Der Bauer, die Wölfe und das Vieh: Simon Vetter im Interview

Wehrhafte Mutterkühe. Nicht nur Wanderer und ihre Hunde sollten vor ihnen Respekt haben. Auch Wölfe sollten sich vor einer Herde Mutterkühe hüten. (Foto: Vetterhof)

Wehrhafte Mutterkühe. Nicht nur Wanderer und ihre Hunde sollten vor ihnen Respekt haben. Auch Wölfe sollten sich vor einer Herde Mutterkühe hüten. (Foto: Vetterhof)

Die Diskussion über Wildtiere werde mittlerweile vor allem aus den Städten heraus geführt, meint der Vorarlberger Bio-Bauer und Rinderzüchter Simon Vetter (Vetterhof). Dass vor allem Schaf- und Ziegenbauern dem zurückgekehrten Wolf mit Ressentiments begegnen, versteht er – ihre emotionalen Beiträge zur Debatte allerdings nicht. Ein Interview.

 

BIORAMA: Der Vetterhof hat seine Mutterkuhherde und auch die Jungrinder den Sommer über auf der Alm. Im Grenzgebiet zur Schweiz sind zuletzt immer wieder auch einzelne Wölfe umhergestreift. Beunruhigt einen das als Bauern?
Simon Vetter: In meinem Fall beunruhigt mich das nicht wirklich. Erstens tauchen bei uns nur vereinzelt Wölfe auf und zweites stellen Steinschlag, Blitze oder giftige Pflanzen eine wesentlich größere Gefahr für weidende Tiere auf den Alpen dar. Wir haben auch keine Schafe bzw. Ziegen auf unserer Alpe und einzelne Wölfe haben wahrscheinlich auch wenig Interesse an einer Begegnung mit einer Herde Mutterkühe.

Wie reagiert denn eine Herde wenn ein Raubtier auftaucht?
Simon Vetter: Der Mensch züchtet Rinder schon seit tausenden von Jahren und beiden haben in dieser langen Zeit ihre Lebensweisen aneinander angepasst. Wenn jedoch ein Raubtier eine Herde Rinder bedroht, zeigt sich recht schnell wie ursprünglich und wehrhaft diese Tiere noch seine können. Rinder sind Herdentiere und können bei einer Gefahr recht aggressiv reagieren. Wir lesen ja immer wieder von Hundebesitzern, die auf den Alpen von weidenden Mutterkühen angegriffen wurden. Für eine Mutterkuh mit Kalb ist ein Hund ein potentieller Feind. Da hilft es nichts wenn „der Wasti nur spielen will“. Wie man sich im Umgang mit Weidetieren verhalten soll, kann man ja im BIORAMA nachlesen…

Wäre die Situation anders wenn sich ein ganzes Wolfsrudel in der Gegend formieren würde?
Simon Vetter: Das kann ich nicht wirklich beurteilen.

Du bist stolz darauf, dass deine Rinder nicht enthornt sind. Wären hornlose Rinder durch den Wolf gefährdeter?
Simon Vetter: Wenn ich ein Wolf wäre, würde ich einen großen Bogen um meine Rinder machen. (lacht)
Hörner sind primär zur Verteidigung da und wenn nötig, setzen Rinder diese auch ein.

Frühsommer im Ländle: die Rinder des Vetterhofs auf dem Weg vom Tal hinauf auf die Alp. Trotz S/W keine historische Aufnahme, sondern aus dem Juni 2016. (Foto: Vetterhof)

Frühsommer im Ländle: die Rinder des Vetterhofs auf dem Weg vom Tal hinauf auf die Alp. Trotz S/W keine historische Aufnahme, sondern aus dem Juni 2016. (Foto: Vetterhof)

Wäre der Einsatz von Herdenschutzhunden, welche die Rinder die ganze Zeit über bewachen, ein Thema für dich?
Simon Vetter: Für Rinder ist das nicht wirklich ein Thema. Unsere Tiere werden ja von Hirten gehütet und sind nicht völlig sich selber überlassen. Bei Schafen kommt es öfters vor, dass diese den Sommer über ohne Hirten im Hochgebirge sind.

Bist du selbst schon einmal einem Wolf begegnet?
Simon Vetter: Nein. Nur im Zoo.

In der Schweiz wurde die Rückkehr des Wolfs sehr emotional diskutiert. Ein Verein engagiert sich sogar mit einer Wanderausstellung, die über den Wolf informiert und über Herdenschutzhunde aber auch das Verhalten bei Wolfsbegegnungen aufklärt. Ist der Wolf in Vorarlberg auch schon Thema?
Simon Vetter: Wölfe sind nur vereinzelt ein Thema und werden – wenn überhaupt – nur im südlichen Teil Vorarlbergs gesichtet. Ich glaube aber, dass wir uns in Zukunft auch bei uns stärker mit diesem Thema beschäftigen werden müssen.

