Craft Bier: Hasta la slow
Dass das Thema Slow auch bei den brauern angekommen ist, zeigten die letzten Ausgaben des Salone Del Gusto in Turin, wo sich alle zwei Jahre die weltweite Slow-Food-Szene ein Stelldichein liefern. Zwei Länder sind da ganz vorne mit dabei: Mexiko und Österreich.
Trinkempfehlung
Biermäßig war Mexiko lange ein spanisches Dorf für mich. Bis mir die dunklen Biere aus einer alten, blauen Mais-Sorte über den Weg liefen. Getreu dem Motto „Trinken, was wir retten wollen“, hier eine eindringliche Trinkempfehlung für cerveza aus maíz azul. Mexiko und Bier, das war für mich über längere Zeit einfach nur Corona. Ein einfaches Bier für unkomplizierter Genuss an heissen Tagen (und Nächten).
Die Tradition von Mais als Grundlage gebrauter alkoholischer Getränke geht in Mexiko zurück auf indianisch-indigene Wurzeln. Chicha ist ein eigenwilliges Gebräu, das die Azteken zu unterschiedlichen feierlichen und rituellen Anlässen brauten und tranken. Die Herstellung ist für europäisches Gaumenempfinden höchst eigenwillig. In Mexiko ist die Grundlage für Chicha Mais. Fermentiert wird durch Speichel. Die archaische, ursprüngliche Herstellung sah so aus, dass die Frauen der Inkastämme aus Maismehl gebackene Brotfladen, sprich harte Polenta, gekaut und ausgespuckt haben. Durch die Wärme, die beim Kauen entsteht und durch die im Speichel enthaltenen Enzyme wird die Maisstärke in vergärbaren Zucker umgewandelt. Das daraus entstandene Getränk ist grün-bräunlich mit gelben Reflexen, schäumt nur sehr wenig und erreicht Alkoholgrade von etwa fünf Prozent. Das ist aber – wie gesagt – eine alte Tradition in Mexiko. Andere Länder in Südamerika haben ihre eigenen Chicha-Varianten, teils aus Mais, aber auch aus Reis, Trauben oder den Früchten der Yucca Palme. Maisbier hat in Mexiko also sowohl eine uralte Tradition, wie auch einen fixen Platz in der modernen Bier-Industrie. Nachdem für meinen Geschmack das eine zu industriell-uniform und das andere zu – sagen wir extravagant – ist, habe ich mich nicht wirklich intensiv mit der Bier-Szene in Mexiko auseinandergesetzt.
Der blaue Mais
Ausgerechnet in Peking, bei den Gründungsfeiern von Slow Food Great China lernte ich ein ganz anderes Bier-Mexiko kennen. Ein Mexiko, in dem eine alte Mais-Sorte eine gewichtige Rolle spielt und dessen Biere grandios anders sind. Grundlage für diese Biere ist der schwarzblaue maíz azul, der ‚blaue Mais’. Bereits 2006 hat Slow Food Mexico den maíz azul bei der Terra Madre vorgestellt und seine Aufnahme in die Arche des Geschmacks der Foundation for Biodiversity beantragt. Der maíz azul ist quasi der Gegenpol zum industriellen und gentechnologisch modifizierten Standard-Mais, der vor allem den kleinen Bauern in Mexiko so zusetzt, weil die Lizenz für das Saatgut bei großen Konzernen gekauft werden muss. Und zwar jedes Jahr. Maíz azul ist die Grundlage für erfrischende und gleichzeitig tiefgründige Biere mit heller Malznote und dichtem Schaum. Sie sind gar nicht so einfach zuzuordnen Im günstigen Fall zeigen sie frische Pilsnoten, kombiniert mit leicht süsslichen Aromen. Die Farbe ist dabei immer eine Spur dunkler, als bei anderen Getreide-Bieren und kann – je nach Herstellung – auch ins tief Violette gehen. Die Brauereien sind dabei so klein und handwerklich aufgsestellt, dass man sie im Web vergeblich sucht. Slow Food Mexico hat ihnen mit Slow Beer eine Plattform gegeben, um ihre Produkte der Welt zu zeigen. Die alte Sorte maíz azul zu schützen ist das Eine. Ihn durch ein charaktervolles und ausdruckstarkes Bier konsumtauglich zu machen, die Andere. Einmal mehr kann Biertrinken die Welt ein Stück besser machen. In diese Sinne: Arriba, abajo, al centro y a dentro! (Ist zwar eigentlich ein Trinkspruch für Tequila-Runden, geht aber auch beim Bier ganz gut).
Streng geprüft
In Österreich sind es drei Brauereien, die sich der slow brewing Bewegung angeschlossen haben. Stiegl, Trumer und Hirter. Seit Mitte 2016 tritt die Gruppe – die meisten Mitgliedsbrauereien kommen aus Deutschland – mit einem gemeinsamen Gütesiegel am Markt auf. Vergeben wird das Siegel nach harter und umfangreicher Prüfung vom Slow Brewing Institut, der Qualitätskommission von Slow Brewing, einem unabhängigen und wissenschaftlich fundierten Kontrollorgan, das überwacht, dass die satzungsgemäßen Bedingungen sowie die Prüf- und Zulassungsbestimmungen für Slow Brewing zertifizierte Brauereien stets eingehalten werden. Bestehend aus zehn Brauexperten aus Lehre und Forschung rund um Dr. August Gresser (Ehrenmitglied der „Accademia della Birra“ und des Verbandes ehemaliger Weihenstephaner der Brauerabteilung e.V.) arbeitet das Institut mit einem wissenschaftlichen Beirat und unabhängigen Experten der TU München und des Forschungszentrums für Brau- und Lebensmittelqualität der Universität Perugia (CERB). Finanziell wird die Arbeit des Instituts getragen durch die Kommunikations- und Marketingbeiträge der ausgezeichneten Brauereien und durch die Födermitgliedsbeiträge. Andere Ansätze zur Auszeichnung und Zertifizierung am Biermarkt decken nur Teilbereiche des breiten Spektrums an Qualitätsmerkmalen ab oder kontrollieren weniger intensiv bzw. in niedrigerer Frequenz. Slow Brewing wurde 2011 als „Bewegung“ mit Vereinsstruktur mit äußerst strengen Aufnahmekriterien ins Leben gerufen. Das Slow Brewing Institut ist die konsequente Weiterentwicklung dieses Gedankens.
Für Bierliebhaber aus Wien stehen diesen Herbst zwei Events am Programm:
11.-20. Nov. 2016: VIENNA BEER WEEK 2016
18.-19. Nov. 2016: CRAFT BIER FEST WIEN / Marx Halle