Hühner, die in drei Ställen untergebracht sind, und drei Pferde (»Die sind unser Hobby. Die Gäste reiten nicht.«). Der Tourismus als zusätzliche Einnahmequelle habe sich bewährt: »Mehrere Standbeine sind uns wichtig, um Luft zum Atmen zu haben«, sagt Klapeer, »und in der Pandemie hat sich gezeigt, dass es gut ist, nicht völlig vom Tourismus abhängig zu sein«.

Ein ländliches Haus von außen, umringt von einem Holzzaun.
Bilderbuchbauernhöfe: Urlaub am Bauernhof vermittelt Einblicke in traditionsbewusstes Landleben wie auch in zeitgemäße Landwirtschaft. Bild: Istock.com/Wicki58.

Urlaub im Milchviehgürtel

»Urlaub auf dem Bauernhof ist gerade für viele kleinere Biobetriebe, die die Landwirtschaft im Nebenerwerb betreiben, eine gute Möglichkeit, um sich ein zweites wirtschaftliches Standbein für en Betrieb zu schaffen«, weiß Markus Fadl, Sprecher des deutschen Bioverbands Naturland, der mittlerweile auch in Österreich einige Mitglieder hat. Derzeit gibt es im Verband 320 Betriebe in Deutschland und Österreich, die Urlaub auf dem Bauernhof anbieten. Der Schwerpunkt liegt dabei ganz klar im Süden: in Bayern, insbesondere Oberbayern, einige finden sich auch in Österreich. Fadl spricht vom »Milchviehgürtel«, wobei es auch Betriebe im Norden oder in den Mittelgebirgsregionen gebe. Der Naturland-Sprecher ist überzeugt, dass diese Urlaubsbauernhöfe »einen realistischen Einblick in die moderne Biolandwirtschaft« vermitteln: »Für die Betriebe ist das einerseits ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem sie werben können, aber sie erfüllen damit letztlich auch eine Art Bildungsauftrag.« Der sei gerade bei tierhaltenden Betrieben nicht zu unterschätzen: »Die Nähe und der Bezug zur Landwirtschaft, besonders zur Tierhaltung, fehlt den meisten Menschen heute. Über Landwirtschaft zu lesen, ist eben etwas ganz Anderes, als sie wirklich zu erleben, wenn man dem Bauer abends im Stall beim Melken über die Schulter blicken darf.«

Bauernhof- und Landurlaub e.V.; 5.000 Ferienwohnungen im ländlichen Bayern, teilweise auf Bauernhöfen
blauergockel.de

Nicht wegzudenken sind die Gäste längst auch vom Böcklhof in Kreuth am Tegernsee im bayerischen Oberland. Katharina Kandlinger, ihr Mann und die gemeinsamen fünf Kinder haben an 280 Tagen im Jahr BesucherInnen in ihren vier Ferienwohnungen untergebracht. Im Winter betreibt die Familie außerdem einen Skilift gleich nebenan. »Die drei Säulen Vieh, Ferienwohnungen und Skilift ergänzen sich sehr gut«, sagt die Biobäuerin. »Und unsere Gäste lieben es, mitzuhelfen. Manche kommen schon mit dem Gummistiefeln im Gepäck und sind um 5 Uhr Früh genauso mit im Stall dabei wie vor dem Abendessen.« Oft besuchen sie auch die kleine, gleich fußläufig gelegene Naturkäserei Tegernseer Land, in die die Familie – als eine von zwölf GenossenschafterInnen – die Rohheumilch ihrer Kühe bringt. Die Herde ist zuletzt gewachsen. Denn die Familie hat investiert und von 16 auf 21 Kühe aufgestockt. »Ohne das Geld aus dem Tourismus wäre der Neubau eines modernen Laufstalls und damit die Umstellung auf Biolandwirtschaft unmöglich gewesen«, weiß Katharina Kandlinger. »70 Prozent der Höfe in der Gegend sind aber kleiner und haben alte Ställe mit kombinierter Anbindehaltung«, sagt sie. Ihren Gästen erzählt die Naturland-Bäuerin trotzdem immer, dass es keinesfalls schlecht sei, wenn die Tiere der NachbarInnen einen Teil der Zeit angebunden im Stall verbringen, solange sie sonst genügend Auslauf haben. »Wenn diese Höfe – wie es politisch derzeit aussieht – alle aufhören müssen, Tiere zu halten, dann verändert sich unsere Region massiv. Das ist auch für uns schlecht, weil natürlich auch wir davon profitieren, dass die ihre Tiere draußen haben, im Sommer auf der Alm, und dass die unsere Kulturlandschaft erhalten.«

Eine erwachsene Person hilft einem Kind dabei, zwei Ziegen durch einen Zaun zu füttern.
Tourismus als wichtige Stütze: Der Herzoghof in Leogang verzeichnete 2980 Nächtigungen im Jahr 2023. Bild: Anita Widauer.

KundInnenbindung durch KuhpatInnenschaft

Dass das auch völlig anders möglich ist, beweist das »Projekt Lebenslänglich«, ein alter Biobauernhof im Salzburger Radstadt. In der Gegend war er vor seiner Übernahme durch die nächste Generation unter dem Namen »Sauschneidhof« geläufig, lebte vom Holzverkauf, dem Geschäft mit den Gästen und einer Mutterkuhherde. Die 22 Kühe blieben am Hof, 2015 stellten der Jungbauer Josef Habersatter und seine Frau aber die Fleischproduktion ein und den Betrieb auf einen »Lebenshof« um, der ehemalige Nutztiere aus der Nutzung nimmt und bis zu ihrem natürlichen Tod beherbergt. Biozertifiziert ist der Betrieb nach wie vor, wie Bäuerin Juliane Habersatter erklärt: »Wir finanzieren uns nach wie vor zum Teil über landwirtschaftliche Förderungen, die sind ja an Flächen gebunden und nicht an Nutztiere.« Was an Schlachtgeld wegfällt, wird durch Spenden und KuhpatInnenschaften kompensiert. »Das funktioniert voll super«, sagt Habersatter. »Einige PatInnen besuchen ›ihre‹ Tiere sogar zweimal im Jahr.« Betriebswirtschaftlich machen die 5 Euro pro Monat und Kuh oder 70 Euro pro Jahr zwar das Kraut nicht fett. Viele würden aber freiwillig mehr zahlen. Und die KundInnenbindung stärkt so eine KuhpatInnenschaft auch. Lässt man sie leben, werden Rinder bis zu 25 Jahre alt. »Die älteste Kuh am Hof ist derzeit 13 Jahre alt«, sagt die Bäuerin. Die drei Doppelzimmer im Haus werden auf der Website »auf Selbstversorger-Basis mit Frühstücksgeschirr«angeboten. Das Motto lautet: Bring Your Own Food! Was durchaus stimmig ist: Denn Lebensmittel produziert der Lebenshof auf seinen 250 Hektar Almlandschaft keine.

Biohof Herzogbauer, Leogang (Salzburg)
Böcklhof, Kreuth am Tegernsee (Bayern)
Beckahof, Nauders (Tirol)
Projekt Lebenslänglich/Lebenshof (ehemals Sauschneidhof) in Radstadt (Salzburg)

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