Wie der lokale Handel den Online-Riesen Konkurrenz machen könnte
Der Onlinehandel ist ein Riesengeschäft. Trotzdem geschehen 80 Prozent des Einzelhandels offline, im Nahbereich der Konsumenten. Ein Wiener Kurierdienst möchte beide Welten miteinander verbinden.
Stell dir vor, du bestellst etwas in einem Web-Shop, wartest aber nicht bis zum nächsten Tag oder sogar mehrere Tage auf die Lieferung. Du erhältst deine Bestellung schon 90 Minuten später oder zum Wunschtermin nach Feierabend. Genau das möchte das Logistik-Unternehmen Veloce aus Wien mit seinem Service Shop Courier und einer gemischten Flotte von Fahrrad über Lastenfahrräder bis City-Transporter möglich machen. Shop Courier nennt sich der „Same-Day-Delivery“ Service, den das Unternehmen schon in den sechs größten Städten Österreichs anbietet.
Eigentlich klingt das nicht neu. Schließlich spricht ja auch bisher nichts dagegen, einen Kurier irgendwohin zu schicken, um etwas abzuholen, das man vorher gekauft hat. Im Detail verbirgt sich hinter dem Service aber etwas ziemlich neues, erklärt der Veloce-Chef Paul Brandstätter: „Bislang haben Geschäfte, selbst dann, wenn sie einen Onlineshop hatten, oft nicht online angeben können, ob ein Artikel aktuell an einem bestimmten Ort verfügbar ist. Das hat lange Zeit verhindert, dass sich ein Kunde einen bestimmten Artikel in einem bestimmten Zeitraum liefern lassen konnte. Inzwischen ändert sich das allerdings, und es gibt diese digitalen Informationen.“ Das macht ganz neue Service-Dienstleistungen möglich, über die vorher gar nicht ernsthaft nachgedacht wurde. „Bisher war es so, dass der Handel überhaupt kein Problem damit hatte, keinen Liefer-Service anzubieten. Es gab schließlich auch nicht das passende logistische Angebot. Das war insgesamt einfach unattraktiv.“
Lieferung an die Haustür binnen 90 Minuten. Bild: Veloce
Die Zustellung zur Wunschzeit wird genutzt, wenn es sie gibt
Inzwischen ist es möglich, im Online-Shop lokaler Händler zu bestellen und die Ware von einer nahgelegenen Filiale des Händlers binnen kürzester Zeit per Fahrrad liefern zu lassen. Nur: wer soll das Angebot nutzen? Schließlich überzeugen die großen Online-Händler mit ihrem gigantischen Angebot. Damit kann der niedergelassene Handel nicht so leicht konkurrieren. „Das Angebot, Waren liefern zu lassen, kann der lokale Handel aber trotzdem schaffen,“ meint Brandstätter. Bisher habe der Handel oft konservativ gedacht und geglaubt, was der Kunde nicht nachfragt, das bieten wir auch nicht an. Mit den gewachsenen digitalen Möglichkeiten sei da ein Umdenken im Gang. Auch Handelsketten wie die zum Rewe-Konzern gehörende Drogeriemarkt-Kette Bipa haben inzwischen ein Same-Day Lieferangebot und stellen fest: Die Menschen nutzen sie. In Kombination mit dem umweltfreundlichen Lieferservice von Veloce entstehen so im städtischen Gebiet neue bequeme Services.
Das Angebot des lokalen Shop Couriers richtet sich allerdings nicht nur an große Ketten wie Bipa, Thalia, Wein & Co, die alle bereits umsatzstarke und etablierte Onlineshops anbieten und den Service Shop Courier anbieten. Das Konzept, Ware am selben Tag zu liefern ist zum Beispiel gerade auch für Apotheken attraktiv. Paul Brandstätter möchte seinen Lieferdienst deshalb auch für kleinere, niedergelassene Einzelhändler attraktiv machen: „Wir wollen sehr bald jedem Händler ein Tool in die Hand geben, das es noch einfacher macht, einen Lieferservice anzubieten. Der Händler kann die Lieferung dann ganz einfach im Geschäft oder eben online anbieten. Natürlich ist die Frage, wie der Konsument davon erfährt. Daran arbeiten wir gerade. Ob es ein Pappaufsteller im Geschäft wird oder etwas anderes, werden wir sehen. Es kommen vor Weihnachten noch einige Aktionen.“
E-CargoBikes werden zum Liefern der Waren eingesetzt. Bild: Veloce
„Von Jahr zu Jahr mehr in Marketing investieren“
Es bleibt die Frage, ob es nicht sinnvoll werde, viele lokale Einzelhändler online auf einem gemeinsamen Marktplatz zu vernetzen, um ein Angebot zu schaffen, da“s es mit dem der großen Internethändler aufnehmen kann. Dahin ist es noch ein langer Weg, aber ein Anfang sei gemacht, findet Paul Brandstätter: „Für den Erfolg eines Online-Marktplatzes ist ja die Bekanntheit ganz wesentlich. Dafür muss man aber von Jahr zu Jahr mehr in Marketing investieren. Amazon, Zalando und so weiter haben massive Marketing-Ausgaben. Der lokale Handel hat nicht die finanziellen Möglichkeiten damit zu konkurrieren. Da fehlen noch die großen Investoren. Die Vorteile von lokalem Handel und Internet-Lieferdienst verbinden, kann man aber trotzdem schon jetzt.“
Das Thema eCommerce finden wir ziemlich interessant, deshalb haben wir uns neulich schon einmal damit beschäftigt: hier.
Zum Thema ,Ferne Nähe – Wie das Internet Relationen verschiebt und was das für Politik, Wirtschaft und Raumplanung bedeutet‘ wird am 25. November 2015 im Rahmen von Twenty.Twenty #27 im Wiener Impact Hub diskutiert. Unter anderem auch mit Paul Brandstätter.
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