Kann Spuren von Milch enthalten

vegan

Über den Selbstversuch, sich einen Monat vegan zu ernähren. Bilanz nach der ersten Woche: einmal gescheitert.

Ich mag Fleisch. Dazu stehe ich – was mir zuletzt den Ruf eingebracht hat, ich wäre ein „Veganerfresser“. Selbst sehe ich mich als mündigen Fleischfresser, der kein prinzipielles Problem damit hat, dass für seine Ernährungsgewohnheiten auch Tiere zu Tode kommen – sofern diesen davor ein möglichst würdevolles Leben beschieden ist. Fleisch aus dem Supermarkt versuche ich zu vermeiden (eine direkte Konsequenz der Lektüre der beiden Bücher von Clemens G. Arvay – weil ich die Art und Weise wie die allermeisten Tiere geschlachtet werden, nicht gutheißen kann. Bio bedeutet diesbezüglich leider nicht automatisch besser. Seit ich selbst bei einer Schlachtung dabei gewesen bin (was ich jedem Fleischfresser raten würde und ich eigentlich als moralische Verpflichtung erachte) und erfahren habe wie respekt- und würdevoll einer Kreatur vor ihrem Tod begegnet werden kann, bin ich diesbezüglich noch konsequenter geworden. Manchmal landen dennoch ein paar Landjäger in meinem Einkaufswagerl. Ich bin verführbar. Dennoch: Tierwohl ist mir ein aufrichtiges Anliegen. Ich halte es für moralisch verwerflich, Tiere schlecht oder auch nur suboptimal zu halten, nicht aber, sie zu essen, also auch: sie zu töten. Ich weiß: Manche Menschen halten das für Mord und meine Haltung für zynisch. Für sie bin ich Teil des „Schweinesystems“. Damit kann ich leben.

Weil es mit meinen oben formulierten Ansprüchen gar nicht anders ginge, habe ich mich auch bisher de facto an fünf oder gar sechs von sieben Tagen vegetarisch ernährt. Auch, weil ich mir Fleisch, das meine Qualitätserforderungen wirklich erfüllt, gar nicht öfter leisten könnte. Und ganz generell gesprochen: Fleisch ist viel zu billig, das tägliche Schnitzel kein Menschenrecht!

Zwei Ausnahmen 

Warum also einen Monat lang kein Fleisch, keine tierischen Produkte? Ich gestehe: Mein Selbstversuch hat primär professionelle Gründe. 7,15 Prozent der Leserinnen und Leser unseres Magazins ernähren sich vegan, also rein pflanzlich. Das hat eine auf dieser Website durchgeführte Leserbefragung ergeben. Ich möchte wissen, wie es diesen Menschen geht. Welchen Problemen, welcher Ignoranz sie im Alltag begegnen, aber auch welche Freuden einem womöglich als Nicht-Veganer entgehen. Natürlich ist auch Neugier mit im Spiel. Vom ”selbstverschuldeten Elend“, das mir ein (Schnitzel-)Freund attestierte, als ich ihm vom Vorhaben meiner Erprobung erzählt hatte, merke ich bislang jedenfalls noch nichts. Auch wenn die Einschränkungen durchaus massiv sind und ich mich schon jetzt auf den Vorarlberger Bergkäse freue, den ich mir am 9. Juli gönnen werde. Dann ist mein Veganmonat vorbei, den ich beim Besuch der Wiener „Veganmania“ begonnen habe und dessen Start ich eineinhalb Wochen vorbereitet hatte: das angebrochene Sixpack Eier verspeist, den Streichkäse bewusst aufgebraucht. Die Nudeln mit Ei werden so schnell nicht schlecht und auch der abgepackte Feta im Kühlschrank muss nicht vor Mitte September gegessen sein. Zwei Ausnahmen hatte ich von vornherein definiert: Honig werde ich weiterhin essen. Und selbst gefangenen Fisch werde ich – sollte ich es endlich wieder schaffen, Angeln zu gehen UND dabei auch etwas zu erwischen – sicher nicht einfrieren.