Die Diskussion, dass es entweder Wölfe oder Bauern geben soll, halte ich für falsch.

Die Sünser Alp auf der die Rinder des Vetterhofs den Sommer über verbringen ist die älteste nachweislich durchgehend bewirtschaftete Alm Europas. Gibt es Aufzeichnungen über den früheren Umgang mit dem Wolf?
Simon Vetter: Von der Sünser Alpe weiss ich leider nichts zu dem Thema, aber der Alpenforscher Werner Bätzing hat diesbezüglich spannende Sachen recherchiert. Im Piemont gibt es anscheinend eine zugegeben verrückte Sage von einer weißen Stute, die nachts im Hochgebirge Wölfe füttert, damit diese nicht im Kulturland Futter suchen. Das Fazit dieser Legende: Die weiße Stute darf nicht gestört werden, die macht das Richtige. Für Bätzing ist das der Beweis dafür, dass Bauerngesellschaften und Wildtiere jahrtausendelang nebeneinander gelebt haben. Für mich ist das ein schlüssiges Bild. Die Diskussion, dass es entweder Wölfe oder Bauern geben soll, halte ich für falsch.

Seit über tausend Jahren nachweislich bewirtschaftet: die Sünser Alp, auf der die Rinder des Vetterhof den Hochsommer verbringen –unter der Obhut eines Hirten. (Foto: Vetterhof)

Seit über tausend Jahren nachweislich bewirtschaftet: die Sünser Alp, auf der die Rinder des Vetterhof den Hochsommer verbringen – unter der Obhut eines Hirten. (Foto: Vetterhof)

Viele Schaf- und Fleischrinder-Halter beklagen, dass ihre Ängste vor dem Wolf nicht gehört werden. Verstehst du diesen Standpunkt?
Simon Vetter: Ich kann diesen Standpunkt zum Teil nachvollziehen. Die Diskussion über Wildtiere wird bei uns großteils von der Stadt aus geführt. Wenn ich mich im neunten Bezirk in Wien über die Vorteile von großen Raubtieren in den alpinen Tälern unterhalte, dann ist das alles sehr weit weg. Auf der anderen Seite wird dieses Thema am Land aber auch sehr durch die emotionale Brille gesehen. Der ökonomische Schaden, den Raubtiere anrichten können, hält sich ja in Grenzen. Da muss man meiner Meinung nach recht pragmatisch sein. Schäden, die durch Raubtiere entstehen, müssen gedeckt werden und wenn nötig muss der eine oder andere Wolf auch geschossen werden. Wir können nicht von Menschen in anderen Erdteilen erwarten, dass sie ihre Elefanten, Löwen etc. leben lassen und gleichzeitig beim ersten Wolfsrudel, das in Österreich auftaucht die Nerven wegwerfen.

Der Wolfsforscher Kurt Kotrschal, der die Rückkehr des Wolfs in unseren Breiten nicht idealisiert, aber doch prinzipiell begrüßt, fordert, dass sich Tierhalter anpassen müssten. Konkret meinte er in der „Presse“: „Einfach Tiere auf die Alm treiben, um sie dort eine Saison lang sich selbst zu überlassen, wird in Zukunft nicht mehr gehen. Völlig inakzeptabel ist der Standpunkt der betroffenen Bauern, weitermachen zu wollen wie bisher.“ Zusätzliche Herdenschutzhunde kosten die Tierhalter zumindest Futter. Das heißt, dass Fleisch von extensiv auf der Weide gehaltenen Rindern und Schafen künftig teurer werden könnte, richtig?
Simon Vetter: Herdenschutzhunde kosten Geld. Die Ausbildung, die Haltung im Winter, aber auch die Betreuung im Sommer ist nicht gratis. Das die ganze Sache mit dem Einsatz von Herdeschutzhunden nicht erledigt ist, zeigt die Diskussion in der benachbarten Schweiz. Wie reagieren Herdenschutzhunde beispielsweise auf Wanderer mit Hunden?


Weiterlesen?
2016 wurden in Österreich erstmals seit über 100 Jahren junge Wölfe geboren – am Truppenübungsplatz Allentsteig. Der Wolf ist also zurück in Österreich. Und jetzt? – Wir haben mit Biobauern, Rinderzüchtern, Umweltschützern, Jägern und Förstern gesprochen. Eine Mammut-Recherche zum Thema „Wolf in Österreich“, von Matthias Schickhofer.

Bereits wiederholt haben wir uns bei BIORAMA mit der Rückkehr des Wolfs beschäftigt. Hier findet sich etwa ein Interview mit Markus Bathen, der für den NABU die Initiative „Willkommen Wolf“ betreut. 

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