Wahnsinn, wo überall Viech drin ist

Die vielleicht überraschendste Erkenntnis aus Woche eins: Wahnsinn, wo überall Viech drin ist! Naiv habe ich gleich am ersten Tag in der Früh in einer Ströck-Filiale ein Gemüse-Ciabatta gekauft. In der fixen Annahme: Weckerl/Brötchen, Gurke, Karotte, Sprossen, sonst nix. Doch darin entdeckte ich zu meiner Überraschung sowohl eine Scheibe Käse als auch eine – sparsame – Grundierung mit Streichkäse. Über die Käsescheibe hat sich eine Taube gefreut, den Streichkäse allerdings habe ich mitgegessen. Wegwerfen wäre mir pervers und fundamentalistisch erschienen. Nach diesem Scheitern gleich am ersten Tag war mir immerhin klar: Ohne gefragt zu haben, ob etwas vegan ist, gehst du besser davon aus, dass überall irgendwas vom Tier ist. Sei es Topfen, Milch(pulver) oder Ei(klar). Überrascht hat mich auch, auf wie vielen Produkten sich neben dem Hinweis auf Nüsse, Mandeln und dergleichen auch angemerkt findet, etwas könne „Spuren von Milch“ enthalten. Davon habe ich mich aber, ehrlich gesagt, nicht abschrecken lassen – im Wissen, dass diese Unschärfe viele aufrechte Veganer wohl nie durchgehen lassen würden.

Was ich recht rasch entdeckt habe: die wahre Breite des Ja! Natürlich-Produktsortiments. Und auch, dass einem als Veganer die Spar Veggie-Linie echt das Leben erleichtert. Wobei vegan (oder „veggie“) bedauernswerter Weise nicht zwingend auch Bio bedeutet. Erfüllen vegane Produkte einmal auch Bio-Kriterien, dann steht meist der Vegan-Hinweis im Vordergrund, Bio wird dezenter ausgewiesen. Vegan ist für die adressierte Klientel offensichtlich der entscheidende(re) Kaufanreiz. Bei mir ist es normalerweise genau umgekehrt.

Sojamilch vs. Marillen-Nektar 

Dass mir Käse fehlt, habe ich oben schon erwähnt. Eine echte Einschränkung ist auch der Verzicht auf (frische) Vollmilch. Den besten Kaffee trinke ich normalerweise in der Kaffeefabrik. Hausherr Tobi kredenzt nicht nur selbst importierte und geröstete Bohnen, er und sein Team bereiten Melange und Cappuccino stets auch mit Bio-Milch zu. Zwar hat er mir angeboten, für mich Soja- oder Reismilch einzukühlen (ich bin Stammgast und schaue täglich vorbei), wenn ich ihm welche mitbrächte. Bloß geschafft habe ich das bisher nicht. Weshalb ich seit einer Woche statt Melange einen Verlängerten trinke.

Zu Hause kam mein Bialetti-Kaffeekocher in dieser Zeit gar nicht zum Einsatz. Zwar steht ein Tetrapak Sojamilch im Regal, aber es auch anzureißen konnte ich mich bislang nicht durchringen. So gut schmeckt die süßliche Sojamilch dann doch nicht. Und seit langem schon gieße ich mir mein Frühstücksmüsli gern einmal mit Marillen-Nektar  anstatt mit Milch auf. So war es auch diese Woche.

Das Gefühl, sich gesünder zu ernähren 

Bittere Erkenntnis am Wochenende war, dass Mutters Krautfleckerl nicht vegan sind, weil in der von ihr verwendeten Teigware Ei enthalten ist. Dafür ist mir bei der ersten Grillerei des Jahres das Fleisch gar nicht abgegangen. Die mit Gemüse-Bulgur gefüllten Paradeiser (Tomaten) und Paprika, der gegrillte Frühlingsknoblauch waren köstlich. Insgesamt habe ich, obwohl ich gegenwärtig in Sachen Bio deutlich kompromissbereiter zu sein habe als sonst, das Gefühl, mich derzeit gesünder zu ernähren als sonst.

Was nach diesem Selbstversuch jedenfalls bleiben wird: Ich werde künftig wohl noch weniger Fleisch essen als bisher; und viel öfter Produkte von Hiel – Peter Hiel macht einfach die besten Aufstriche der Welt: 100 Prozent biologisch – und die meisten davon vegan. Vegetarisch sind sie alle. Die nicht-veganen probier ich dann im Juli aus.

VERWANDTE ARTIKEL